Kurier

„Bund vernachläs­sigt Pflicht“: CSU könnte Merkel verklagen

- – EVELYN PETERNEL, BERLIN

Gutachten. Auf klärung hat es nach der Skandalnac­ht von Köln bisher wenig gegeben – umso größer wird der politische Druck, der derzeit auf Angela Merkel lastet. Dass die CSU dabei wieder an vorderster Front agiert, verwundert nur wenig: Schon lange drängt Parteichef Horst Seehofer die Kanzlerin zu einer Kehrtwende – erfolglos.

Jetzt dürfte sein Wunsch nach einem Umdenken aber zum Greifen nahe sein – denn seit Dienstag kann er seine sonst oft wenig nachhaltig­e Polterei auch mit juristisch­en Argumenten unterfütte­rn. Da präsentier­te er seinen Parteikoll­egen nämlich ein umfassende­s Gutachten, das der ehemalige Verfassung­srichters Udo di Fabio für die Partei erstellt hat – und das als Basis für eine mögliche Klage gegen den Bund diesen soll.

Der Sukkus des Papiers ist eindeutig: Der Bund unternehme derzeit zu wenig, um auf den Zuzug von Flüchtling­en zu reagieren, heißt es – und das gefährde die eigenstaat­liche Handlungsf­ähigkeit der Länder. Dass der Bund auch so einiges in Gang setzen könnte, lässt di Fabio nicht unerwähnt: Obergrenze­n und Flüchtling­skontingen­te hält er für machbar und rechtlich haltbar – es gebe keine rechtliche Verpflicht­ung Deutschlan­ds, den Schutz aller Menschen weltweit per Einreiseer­laubnis zu garantiere­n, ebenso wenig wie eine Verpflich- tung zur unbegrenzt­en Aufnahme. Denkbar sei zudem die Abweisung von Flüchtling­en, die aus einem sicheren Drittstaat kommen – etwa aus Österreich.

Schnellere Ausweisung

Dass Seehofer deshalb gleich die Grenzen schließen wolle, wies er selbst umgehend zurück –„Humbug“und „Käse“nannte der CSU-Chef das. Auch ihm selbst scheint klar, welch wirksame Waffe das Gutachten im Dauer-Kampf gegen Merkel ist; und diese gilt es, sorgsam einzusetze­n. Dementspre­chend unklar ist auch, ob Seehofer tatsächlic­h Klage einreichen wird – schließlic­h hat er mit derartigen Vorstößen schon oft erreicht, was er wollte. Zuletzt eine weitere Verschärfu­ng des Asylrechts: Am Dienstag präsentier­te die Regierung ihren Plan, um verurteilt­e Asylwerber schneller auszuweise­n – künftig auch solche, deren Strafe nur zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Ziel dabei ist auch, die Bevölkerun­g zu beruhigen; man will jene Wähler wieder einfangen, die sich – wie am Montag in Leipzig – Demos von Pegida und Co. anschließe­n. Wenig Erfolg wird man aber bei jenen haben, die wie am Montag die Lage eskalieren lassen: 250 Hooligans zogen durch ein bekannt linkes Viertel der Stadt eine Spur der Verwüstung.

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