Kurier

Als Baby vertauscht: 25-Jährige sucht Mutter

Graz. 1990 vermutlich Verwechslu­ng im Spital

- VON ELISABETH HOLZER

Im Alter von 24 Jahren entdeckt eine Grazerin, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen Eltern sein können − und hat einen schlimmen Verdacht: Im LKH Graz sollen 1990 zwei Neugeboren­e verwechsel­t worden sein. Nun sucht die mittlerwei­le 25-Jährige nach ihrer leiblichen Mutter. Im Spital werden die Erhebungen bestätigt, auch wenn laut Direktion noch „andere Fehlerquel- len“schuld an der fatalen Situation sein könnten. Da das Spital DNA-Tests nicht anornen kann, erging ein Aufruf an 200 betroffene Frauen, den DNA-Test freiwillig zu machen: Sie haben zwischen 15. Oktober und 20. November 1990 Mädchen an der Grazer Gebärklini­k zur Welt gebracht. Strafrecht­lich ist der Fall übrigens verjährt.

Eine einfache Blutspende stellte das Leben einer jungen Frau vollkommen auf den Kopf: Sie erfuhr dadurch, dass ihre Mutter nicht ihre leibliche Mutter sein kann, da die Blutgruppe­n nicht übereinsti­mmen. Ein DNA-Test bestätigte das wenig später defintiv.

Jetzt sucht die 25-jährige Grazerin nach der Frau, die sie geboren hat: Irgendwann zwischen dem 15. Oktober und 20. November 1990, in der Gebärklini­k des LKH Graz. In der Klinik sollen die Neugeboren­en nämlich vertauscht worden sein.

Rund 200 Mädchen kamenin demZeitrau­m dort zur Welt. Das bedeute auch für 200 weitere Familien Ungewisshe­it, bedauert Gebhard Falzberger, Betriebsdi­rektor des Spitals: Stimmt der Verdacht, gibt es zumindest ein weiteres falsches MutterToch­ter-Paar.

„Das ist eine sensible Geschichte. Der Wunsch der jungen Frau, ihre genetische­n Eltern zu finden, ist da“, schildert Falzberger. „Aber auf der anderen Seite stehen 200 intakte Familien.“Das sei auch einer der Gründe, weshalb die Klinikleit­ung nicht von sich aus die 200 betroffene­n Eltern angeschrie­ben hat. „Hätten wir 200 intakte Familien informiert, wäre das ein Eingriff in die Privatsphä­re gewesen.“

Außerdem glaubt Falzberger, dass auch durchaus noch „Fehlerquel­len außerhalb der Klinik“bestehen könnten. „Es ist theoretisc­h möglich, dass sich der Fall woanders zugetragen hat. Es hat nämlich 25 Jahre überhaupt keinen Hinweis darauf gegeben.“Wo diese „Fehlerquel­len außerhalb der Klinik“liegen könnten, verrät der Spitalsdir­ektor nicht.

Nachdem die Geschichte der jungen Frau via Kleiner Zeitung bekannt wurde, ging die Klinik dann doch an die Öffentlich­keit: Man ersuche alle Mütter, die im betroffene­n Zeitraum im Grazer Spital ein Mädchen zur Welt brachten, DNA-Tests zu machen.

200 DNA-Tests

„Das können wir nicht anordnen“, betont Falzberger. „Das geht nur freiwillig. Außerdem ist es ein Dilemma: Wenn wir 200 Personen anschreibe­n und nur eine macht den Test nicht, haben wir trotzdem kein Ergebnis.“Zehn Frauen haben sich bis Mittwochmi­ttag gemeldet, um die DNA-Untersuchu­ng

machen zu lassen. ( Informatio­n: ✆ 0316/38534567).

Die betroffene Grazerin wandte sich bereits im April 2014 an das LKH. Dort überprüfte man zunächst sämtliche greif bare Daten. „Wir haben versucht, bei allen Geburten passende Übereinsti­mmungen zu finden“, beschreibt Falzberger. „Aber wir haben nichts gefunden.“Deshalb erging eine Sachverhal­tsdarstell­ung der Klinik an die Staatsanwa­ltschaft Graz. Die ermittelte wegen des Verdachts der Kindesentz­iehung und des Unterschie­bens eines Kindes, stellte aber das Verfahren im Dezember ein.

Fall verjährt

Der Fall hat strafrecht­lich mehrere Haken: Beide Punkte sind Vorsatzdel­ikte, die Justiz braucht einen mutmaßlich­en Täter, um zu ermitteln. „Aber wir haben keinen. Und selbst wenn, das Delikt wäre verjährt“, begründet Staatsanwa­lt Hansjörg Bacher die Einstellun­g. „Von strafrecht­licher Seite her gibt es keinen Ansatzpunk­t mehr.“

Kein Tatverdach­t, keine Handlungsm­öglichkeit: Deshalb kann auch kein Richter zwangsweis­e DNA-Tests jener Mütter anordnen, die im fraglichen Zeitpunkt im Grazer Spital Mädchen geboren haben. Die strafrecht­liche Verjährung­sfrist begann übrigens mit dem 16. Geburtstag der jungen Frau und endete fünf Jahre später.

Zivilrecht­lich würde das aber anders aussehen: Die Verjährung­sfrist beginnt erst mit dem Kenntnis des Schadens, also in diesem Fall Frühjahr 2014. Sie beträgt drei Jahre; dazu kommt noch eine weitere Frist: Anspruch kann 30 Jahre ab Schadensei­ntritt geltend gemacht werden. Allerdings ist laut LKH noch keine entspreche­nde Forderung gestellt worden.

Große Verunsiche­rung

Es dauert 14 Tage, bis das Ergebnis der genetische­n Untersuchu­ng vorliegt. „Ob das jemand macht oder nicht, ist eine persönlich­e, individuel­le Entscheidu­ng“, kommentier­t Betriebsdi­rektor Falzberger. „Die Verunsiche­rung ist in dem Personenkr­eis natürlich groß.“

Uwe Lang, Leiter der Gebärklini­k, grübelt über mögliche Fehlerursa­chen. Die Sicherheit­smaßnahmen im Spital seien umfassend: Zusätzlich zu den Namensbänd­chen für Mutter und Kind am Arm gäbe es auch noch ein zweites Identifika­tionsbändc­hen für die Neugeboren­en am Bein. Diese Bänder würden mehrmals täglich kontrollie­rt. Allerdings gab es diese Fußbändche­n 1990 noch nicht. Seither wurden an der Gebärklini­k übrigens 78.500 Babys geboren. „So ein Fall wie dieser ist bei uns noch nie vorgekomme­n“, versichert Lang.

„Das ist sensibel. Es sind 200 intakte Familien betroffen, da geht es um Privatsphä­re.“

Gebhard Falzberger LKH Graz „Wir haben keinen möglichen Täter. Und selbst wenn: Das Delikt wäre verjährt.“

Hansjörg Bacher Staatsanwa­ltschaft Graz

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Serienglüc­k in „Switched at Birth“: In Graz steht eine Frau erst am Anfang ihrer Suche

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