„Al taharroush gamea“: Gemeinsame Belästigung
Feminismus. Araberinnen wollen auf Unterdrückung der Frau im arabischen Raum hinweisen, Deutsche auf Alltagssexismus
„Al taharroush gamea“. Es gibt ein Wort für die gemeinsame sexuelle Belästigung von Frauen. Dass das Phänomen dem deutschen Bundeskriminalamt ein Begriff ist, gab dieses nach den Ereignissen in Köln bekannt. Der arabische Begriff Taharroush bezeichnet ein koordiniertes Vorgehen mehrerer Männer zu sexuellen Übergriffen an Frauen – vor allem in größeren Menschenmengen. In europäischen Medien sind diese gewaltsamen Übergriffe im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen Langzeitpräsident Hosni Mubarak am Kairoer Tahrir Platz 2011 bekannt geworden. Seit wenigen Tagen ist das arabische Wort auch im deutschen Sprachraum ein Begriff.
Mehrere Männer scharen sich um eine oder einige wenige Frauen und trennen sie von ihren Begleitern. Dann wird sie „weitergereicht“und von Dutzenden Händen an intimen Stellen berührt. Der Akt geht von der sexuellen Belästigung bis zur Vergewaltigung.
Scheinheilig
Dass es in arabischen Ländern sogar ein Wort für dieses ekelhafte „Spiel“gibt, befruchtet die – rassistisch aufgeladene – Diskussion um den „triebgesteuerten arabischen Mann“.
Die ägyptische Feministin Mona Elathawy, deren Zitate zum Thema Unterdrückung der Frau in der muslimischen Gesellschaft jetzt benutzt werden, um eine Pauschalisierung des Verhaltens muslimischer Männer zu rechtfertigen, echauffierte sich via Twitter. Dass in Europa die Debatte um die Rechte der arabischen Frau erst jetzt entfacht wurde, findet sie scheinheilig: „Erst wenn ,unsere Frauen‘ von ,ihren Männern‘ angegriffen werden, ist es den Politikern die Aufmerksamkeit wert“, twit- terte die Feministin am Mittwoch.
Ausnahmslos
In sozialen Medien versuchen Frauen inzwischen die Debatte weg von Asylwerbern und zurück zu Frauenrechten zu bewegen. Unter dem Hashtag #ausnahmslos rufen 23 Feministinnen (darunter Anne Wizorek, Initiatorin von #aufschrei) dazu auf, gegen Alltagssexismus anzukämpfen. Sie beklagen, dass „feministische Anliegen von Populisten instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen“. Man wolle ein Zeichen gegen Rassismus und Gewalt setzen. Egal durch wen, egal gegen wen, um jene „Frauenbeschützer“zu enttarnen, die die Ereignisse in Köln als Deckmantel für Rassismus nutzen. Die Initiative erntete – erwartungsgemäß – Applaus von links, Kritik von rechts.
Mona Elathawy hat die Oberflächlichkeit der Debatte längst satt: „Die Linke und die Rechte reichen das Thema hin und her, im Endeffekt sind es immer Männer, die mit anderen Männern über unsere Körper streiten“, gibt sie zu bedenken.