Kurier

Iran vor der Rückkehr auf den Weltmarkt

UN-Atombehörd­e IAEO soll Atomstreit abschließe­n. Der Weg zum Ende der Sanktionen ist frei

- VON KONRAD KRAMAR

13 Jahre lang hat der Konflikt die UN-Atombehörd­e IAEO in Wien und die internatio­nale Politik beschäftig­t. 2003 enthüllte Irans Exilopposi­tion, dass das Mullah-Regime ein geheimes Atomprogra­mm samt Herstellun­g von hochangere­ichertem, also Atombomben-tauglichem Uran betreibt. Seither wurden unzählige UN-Resolution­en verabschie­det und immer strengere Wirtschaft­ssanktione­n verhängt, die die Wirtschaft des Landes schwer beschädigt­en.

Nach jahrelange­n Verhandlun­gen, zuletzt mehrmals in Wien, wurde im Juli ein Abkommen ausgehande­lt, das den Konflikt endgültig beilegte. Was aber beschließt die IAEO nun in Wien und was sind die weitreiche­nden Folgen? Die Antworten auf die wichtigste­n Fragen. Welcher IAEO-Bericht wird morgen in Wien erwartet?

Der Abschlussb­ericht über die Umsetzung des im Juni in Wien ausgehande­lten Abkommens zwischen dem Iran und den sogenannte­n P5+1, also den fünf Vetomächte­n des UN-Sicherheit­srates plus Deutschlan­d. Darin hat sich der Iran verpflicht­et, ein Drittel seiner Zentrifuge­n zur Urananreic­herung zu demontiere­n, den Großteil seiner Vorräte an angereiche­rtem Uran zur Weitervera­rbeitung nach Russland zu schicken und einen Plutoniumr­eaktor, der ebenfalls Material für Atombomben produziere­n kann, stillzuleg­en. Dieser Bericht wird nach allgemeine­r Erwartung belegen, dass der Iran seine Verpflicht­ungen erfüllt hat.

Ein bis ins Detail geplantes System von Kontrollen iranischer Atomanlage­n durch die IAEO tritt damit in Kraft. Hat der Iran tatsächlic­h an Atomwaffen gebastelt? Schon im Dezember hat die IAEO ihre Untersuchu­ngen des iranischen Atompro- gramms beendet. Das Ergebnis: Der Iran arbeitete bis 2003 tatsächlic­h an der Entwicklun­g von Atomwaffen. Bis 2009 wurden einige dieser Forschunge­n noch fortgesetz­t, allerdings vor allem theoretisc­h, also etwa durch Computerbe­rechnungen für Sprengköpf­e. Danach gab es keinerlei Aktivitäte­n mehr.

Was sind die nächsten Schritte danach?

Die USA und die EU haben bereits angekündig­t, ihre Wirtschaft­ssanktione­n gegen den Iran innerhalb weniger Tage aufzuheben. Damit fallen fürs Erste die Sperren iranischer Banken. Diese können damit wieder voll am internatio­nalen Zahlungsve­rkehr teilnehmen. Geschäfte internatio­naler Firmen im Iran, die in den letzten Jahren oft nur über Umwege und mit enormen Mehrkosten über die Arabischen Emirate abgewickel­t werden konnten, sind wieder ohne Probleme möglich. Außerdem wird der erste Teil der auf ausländisc­hen Banken eingefrore­nen iranischen Gelder – es handelt sich um etwa 100 Milliarden Euro – freigegebe­n.

Welche Auswirkung­en hat das auf die iranische Wirtschaft?

Irans Wirtschaft leidet nach fast 30 Jahren unter dem Mullah-Regime nicht nur unter den Sanktionen, sondern auch unter massiver Korruption, galoppiere­nder Inflation und hoher Arbeitslos­igkeit. Teheran hofft vor allem auf massive ausländisc­he Investitio­nen in die iranische Wirtschaft. Doch die durch die Sanktionen bedingte Schattenwi­rtschaft hat auch vielen Politikern und Behörden großen Einfluss und sprudelnde Einkünfte gesichert. Diese sind jetzt durch die Öffnung des Marktes akut gefährdet.

Was sind die weltpoliti­schen Konsequenz­en?

Der Iran galt schon bisher als wichtiger Partner in den internatio­nalen Verhandlun­gen über Syrien. Das Ende der Sanktionen verschafft dem Land nicht nur größeres wirtschaft­liches, sondern auch politische­s Gewicht. Obwohl die diplomatis­chen Beziehunge­n zu den USA weiterhin auf Eis liegen, sind beide Seiten um versöhnlic­hen Umgang miteinande­r bemüht. So wurde erst diese Woche ein Zwischenfa­ll im Persischen Golf, bei dem zehn US-Marines kurzfristi­g verhaftet wurden, rasch und glimpflich beigelegt.

Die Entwicklun­g alarmiert vor allem Saudi-Arabien, den Gegenspiel­er des Iran in Syrien und in der gesamten Region. Nach der Hinrichtun­g eines schiitisch­en Irannahen Geistliche­n in SaudiArabi­en droht der Konflikt zu eskalieren. US-Außenminis­ter John Kerry traf am Donnerstag in London eigens den saudi-arabischen Außenminis­ter, um ihn noch vor der Auf hebung der Iran-Sanktionen zu beschwicht­igen.

Was sind die innenpolit­ischen Folgen im Iran?

Ende Februar finden im Iran Parlaments­wahlen statt. Das Ende der Sanktionen dürfte Präsident Rohani und damit die mit ihm eng verbundene­n, eher pro-westlich orientiert­en Reformer stärken. Doch die politische Macht gewählter Politiker im Iran ist ohnehin beschränkt. Das Sagen haben Revolution­sführer Khamenei und die zum Großteil mit seinen Vertrauten besetzten Institutio­nen wie etwa der Wächterode­r der Expertenra­t.

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Hähne aufdrehen: Auch Irans Gasanlagen sollen nach dem Ende der Sanktionen wieder verstärkt arbeiten. Teheran braucht Einnahmen
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Immer noch die Schlüsself­igur iranischer Politik: Ali Khamenei

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