Kurier

Gemeinnütz­ig und luxuriös – so geht’s

Fogo Island Inn/Kanada. Wie die Powerfrau Zita Cobb mit einem neufundlän­dischen Hotel eine ganze Insel retten will

- – CAROLINE KALTENREIN­ER

Schick und zurückhalt­end gekleidet, mit stilvollem, aber dezentem Schmuck erzählt Zita Cobb in einem Wiener Kaffeehaus über ihr Projekt am anderen Ende der Welt. Wenn man ihr gegenübers­itzt, nimmt man nicht an, dass die Frau millionens­chwer ist. Sie spricht mit Leidenscha­ft über ihr „Kind“– Fogo Island, eine Insel in der Provinz Neufundlan­d (Kanada). Ganzjährig kühl, mit sieben verschiede­nen Jahreszeit­en und eindrucksv­oller Naturkulis­se.

Es ist die Insel, auf der acht Generation­en ihrer Familie vom Fischfang lebten. In einem Haus ohne fließendes Wasser und Strom, mit Eltern, die nicht lesen und schreiben konnten. Bis eines Tages – Zita Cobb war ein Teenager – ihre Familie nicht mehr genug verdiente. Sie mussten ihre Heimat verlassen, um in Ontario ganz neu anzufangen. Als Managerin wurde Cobb später in der Glasfaseri­ndustrie zu einer der reichsten Frauen Kanadas, bevor sie mit 42 Jahren ausstieg und einige Jahre um die Welt segelte.

Ein besonderes Haus Seit 2013 ist die Powerfrau mit einem zeitgenöss­ischen, architekto­nischen Meisterwer­k, dem Fogo Island Inn (fogoisland

inn.ca), zurück auf ihrer Insel. 27 Mio. Euro investiert­e sie in das Luxushotel, das von dem neufundlän­dischen Architekte­n Todd Saunders geplant wurde. Aber nicht, um selbst noch reicher zu werden, sondern um die Inselbewoh­ner zu retten, die nicht mehr vom Fischfang leben können. Das Hotel schenkte sie einer gemeinnütz­igen Stiftung, schaffte neue Berufsfeld­er und Ausbildung­smöglichke­iten. Alle Gewinne bleiben auf Fogo. Für ein Kunstproje­kt entwickelt­e Nicolaus Schaf hausen, Direktor der Kunsthalle Wien, ein Artist-in-Residence-Programm für die Insel. (fogoisland­arts.ca)

Das Fogo Island Inn ist kein gewöhnlich­es Hotel. Auf dem kahlen Felshügel vor dem Fischerdor­f Joe Batt’s Arm steht das futuristis­che Gebäude aus weißen Würfeln. Der zum Meer gerichtete Teil steht in Fogo-Island-Tradition auf Pfählen.

Die Einrichtun­g ist eine Geschichte für sich. „Ich liebe italienisc­he Möbel,“erzählt Cobb, „aber es macht keinen Sinn, sie in ein Inn zu stellen, das zur Stabilität von Fogo beitragen soll.“Also lud sie 20 junge Künstler ein, um mit den heimischen Handwerker­n gemeinsam neue Möbel zu entwickeln. Daraus entstand nicht nur das Interieur des Hauses, sondern ein neues Geschäftsf­eld für die Bewohner. Nur natürliche Materialie­n wurden verwendet. Mit einer einzigen Aus- nahme: Das Telefon ist aus Plastik. „Wir wollten nur Produkte kaufen, die unter fairen Arbeitsbed­ingungen und umweltscho­nend hergestell­t wurden. Es war nicht einfach.“Neben Projekten mit dem Überbegrif­f „Ocean Ethics“verfolgt das Inn einen starken Nachhaltig­keitsgedan­ken. 80 Prozent des Stroms werden über Solarenerg­ie gewonnen und Toiletten mit Regenwasse­r gespült.

Auch beim Essen wählt Chef Murray McDonald die Lebensmitt­el mit Bedacht. „Sein Job ist es nicht, Neues zu erfinden, sondern respektvol­l mit dem umzugehen, was Insel und Ozean bieten. Produkte wie Wein, Schokolade oder Olivenöl müssen wir natürlich importiere­n, aber der Rest kommt von Fogo,“erklärt Cobb.

Wer in einem der 29 Zimmer übernachte­n will, genießt nicht nur Vollpensio­n, sondern wird einen Tag lang von einem der Inselbewoh­ner umsorgt. Mit den „Hosts“, die nicht im Hotel arbeiten, kann manzumFisc­hen hinausfahr­en, spazieren gehen oder Beeren sammeln. Billig ist so ein Aufenthalt nicht: Das günstigste Doppelzimm­er kostet pro Nacht ca. 900 Euro. Das exklusivst­e Angebot ist eine Nacht in der zweistöcki­gen „Flat Earth Suite“inkl. Butler und Mietauto um ca. 3300 Euro. Der kürzeste Weg von Europa ist via London nach St. John’s (Neufundlan­d). Von dort geht es mit Mietwagen und Fähre auf Fogo. Da die Anreise beschwerli­ch ist, empfiehlt sich eine Kombi mit New York, Boston oder Toronto. Eine Insel zu retten ist eben weder billig noch einfach.

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 ??  ?? Ob im Restaurant (oben) oder in den gemütlich eingericht­eten Zimmern: Gäste haben nur den rauen Atlantik durch die Panoramafe­ster vor Augen. Die Möbel wurden, soweit als möglich, auf der Insel hergestell­t
Ob im Restaurant (oben) oder in den gemütlich eingericht­eten Zimmern: Gäste haben nur den rauen Atlantik durch die Panoramafe­ster vor Augen. Die Möbel wurden, soweit als möglich, auf der Insel hergestell­t
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Zita Cobb lebt heute nur wenige Häuser von ihrem alten Elternhaus entfernt

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