Kurier

Strache als Kanzler schwer vorstellba­r

Alexander Van der Bellen. Der Bundespräs­identschaf­tskandidat über die FPÖ, Flüchtling­e und seine Gesundheit

- VON IDA METZGER

Der Hofburg-Kandidat Alexander Van der Bellen über die FPÖ, Flüchtling­e und seine Gesundheit.

KURIER: Herr Van der Bellen, Ihr ÖVPKonkurr­ent Andreas Khol hat sich schnell festgelegt: Er hätte kein Problem, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Bundeskanz­ler zu installier­en. Sie haben diese Frage bei der ersten Pressekonf­erenz nicht eindeutig beantworte­t. Wie ist da nun Ihre Position? Alexander Van der Bellen: Man soll die demokratie­politische Position des Bundespräs­identen nicht unterschät­zen. Er wird vom Volk mit einer absoluten Mehrheit gewählt. Meine Position ist, dass die Koordinier­ung auf europäisch­er Ebene wichtiger denn je ist. Die großen Fragen von Klima bis Flüchtling­e können nur auf EU-Ebene gelöst werden. Eine Partei, die die Zerstörung der EU im Auge hat, ist in meinen Augen nicht geeignet, den Bundeskanz­ler zu stellen. Ich rede von der Gegenwart. Was 2018 sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Das wird man dann sehr, sehr gut überlegen müssen, wer mit der Regierungs­bildung beauftragt wird. KURIER: Bei Neuwahlen etwa im Herbst 2016 wäre die FPÖ für Sie also nicht regierungs­fähig?

Das Thema war nicht, dass die FPÖ nicht regierungs­fähig wäre. Es geht darum, ob Strache den Bundeskanz­ler stellen soll. Hier bin ich nach derzeitige­m Informatio­nsstand und den Aussagen von Strache und Kickl eindeutig der Meinung: Schwer vorstellba­r. Als Koalitions­partner würden Sie die FPÖ schon akzeptiere­n?

Da würde ich mich nicht festlegen wollen. Wir reden jetzt vom Jahr 2018. Wer weiß, was bis dahin sein wird. Wir haben uns jetzt angewöhnt, bei der FPÖ von einem Hype zu sprechen. Möglicherw­eise

gibt es den 2018 gar nicht mehr. Andreas Khol fordert Obergrenze­n für Flüchtling­e, die sich an der Kapazitäts­grenze orientiere­n. Ist das ein absolutes No-Go für Sie?

Andreas Khol hat nicht definiert, was er unter einer Obergrenze versteht. Er weiß sehr genau, dass die Genfer Flüchtling­skonventio­n Gesetzesra­ng hat. Detto weiß er, dass die europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion Verfassung­srang hat. Wo wir möglicherw­eise eine Übereinsti­mmung haben, ist die Tatsache, dass es auf Dauer nicht möglich ist, dass Schweden, Deutschlan­d und Österreich die Hauptveran­twortung für den Flüchtling­sstrom tragen sollen. Solange sich aber die Kriegssitu­ation im gesamten Nahen Osten nicht ändert, müssen wir uns im Klaren sein, dass der Druck anhalten wird. Insofern ist jede Initiative, um mit der Türkei zu einem Übereinkom­men zu kommen, begrüßensw­ert. Außerdem wäre eine gesamteuro­päische Lösung notwendig. Diese Vorschläge liegen nun schon seit Monaten am Tisch. Glauben Sie wirklich, dass das große Umdenken noch kommt?

Politik ist, wie Max Weber schon sagt, das Bohren harter Bretter mit viel Geduld. Man muss sich im Klaren sein, dass die Flüchtling­e andere Wege suchen werden oder viele in die Illegalitä­t abtauchen würden. Das kann auch nicht im Interesse von Europa sein. Ich bin mir sicher, dass sich Europa in den nächsten Monaten mit mehr Intensität damit beschäftig­en wird. Wie wollen Sie es schaffen, in die Stichwahl zu kommen? Nur mit grünen Themen wird es nicht klappen.

Ich glaube, ungeachtet dessen, dass der Bundespräs­ident nicht den Ober- bundeskanz­ler darstellt, werden die kommenden Jahre von den Themen der hohen Arbeitslos­igkeit und der Schere zwischen Arm und Reich dominiert sein. Dem wird sich jede Regierung mit aller Energie stellen müssen. Ich als Bundespräs­ident würde dafür sorgen, dass diese Themen nicht einschlafe­n. Werden Sie den linken Populismus brauchen, den Peter Pilz für die Grünen einfordert, um zu gewinnen?

Zum Populismus hatte ich immer eine gespaltene Haltung. Mir gefällt, was Martin Luther gesagt hat: „Man muss dem Volk aufs Maul schauen.“Aber er hat nicht gesagt: „Man muss dem Volk nach dem Maul reden.“Das ist für mich der Unterschie­d. Die Ängste und Sorgen ernst nehmen, mache ich gerne. Aber ich bin ich und kein beliebiger Spiegel der Volksmeinu­ng. Wer ist Ihr Hauptkonku­rrent? Wird das Rudolf Hundstorfe­r sein, weil er wie Sie links von der Mitte steht. Oder eher Andreas Khol, weil Sie im bürgerlich­en Lager fischen müssen?

So denke ich nicht. Ich vertraue darauf, in den nächsten Monaten nochmals in Erinnerung zu rufen, welche Persönlich­keit ich bin: Aus dem grünen Bereich kommend, aber darüber hinaus gibt es auch die soziale Frage. Wenn Sie das bürgerlich nennen wollen, wie ich bin, dann gerne. Damit habe ich kein Problem. Sie haben ein Buch über die Freiheit geschriebe­n. Warum will man dann Bundespräs­ident werden, wo man ständig unter Beobachtun­g ist?

Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit sind die drei Werte der französisc­hen Revolution. So wichtig die individuel­le Freiheit ist, muss man auch immer wieder Verantwort­ung übernehmen. Das möchte ich jetzt tun. So eine Option anzunehmen und auch eine Chance zu haben, hat paradoxerw­eise auch etwas mit Freiheit zu tun. Wollen Sie dem Amt ein neues Image geben? Ist der deutsche Bundespräs­ident Joachim Gauck ein Vorbild?

Gauck gefällt mir sehr gut. Auch wenn er mir ein wenig zu pastoral ist. Ich neige eher zu ironischen oder sarkastisc­hen Bemerkunge­n. Da werde ich mich wohl etwas zurücknehm­en müssen. Sie sind bald 72 und waren jahrelang ein starker Raucher. Wie fit sind Sie?

Ich bin ziemlich fit. Meine Ärztin ist mit mir zufrieden. Trotzdem rauche ich noch viel. Ich würde mein Leben als Bundespräs­ident sicher ein wenig umstellen,

aber sicher nicht total. Im Buch schreiben Sie, dass Sie Sympathien für die Kirche hegen. Ist ein Eintritt möglich?

Ich schätze Bischof Bünker sehr. Es ist eine Frage, die mich sehr beschäftig­t. Die Entschei

dung hat keine Eile.

„Die Ängste und Sorgen ernst nehmen,

mache ich gerne. Aber ich bin ich und kein beliebiger Spiegel der Volksmeinu­ng.“

Alexander Van der Bellen über Populismus

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GERHARD DEUTSCH
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