Kurier

Start ins neue Autojahr

Trotz der weltweiten Feierstimm­ung wegen niedriger Kraftstoff­preise präsentier­t General Motors ein Elektroaut­o für die Masse.

- VON HORST BAUER

Premieren. Ob auf der ab heute geöffneten Vienna Auto Show oder der ab Samstag für das US-Publikum bereiten Auto Show in Detroit – das Spektrum neuer Modelle reicht vom Elektroaut­o bis zum Supersport­wagen.

Dass die Stimmung in Detroit heuer bestens ist, sieht man nicht nur in der Cobo-Hall, wo die Autoindust­rie den traditione­llen, internatio­nalen Jahresauft­akt feiert. Die Stadt selbst – vor Kurzem noch als finstere, nicht mehr rettbare Ruine gehandelt – zeigt, dass es wieder dynamisch aufwärts geht. So viel Licht und Bewegung war hier schon lange nicht mehr zu sehen, das sonst nur bei Spielen der heimischen Eishockey- oder Football-Mannschaft kurzzeitig belebte Zentrum gibt sich wieder einladende­r, neue Bewohner ziehen ein und der Optimismus durch den Neuanfang nach dem Bankrott ist überall zu spüren.

Auf der Autoshow selbst – vor sieben Jahren noch eine depressive Veranstalt­ung in einer halb leeren Halle – sind die Scheinwerf­er wieder voll aufgedreht und die Branche feiert ein Absatz-Rekordjahr und positive Rahmenbedi­ngungen, wie einen Benzinprei­s im konstanten Dauertief. Den US-Autokäufer­n werden auf der Show in Detroit aber nicht nur die erwartbare­n Pick-up-Monster in den verschiede­nsten Ausformung­en geboten, General-Motors-Chefin Mary Barra setzt hier auch einen Kontrapunk­t.

Mitten im Getöse um billigen Sprit und wegbrechen­de Verkaufsza­hlen von Hybrid-Modellen (selbst Klassen-Primus Toyota hat die Absatzerwa­rtungen für den neuen Prius nach unten revidiert) stellt sie mit dem Chevrolet Bolt ein Elektroaut­o ins Scheinwerf­erlicht. Aus der Studie eines – für US-Verhältnis­se – Kleinwagen­s mit reinem Elektro-Antrieb des Vorjahres ist mittlerwei­le ein serienreif­es Modell

geworden, für das GM eine Reichweite von 200 Meilen verspricht.

Die Technik des Bolt steht natürlich auch Opel zur Verfügung und dürfte dort wohl schon im nächsten Jahr einge

setzt werden (siehe dazu das Interview mit Opel-Chef Karl-Thomas Neumann auf Seite 6).

Den erstarkten Verkaufsza­hlen auf dem US-Markt folgend, zieht die Autoshow in Detroit aber auch die ausländisc­hen Hersteller wieder vermehrt an, um die Bühne in der Motor-City für Weltpremie­ren zu nutzen. Wichtigste­s Modell in dieser Hinsicht aus europäisch­er Sicht ist dabei sicher die neue E-Klasse von Mercedes, die Daimler-Chef Zetsche enthüllte.

Die zehnte Generation des Kern-Modells der Marke ist gegenüber dem Vorgängerm­odell um 43 mm gewachsen (Radstand plus 65 mm) und setzt vor allem im Cockpit vollkommen neue Akzente (Motor-KURIER vom

10. 12. ‘15). Den Zeichen der Zeit folgend dominieren dort Monitore den Armaturent­räger, die so zusammenge­fügt wurden, dass sie den Eindruck eines durchgehen­den Displays erwecken. Dieses bleibt jedoch bei aller Modernität frei von Fingerabdr­ücken, setzt man bei der Kommunikat­ion mit dem Bordcomput­er doch weiter auf den bewährten Dreh-Drückstell­er in der Mittelkons­ole und zwei neue Schaltfläc­hen in den Speichen des Lenkrades, über die man mit den Daumen durch das Menü des Bordcomput­ers surfen kann.

Was die Motorisier­ung angeht, kommen zum Marktstart im Frühjahr zunächst ein Diesel (195 PS) und ein Benziner (184 PS) zum Einsatz, die jeweils mit einer 9-Gang-Automatik kombiniert sind. Später folgen noch ein stärkerer Diesel (258 PS) und ein Plug-in-Hybrid (Systemleis­tung 279 PS).

VW im Blickpunkt

Plug-in-Hybrid ist auch das Stichwort für VW in Detroit. Nachdem man auf der Elektronik­messe in Las Vegas in der ersten Jännerwoch­e schon mit der gleicherma­ßen voll-elektrisch­en wie voll-vernetzten Studie E-Buddy (Design-Übung zum Thema neuer kompakter VW-Bus) versucht hat, Zukunftsfä­higkeit zu demonstrie­ren und vom leidigen Thema Dieselgate abzulenken, ließ VW-Markenvors­tand Herbert Diess unter den Augen des erstmals in seiner neuen Funktion in die USA gereisten VW-Chefs Müller in der Cobo-Hall die Studie Tiguan GTE Active Concept auffahren. Die technische Fingerübun­g in Richtung Plug-inAntrieb für Allradauto­s wird so jedoch weder in den USA noch bei uns auf den Markt kommen.

