Kurier

EU startet Verfahren gegen Polen

Fragwürdig­e Justiz- und Mediengese­tze werden geprüft, Warschau reagiert gereizt

- AUS BRÜSSEL

Die Sitzung der Kommissare dauerte stundenlan­g, die Entscheidu­ng gegen Polen vorzugehen fiel dann aber einstimmig: Die neue nationalko­nservative polnische Regierung muss sich wegen des Verdachts auf schwere Verstöße gegen die demokratis­chen Grundwerte einer Prüfung unterziehe­n. Damit wird erstmals ein 2014 geschaffen­er Mechanismu­s zum Schutz der Rechtsstaa­tlichkeit angewendet.

Eine höchst umstritten­e Reform des Verfassung­sge- richtes und fragwürdig­e Justiz- und Mediengese­tze bezeichnet­e der Erste Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Frans Timmermans, am Mittwoch als „sehr ernste Angelegenh­eiten. Die Rechtsstaa­tlichkeit in der EU muss gewährt sein, deswegen das Verfahren.“

Wenige Stunden vor dem Beschluss versichert­e hingegen Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker in einem „freundscha­ftlichen“Telefonat mit Regierungs­chefin Beata Szydlo, dass es sich bei der Kommission­ssitzung bloß um eine „Routine- prozedur“und eine „Orientieru­ng“handeln werden.

Der Druck auf die Kommission war groß, denn Spitzenpol­itiker inklusive der deutschen Bundeskanz­lerin wollen keine Konflikte mit Polen. Andere warnten nach den Erfahrunge­n mit Italien, Ungarn und jetzt Polen vor einer schleichen­den Erosion der Grundprinz­ipien der EU und vor einer Missachtun­g der Gewaltente­ilung, dem Fundament westlicher Demokratie.

Das Rechtsstaa­tsverfahre­n umfasst drei Stufen: In einem ersten Schritt – und das passiert gerade mit Polen – werden die umstritten­en Gesetze überprüft. Mitte März legt die Kommission ihren Bericht vor. Vom Ergebnis hängt ab, ob in einem zweiten Schritt Polen zur Gesetzesän­derung innerhalb einer Frist aufgeforde­rt wird. Passiert nichts, können die EU-Staaten die dritte Stufe einleiten und die Bazooka ziehen: Das ist Artikel 7 des EU-Vertrages, der Sanktionen, etwa die Streichung von EU-Geldern, und den Entzug des Stimmrecht­es bedeutet. Dafür ist allerdings eine Vier-FünftelMeh­rheit im EU-Rat nötig.

Keine Polemik

Vorerst sei es aber das Ziel, die Lage „in objektiver Art und Weise zu klären“und mit Polen „einen Dialog zu führen“, betonte Timmermans. Es gehe nicht um eine Anklage oder eine Polemik gegenüber Polen. Er bot an, nach Warschau zu reisen.

Die Regierung reagierte auf die EU-Entscheidu­ng einerseits gelassen, anderersei­ts gereizt. Man wolle die Sache „nicht dramatisie­ren“, beruhigte der Regierungs- sprecher. Premiermin­isterin Szydlo drohte ihrerseits der EU: „Wir werden keine Politik auf Knien führen. Die Partnersch­aft in der EU ist kein Privileg, sondern ein Recht.“Polen werde „von ausländisc­hen Medien und Politikern zu Unrecht angeklagt“, erzürnte sich Szydlo und rief zur nationalen Einheit auf.

Opposition­spolitiker von der Bürgerplat­tform erteilten ihr umgehend eine Absage.

Positiv sehen viele Europa-Abgeordnet­e und Vertreter der Zivilgesel­lschaft das Vorgehen der Kommission. Klare Worte fand die grüne Vizepräsid­entin des Parlaments: „Der Zusammenha­lt der EU ist existenzie­ll gefährdet, wenn die Abkehr von demokratis­chen Prinzipien toleriert wird.“

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Szydlo beugt sich nicht der EU: „Keine Politik auf Knien“

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