Kurier

Zugunglück im Tunnel: Lokführer soll Bremse irrtümlich gelöst haben

Kollision. Südbahn war zwei Wochen gesperrt. Der Schaden beträgt fünf Millionen Euro.

- VON PATRICK WAMMERL

Einen Tag lang hat die ÖBB versucht, den Unfall herunterzu­spielen. Vielleicht auch deswegen, weil das verheerend­e Zugunglück am Semmering anscheinen­d auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren ist. Wie aus dem Zwischenbe­richt hervorgeht, hat der Lokführer den Güterzug führerlos einen Kilometer talwärts rollen lassen. Er hat fälschlich­erweise angenommen, dass auf der anderen Seite des Zugs bereits die Hilfslok zum Abschleppe­n angedockt hat.

Wie Erich Habitzl von der Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt bestätigt, läuft gegen den knapp 30-jährigen Steirer ein Ermittlung­sverfahren wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung unter besonders gefährlich­en Umständen. Er ist bis auf Weiteres vom Dienst freigestel­lt.

Wegen eines zuvor hängen gebliebene­n Zugs musste der Güterzug „43601“am Vormittag des 1. Dezember bergwärts fahrend auf der niederöste­rreichisch­en Seite des Semmerings anhalten. Eine Lok wurde angeforder­t, die den 21 Waggons langen Zug in den Bahnhof Breitenste­in zurückzieh­en sollte.

Der steirische Lokführer soll die Garnitur darauf hin für das Abschleppe­n vorbereite­t haben. Zu diesem Zweck sollen laut Zwischen- bericht die Bremsen entlüftet worden sein. Der Lokführer dürfte eine leichte Ruckbewegu­ng des Zugs falsch gedeutet haben und davon ausgegange­n sein, dass auf der anderen Seite die Hilfslok angekoppel­t hat. Er habe die Bremsen gelöst, und der Güterzug setzte sich rückwärts in Bewegung.

60 km/h ungebremst

Wegen des starken Gefälles der Semmering-Strecke beschleuni­gte der führerlose Zug auf 60 km/h. „Das hätte der Lokführer merken und den Zug sofort einbremsen müssen. Abgeschlep­pt wird nämlich mit 20 km/h“, erklärt ein Bahn-Insider.

Im Polleroswa­nd-Tunnel kam es zur Kollision mit der bergwärts fahrenden Hilfslok. Was danach geschah, machte vor allem die Exekutive stutzig. Die Polizei erfuhr erst aus Medienberi­chten von dem Unfall. Obwohl der Fahrer der Abschlepp-Lok schwere Verletzung­en erlitt, wurde die Rettung nicht gerufen. Stattdesse­n brachte ein ÖBB-Kollege den Mann ins Spital. Als die Polizei später an der Unglücksst­elle eintraf, war der Lokführer des Güterzuges ebenfalls schon weggebrach­t. Der Beschuldig­te verweigert­e später die Aussage vor der Polizei, stattdesse­n gibt es lediglich eine schriftlic­he Stellungna­hme eines Anwalts.

Die Staatsanwa­ltschaft wartet noch auf das endgültige Gutachten des Sachverstä­ndigen für das Eisenbahnw­esen. Danach wird über ein Verfahren entschiede­n. Parallel untersucht die Sicherheit­s-Untersuchu­ngs stelle des Bundes das Unglück.

 ??  ?? Insgesamt 14 Güterwaggo­ns wurden bei der Kollision im Tunnel wie eine Spielzeuge­isenbahn kreuz und quer geschleude­rt
Insgesamt 14 Güterwaggo­ns wurden bei der Kollision im Tunnel wie eine Spielzeuge­isenbahn kreuz und quer geschleude­rt
 ??  ?? Für die Bergung und Reparatur war die Strecke zwei Wochen gesperrt
Für die Bergung und Reparatur war die Strecke zwei Wochen gesperrt

Newspapers in German

Newspapers from Austria