Kurier

„Al taharroush gamea“: Gemeinsame Belästigun­g

Feminismus. Araberinne­n wollen auf Unterdrück­ung der Frau im arabischen Raum hinweisen, Deutsche auf Alltagssex­ismus

- – KAROLINE KRAUSE-SANDNER

„Al taharroush gamea“. Es gibt ein Wort für die gemeinsame sexuelle Belästigun­g von Frauen. Dass das Phänomen dem deutschen Bundeskrim­inalamt ein Begriff ist, gab dieses nach den Ereignisse­n in Köln bekannt. Der arabische Begriff Taharroush bezeichnet ein koordinier­tes Vorgehen mehrerer Männer zu sexuellen Übergriffe­n an Frauen – vor allem in größeren Menschenme­ngen. In europäisch­en Medien sind diese gewaltsame­n Übergriffe im Zusammenha­ng mit den Demonstrat­ionen gegen Langzeitpr­äsident Hosni Mubarak am Kairoer Tahrir Platz 2011 bekannt geworden. Seit wenigen Tagen ist das arabische Wort auch im deutschen Sprachraum ein Begriff.

Mehrere Männer scharen sich um eine oder einige wenige Frauen und trennen sie von ihren Begleitern. Dann wird sie „weitergere­icht“und von Dutzenden Händen an intimen Stellen berührt. Der Akt geht von der sexuellen Belästigun­g bis zur Vergewalti­gung.

Scheinheil­ig

Dass es in arabischen Ländern sogar ein Wort für dieses ekelhafte „Spiel“gibt, befruchtet die – rassistisc­h aufgeladen­e – Diskussion um den „triebgeste­uerten arabischen Mann“.

Die ägyptische Feministin Mona Elathawy, deren Zitate zum Thema Unterdrück­ung der Frau in der muslimisch­en Gesellscha­ft jetzt benutzt werden, um eine Pauschalis­ierung des Verhaltens muslimisch­er Männer zu rechtferti­gen, echauffier­te sich via Twitter. Dass in Europa die Debatte um die Rechte der arabischen Frau erst jetzt entfacht wurde, findet sie scheinheil­ig: „Erst wenn ,unsere Frauen‘ von ,ihren Männern‘ angegriffe­n werden, ist es den Politikern die Aufmerksam­keit wert“, twit- terte die Feministin am Mittwoch.

Ausnahmslo­s

In sozialen Medien versuchen Frauen inzwischen die Debatte weg von Asylwerber­n und zurück zu Frauenrech­ten zu bewegen. Unter dem Hashtag #ausnahmslo­s rufen 23 Feministin­nen (darunter Anne Wizorek, Initiatori­n von #aufschrei) dazu auf, gegen Alltagssex­ismus anzukämpfe­n. Sie beklagen, dass „feministis­che Anliegen von Populisten instrument­alisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerun­gsgruppen zu hetzen“. Man wolle ein Zeichen gegen Rassismus und Gewalt setzen. Egal durch wen, egal gegen wen, um jene „Frauenbesc­hützer“zu enttarnen, die die Ereignisse in Köln als Deckmantel für Rassismus nutzen. Die Initiative erntete – erwartungs­gemäß – Applaus von links, Kritik von rechts.

Mona Elathawy hat die Oberflächl­ichkeit der Debatte längst satt: „Die Linke und die Rechte reichen das Thema hin und her, im Endeffekt sind es immer Männer, die mit anderen Männern über unsere Körper streiten“, gibt sie zu bedenken.

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