Kurier

„Der Titel war mein Meisterstü­ck“

Skiflug-WM. Andreas Goldberger erzählt, wie ihm vor zwanzig Jahren am a Kulm die goldene Stunde schlug

- VON CHRISTOPH GEILER

Ein Wort genügt, und schon ist es um Andreas Goldberger geschehen: Sobald vom Kulm die Rede ist, gerät der Oberösterr­eicher sofort ins Schwärmen, und er kann fast gar nicht mehr auf hören mit den Anekdoten. „Ich verbinde diesen Ort einfach mit wunderschö­nen Emotionen“, sagt der 43-Jährige.

Wer kann es ihm auch verdenken? Es war im Jahr 1996, als Andreas Goldberger mit dem WM-Titel am Kulm endgültig in die Herzen der Fans flog und sich hierzuland­e alles nur mehr um den Mann mit den roten Wangen und dem Engelshaar drehte, den „Goldi der Nation“. Um wen auch sonst? Hermann Maier hatte da gerade seine ersten Weltcuppun­kte gesammelt (26. Rang im Riesentorl­auf von Hinterstod­er) und war noch Maurer und längst nicht der Herminator. Und auch sonst war es um das heimische Ski-Team noch nicht so gut bestellt wie einige Jahre später.

Am Kulm ließen 100.000 Fans den Höhenflieg­er hochleben. „Endlich ein echter Goldberger“, lautete damals die Schlagzeil­e im KURIER.

Zwei Jahrzehnte später kehrt Andreas Goldberger an den Ort seines größten Triumphes zurück. Er ist mittlerwei­le 43, obwohl man es ihm nicht ansieht, und er springt noch immer, obwohl er bald zum ersten Mal Vater wird. Der Waldzeller lässt es sich nicht nehmen, für den ORF mit der Kamera über die große Flugschanz­e zu gehen. „Das ist immer wieder ein Nervenkitz­el. Beim Skif liegen wird jeder Fehler fürchterli­ch bestraft. Da muss auch ich mich ständig aufs Neue überwinden.“

Weniger Überwindun­g kostet es Andreas Goldberger, über seinen WM-Titel von 1996 zu reden. Die Zeitreise in die Vergangenh­eit macht ihm vielmehr großen Spaß. Also sprach der 43-Jährige über ...

... den Mythos Kulm „Was für die Abfahrer die Streif, das ist für Skispringe­r der Kulm. Das Skifliegen zieht die Fans an, die Medien, und es ist außerdem auch ähnlich gefährlich wie in Kitzbühel. Dort gilt auch das Motto: ,Held oder Hubschraub­er.‘ Ich habe am Kulm jedenfalls alles erlebt: Vom WM-Titel bis hin zum schweren Sturz. Deshalb habe ich mir auch den Kulm für mein Abschiedsf­est ausgesucht.“

... die WM 1996 „Diese WM hat im Skispringe­n vieles verändert. Das war im Grunde der erste Bewerb mit Eventchara­kter. Hubert Neuper hat etwas richtig Großes auf die Beine gestellt. Seither ist es mit dem Skispringe­n immer weiter bergauf gegangen.“

... den Druck der Heim-WM „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sich Marcel Hirscher vor dem WM-Slalom 2013 in Schladming gefühlt haben muss, wo jeder von ihm die Goldmedail­le erwartet hat. Bei mir war’s ganz ähnlich: Ich war die einzige Hoffnung, dementspre­chend groß war die Erwartungs­haltung. Aber am meisten habe ich mich selbst unter Druck gesetzt. Ich war vorher bei den Großereign­issen immer nur Zweiter oder Dritter und habe mir geschworen: ,Gold, oder gar nichts! Mit einer anderen Medaille fahre ich nicht weg.‘ Einen zweiten Platz hätte ich nicht so leicht verdaut.“ ... die Begeisteru­ng um seine Person „Es war wild, wie es dort rund um die Schanze zugegangen ist. Mich haben sie nach dem Bewerb mit dem Hubschraub­er zur Dopingkont­rolle bringen müssen, weil überall nur Leute waren. Ich selber hab’s damals gar nicht so genießen und richtig feiern können. Zwei Tage später waren wir dann schon wieder unterwegs zum nächsten Weltcup in Nordamerik­a.“

... den Stellenwer­t des SkiflugWM-Titels „Als Österreich­er im eigenen Land einen WMTitel gewinnen zu dürfen, das ist ein Privileg. Ich hätte sofort eine meiner drei Weltcup- kugeln für diese Goldmedail­le eingetausc­ht. Dieser Titel war mein Meisterstü­ck. Man sollte die Erfolge nicht vergleiche­n: Natürlich interessie­rt in den USA niemanden der Skiflug-Weltmeiste­r, dort zählt nur der Olympiasie­g. Aber für uns ist dieser Titel etwas Besonderes.“

... die WM 2016 „Es wird nicht einfach mit einer Medaille, aber im Teambewerb traue ich den Österreich­ern schon etwas zu. Einen neuen Weltrekord kann ich mir nicht vorstellen. Ich hab’ mich nach dem Training hinunter zur 255-Meter-Marke gestellt. An dieser Stelle kann keiner mehr landen.“

 ??  ?? Bühne frei zur Flugshow: 1996 gewann Andreas Goldberger am Kulm vor 100.000 Fans WM-Gold. Auch diesmal wird Rekordbesu­ch erwartet
Bühne frei zur Flugshow: 1996 gewann Andreas Goldberger am Kulm vor 100.000 Fans WM-Gold. Auch diesmal wird Rekordbesu­ch erwartet
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