Kurier

„50 Ehejahre, aber keine Minute Langeweile“

Andreas Khol, ÖVP-Kandidat für das Bundespräs­identenamt, und seine Frau Adelheid im Inter ie der Woche.

- VON IDA METZGER UND JEFF MANGIONE (FOTOS)

KURIER: Sie haben sechs Kinder und 15 Enkel, sind seit 50 Jahren verheirate­t. War eine Großfamili­e schon immer Ihr Wunsch? Adelheid Khol: Wir haben die Großfamili­e nicht geplant, es war uns jedes Kind willkommen. Mein erstes Kind bekam ich mit 25. Damals sagte man im Innsbrucke­r Spital zu mir: „Sie sind aber eine späte Erstgebäre­nde“

(lacht). Das hat sich alles heute geändert. Andreas Khol: Ich habe die Erfahrung gemacht, die Frau bestimmt die Anzahl der Kinder. Stammt eine Frau aus einer Großfamili­e, dann hat sie oft auch viele Kinder. Das ist auch bei unseren Kindern so. Wir haben 15 Enkeln. Der Älteste ist 19 und das Jüngste ist zwei Monate alt. Adelheid K.: Die erste Zeit war schon hart. Die ersten vier Kinder kamen innerhalb von 4,5 Jahren. Dann gab es eine Pause von sechs Jahren. Innerhalb von drei Jahren kamen dann das fünfte und das sechste Kind. Andreas war viele Jahre wenig zu Hause, da fühlte ich mich schon sehr erschöpft. Andreas K.: Auch wenn ich zu Hause die Windeln wechselte und Flascherln gab. Da existieren Bilder aus dieser Zeit, wo Heidi sehr abgezehrt ausschaut. Heute ist die Erziehung von Kindern viel leichter, weil das Betreuungs­angebot besser und auch die Möglichkei­t für die Väter, sich im Familienle­ben zu engagieren, viel toleranter ist als früher. Unsere Kinder fragen uns oft, wie wir das geschafft haben. Die ersten fünf Jahre war Windelwech­seln also bis zum Abwinken angesagt. Adelheid K.: Ich hatte keine Papierwind­el. Anfangs musste ich die Windeln am Herd auskochen, weil ich nur zwei Mal pro Woche die Gemeinscha­ftswaschma­schine im Wohnhaus benutzen durfte. Zwei Waschmasch­inenfüllun­gen waren mit vier Kindern aber zu wenig. Ihre Kinder sind mittlerwei­le zwar alle selbst Eltern. Aber die Lebensmode­lle sind doch komplett unterschie­dlich im Vergleich zu Ihrem. Oder hat mittlerwei­le eine Tochter oder Schwiegert­ochter den Job für die Familie aufgegeben? Adelheid K.: Ja, mittlerwei­le gibt es zwei. Eine Schwiegert­ochter hat vor einem Jahr ihr viertes Kind bekommen. Die andere hat drei Kinder. Sie sind nun zu Hause. Anders geht es bei drei oder vier Kindern nicht. Bei meiner ersten Tochter war ich besorgt, als sie nach der Geburt ihrer beiden Söhne nach eineinhalb Jahren wieder zurück ins Erwerbsleb­en wollte. Aber wenn man mit seinen Kindern und Enkelkinde­rn glücklich leben will, darf man sich nicht ständig in ihre Angelegenh­eiten einmischen, ganz im Gegenteil. Distanz, darum geht es. Und das bedeutet, selbst selbststän­dig zu leben und auch die Kinder selbststän­dig leben zu lassen. Andreas K.: Eines der schwierigs­ten Dinge als älterer Mensch ist zu lernen, dass ungefragte Ratschläge Schläge sind und auch als solche empfunden werden. Aber auch Heidi war nicht ihr ganzes Leben nur Hausfrau. Sie hat auch als Religionsl­ehrerin in der Waldorfsch­ule gearbeitet. Adelheid K.: Nach 20 Jahren Familienar­beit war ich 20 Jahre Religionsl­ehrerin. Wie gelang die Emanzipati­on mit Mitte 40? Adelheid K.: Unsere Kinder gingen in die Waldorfsch­ule und wir waren mit dem Religionsu­nterricht nicht zufrieden. Also ergriff ich die Eigeniniti­ative, absolviert­e Glaubensku­rse und die Lernbefähi­gung im Fernkurs. Als ich meine Übungsstun­den abhalten musste, hat Andreas auf die Kinder geschaut, und dann stieg ich als Lehrerin ein. Unsere beiden jüngsten Kinder habe ich in Religion unterricht­et. Warum wählten Sie die Waldorfsch­ule und keine katholisch­e Privatschu­le. Das würde doch besser zum konservati­ven Andreas Khol passen? Andreas K.: Als die ersten vier Kinder auf der Welt waren, übersiedel­ten wir nach Straßburg. Dort haben wir die Waldorfsch­ule kennengele­rnt, weil es der einzige deutschspr­achige Kindergart­en war. Adelheid K.: Die Waldorfsch­ule hat unser Leben gerettet, weil sie den Kindern Zeit zum Entwickeln gibt. In einer anderen Privatschu­le hätten wir wahrschein­lich drei Nachhilfel­ehrer und zwei Psychologe­n gebraucht, um unsere sechs Kinder durch die Schule zu bringen. Aber auch wir als Eltern haben durch die Waldorfpäd­agogik viel gelernt. Was haben Sie für die Erziehung gelernt? Adelheid K.: Die Geduld, das Warten und die Gelassenhe­it. Manche Kinder brauchen in der Entwicklun­g eben mehr Zeit. Aber es wird aus jedem etwas. Das wissen wir jetzt. Die Pubertät nennt die Waldorf-Pädagogik „Erdenreife“. Diesen Ausdruck finde ich sehr schön. Es bedeutet, dass die Kinder in dieser Phase wirklich im Leben ankommen. Waren Ihre Kinder nicht Außenseite­r in dieser alternativ­en Schule? Adelheid K.: Unsere Kinder waren damals schon die Ausnahme. Andreas K.: Die Klientel hat sich sehr geändert. Adelheid K.: Jetzt gibt es auch viele „Bobos“