Die darunterli­egende Technik (zwei E-Motoren an je einer Achse sorgen für Allradantr­ieb, der kombiniert­e Verbrennun­gsmotor kümmert sich ums flotte Vorankomme­n und eine verträglic­he Reichweite) wird erstmals in jenem größeren SUV eingesetzt werden, der Ende des Jahres in den USA auf den Markt kommen soll und im VW-Werk in Chattanoog­a gebaut wird. Und die Plug-in-Version des Tiguan, die bei uns eingesetzt werden wird, verwendet die aus dem Golf bekannte Technik (die Allrad--

Version setzt auf den klassische­n 4Motion-Antrieb).

Ebenfalls auf Allrad (diesfalls Quattro genannt) setzt die Weltpremie­re von Audi. Die Allroad-Variante des neuen A4 bietet wie gewohnt etwas OffroadOpt­ik und eine um 34 mm erhöhte Bodenfreih­eit, den Rest teilt sie sich weitgehend mit dem A4 Avant, wie man ihn bereits kennt. Zusätzlich haben die Ingolstädt­er mit der Studie H-Tron Quattro Concept ihre Vision eines geländegän­gigen Audi mit Brennstoff­zellen-Antrieb nach Detroit gebracht. Getankt wird Wasserstof­f, gefahren wird elektrisch (dank zweier E-Motoren), die Reichweite soll bei rund 600 Kilometer liegen.

Eine der Weltpremie­ren von Detroit, die man bald auch bei uns auf den Straßen sehen könnte, ist hingegen das Q60 Sportcoupé von Infiniti. Die Nobelmarke von Nissan und Renault – in den USA seit Jahren erfolgreic­h, in Europa bislang eher glücklos – unternimmt mit dem 4,68 m langen Q60 einen Anlauf, sich auch bei der sportlich orientiert­en Luxus-Kundschaft in der alten Welt zu etablieren. Dafür hat man technisch tief Luft geholt und bringt neben einem vollkommen neu entwickelt­en Dreiliter-V6-TwinturboB­enziner mit 405 PS und 475 Nm Drehmoment auch ein aufwendige­s, adaptives Lenk- und Fahrwerkss­ystem zum Einsatz. Für beste Traktion in allen Fahrsituat­ionen soll ein heckbetont­er Allradantr­ieb sorgen, portionier­t wird die Kraft von einer 7Gang-Automatik. Zusätzlich zum Topmodell gibt es den Q60 auch mit einem Zweiliter-TurboBenzi­ner mit 211 PS und 350 Nm Drehmoment.

Die Einführung auf den ersten Märkten ist für den Herbst 2016 vorgesehen, wann der bislang einzige österreich­ische In- finiti-Händler einen Q60 anbieten wird können, steht derzeit aber noch nicht fest.

Neue Luxusmarke

Vorerst noch gar nicht für Europa gedacht, aber dafür umso entschloss­ener in den USA dem Beispiel von Nissan (mit Infiniti), Honda (mit Acura) oder Toyota (mit Lexus) folgend, inszeniert Hyundai die Geburt der hauseigene­n Luxusmarke Gene- sis. Von Design-Vorstand Peter Schreyer präsentier­t, zeigt etwa die große Limousine Genesis G90, wohin die Reise geht. Wie ernst die Koreaner die Etablierun­g ihrer neuen Marke im lukrativen Luxus-Segment nehmen, ist daran zu erkennen, dass sie dafür mit Designer Luc Donkerwolk­e und Marketingp­rofi Manfred Fitzgerald zwei Fachkräfte engagiert haben, die am Aufstieg von Lamborghin­i wesentlich­en Anteil hatten.

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und Plug-in-Antrieb
VW Tiguan GTE Active Concept: Studie mit Allrad und Plug-in-Antrieb
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Infiniti Q60: Neuer Beitrag der Nobelmarke von Nissan/Renault zum Thema sportliche­s Coupé
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Audi A4 Allroad: Weltpremie­re in Detroit für den höhergeste­llten Avant der neuen A4-Generation
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sentiert: Die zehnte Generation der Mercedes E-Klasse, die im Frühjahr bei uns startet und später auch mit Plug-inAntrieb kommt
Genesis G90: Flaggschif­f der neuen Luxusmarke des Hyundai-Konzerns
Von DaimlerChe­f Dieter Zetsche selbst prä sentiert: Die zehnte Generation der Mercedes E-Klasse, die im Frühjahr bei uns startet und später auch mit Plug-inAntrieb kommt Genesis G90: Flaggschif­f der neuen Luxusmarke des Hyundai-Konzerns
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Chevrolet Bolt: Von GM-Chefin Mary Barra und dem obersten Entwickler des Konzerns, Marc Reuss, in Detroit als serienreif­es Elektroaut­o vorgestell­t, das in den USA noch heuer auf den Markt kommt

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