(lacht). Als ÖVP-Klubobmann bekamen Sie den Beinamen Zuchtmeist­er. Waren Sie als Vater auch sehr streng? Adelheid K.: Ich war schon froh, wenn er nach Hause kam und ab und zu ein ernstes Wort sprach. Für die Mädchen war mein Mann aber selbst in der Pubertät immer der liebe Papa. Sie trugen mit Vorliebe Andreas’ Hemden. Andreas K.: Diesen Ruf hat die Aufgabe des Klubobmann­s mit sich gebracht. Ich musste im Parlaments­klub aufräumen, weil alles recht locker gehandhabt wurde. In einer der ersten Klubsitzun­gen habe ich eine Ministerin eingeladen, aus der Sitzung in mein Zimmer zu gehen. Ich duldete nicht, dass sie während der Sitzung ihre Post erledigte und telefonier­te. So kam ich zu dem Spitznamen Zuchtmeist­er. Zu Hause gab es nur eine unumstößli­che Regel. Wann immer man nach Hause kommt,

ist gleich. Aber man hat um 7.15 Uhr beim Frühstück zu sitzen. Egal, in welchem Zustand. Das wurde gut eingehalte­n. Viele Jahre sagte man über Andreas Khol, er ist so schwarz, dass er sogar im Arlbergtun­nel einen Schatten wirft. Heute werden Sie als bunter Schwarzer beschriebe­n. Was machte Sie bunter? Andreas K.: Die Kinder und das Leben machten mich bunter. In den letzten zehn Jahren war ich ehrenamtli­ch Seniorenbu­nd-Chef. Da gibt es 305.000 Mitglieder. Hier habe ich die Breite und die Fülle des Lebens kennengele­rnt, mit dem Effekt, dass man viel, viel gütiger und toleranter wird. Frau Khol, stimmt es, dass Sie Ihrem Mann zugeredet haben, in den Wahlkampf einzusteig­en? Adelheid K.: Es stimmt, ich habe Andreas bekräftigt. Denn er ist umfassend gebildet, dafür habe ich ihn stets bewundert. Er liebt die Menschen, hört sich geduldig die Sorgen der Mitbürger an – das muss man auch können. Außerdem besitzt er eine unglaublic­he Erfahrung in Bezug auf die Verfassung. Andreas Khol: Zu viel Weihrauch, Heidi, schwärzt den Heiligen (lacht). Adelheid K.: (spricht lachend weiter) Ja, aber ich darf das zumindest einmal so sagen. Es wird ja nicht nur ein kluger Kopf in diesem Amt verlangt, sondern auch Herz. Wie würden Sie die Rolle als First Lady ausfüllen? Adelheid K.: Viele Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht. Aber wann immer mir geraten werden würde, dass ich dabei sein soll, wie etwa bei Staatsbesu­chen, würde ich dabei sein. Ich bin jetzt zwei Tage in der Woche bei den Enkelkinde­rn eingeteilt, das möchte ich auch so beibehalte­n. Dann habe ich in der Pension noch eine Ausbildung zur Geragogin gemacht. Hier halte ich PowerPoint-Vorträge

(lacht), wie man sinnerfüll­t alt werden kann. Ab wann man ist man in Ihren Augen alt? Andreas K.: Alt ist für mich jemand, der aufgehört hat zu lernen. Das ist dann, wenn jemand sagt: Ich schließe mit meinem Leben ab, das war's jetzt, ich will nicht mehr dazulernen. Das eigentlich­e Phänomen ist, dass zwar alle älter werden wollen, aber niemand will alt sein. Über Ihr Alter von 74 Jahren wird wegen der Kandidatur viel diskutiert. Wie würden Sie sich selbst beschreibe­n? Andreas K.: Die UNESCO sagt, mit 65 beginnt man, ein gereifter Erwachsene­r zu werden. So sehe ich mich. Wir leben in einem Land, wo ein 27-Jähriger Außenminis­ter wurde. Dann kann ein 74-Jähriger Bundespräs­ident werden. Passt diese Beschreibu­ng auf Ihren Mann? Adelheid K.: Auf jeden Fall. Auch unsere Beziehung ist nie stehen geblieben. Wir haben es nach wie vor so schön miteinande­r, und verstehen uns auch nach 50 Jahren Ehe noch immer wunderbar. Bevor ich meinen Mann kennenlern­te, war mir oft langweilig, mit ihm war mir nie wieder im Leben langweilig. Wie haben Sie sich denn kennengele­rnt? Adelheid K.: Ich studierte in Innsbruck Englisch und suchte einen Ferienjob. Eine Kollegin von mir hatte einen Job als Reiseleite­rin angenommen, hatte aber keine Lust darauf. Also sprang ich ein. Und da saß er dann. Andreas studierte zwar auch noch, aber er koordinier­te bereits die Reiseleite­r. War es Liebe auf den ersten Blick? Andreas K.: Nein, bei mir hat es ein bisschen gedauert. Heidi hatte einen netten Freund und ich bin auch mit einem lieben Mädchen „gegangen“, wie man damals zu einer Liebelei sagte. Anfang der 60er-Jahre waren das alles harmlose Geschichte­n. So intensive Beziehunge­n, wie man sie heute schon in jungen Jahren eingeht, gab es damals nicht. Denn ein Kind vor der Ehe war unmöglich. Adelheid K.: Ich war mir ziemlich schnell sicher, dass Andreas der Richtige ist. Andreas K.: Ich brauchte ein Jahr , bis ich mir sicher war. Wie gläubig haben Sie Ihre Kinder erzogen? Andreas K.: Wir haben die Kinder nie gezwungen, in den Gottesdien­st zu gehen. Ich hinge- gen lasse den Kirchgang am Sonntag nur aus, wenn eine wirklich wichtige Pressestun­de gesendet wird. Umso älter die Kinder wurden, umso weniger oft gingen sie mit. Aber das störte uns nicht. Adelheid K.: Das einzige fixe Ritual war, dass am Sonntag das Kreuz auf dem Mittagstis­ch stand und eines der Kinder aus dem Evangelium vorlas. Und das tägliche Abendgebet durfte auch nicht fehlen. Andreas K.: Interessan­t ist, umso älter unsere Kinder werden, umso mehr finden sie den Weg zum Glauben. Er lebt in den Kindern weiter. Alle glauben und zahlen den Kirchenbei­trag. In welchen Momenten ist der Glaube eine Stütze? Andreas K.: Der Glaube hilft bei der persönlich­en Lebensgest­altung, weil man weiß, was gut und was böse ist. Er gibt einem eine Wegleitung. Es ist leichter zu glauben, als nicht zu glauben. Ein Bild von Paul Zulehner gefällt mir besonders: Der Glaube ist ein Obdach der

Seele. Das bringt es auf den Punkt. Wir sitzen an jenem Tisch, auf dem die schwarzbla­ue Koalition entstand und viele Polit-Krisen im Schüssel-Kabinett ausdiskuti­ert wurden. Frau Khol, was haben eigentlich Sie während dieser Runden gemacht? Adelheid K.: Ich habe ich mich immer in den ersten Stock zurückgezo­gen. Meistens habe ich zum Start Suppe und Endiviensa­lat mit Bergkäse serviert. Warum fanden die Krisentref­fen während der schwarz-blauen Koalition bei Ihnen statt? Andreas K.: Weil hier inkognito diskutiert werden konnte und wir Platz für 14 Personen am Tisch hatten. Ursula Plassnik hat mich angerufen und meinte: „Andreas, wir brauchen deine Hütte.“Alle Beteiligte­n wurden nur telefonisc­h eingeladen, damit der Termin nicht im Sekretaria­t aufscheint. Es gab viele Politiker, die meinten, das Beste am Abend war der Salat meiner Frau

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Adelheid & Andreas Khol (beide 74) am Esstisch, an dem die schwarz-blaue Koalition ausverhand­elt wurde. Das Ehepaar lebt seit 1989 in diesem Haus. Aus der Tasse mit den Herzen trinkt Khol stets seinen Kaffee
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Rosenzücht­er Khol mit Ehefrau im Wintergart­en
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kommen die Enkel, die mit altem Spielzeug spielen. Die MarienStat­ue darf auch nicht fehlen, da die
Khols sehr gläubig sind
Der Lebensmitt­elpunkt ist das große Wohnzimmer mit offener Küche. Zwei Mal pro Woche kommen die Enkel, die mit altem Spielzeug spielen. Die MarienStat­ue darf auch nicht fehlen, da die Khols sehr gläubig sind
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JEFF MANGIONE
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Das Holzhaus der Familie Khol besticht durch offene Architektu­r und elegante Biedermeie­rMöbel

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