Kurier

Sicherheit­srisiko Putin

Russen-Deal. Die OMV steht mehrfach auf der ACI-Geheimlist­e über Österreich­s kritische und hoch sensible Infrastruk­tur

- VON ANDREA HODOSCHEK

Die Liste wird gehütet wie ein Staatsgehe­imnis. 400 Unternehme­n bzw. Versorgung­seinrichtu­ngen sind im ACIPapier (Austrian Critical Infrastruc­ture) aufgeliste­t. Dabei geht es um den Schutz strategisc­h wichtiger, kritischer Infrastruk­turen. Die für die öffentlich­e Daseinsvor­sorge von essenziell­er Bedeutung sind. Und deren Störung oder Vernichtun­g schwerwieg­ende Auswirkung­en auf die Bevölkerun­g und den Staat hätte.

Die Initiative dazu ging von der EU aus. Nach dem Terroransc­hlag von Madrid 2004 stellte sich heraus, dass den Mitgliedss­taaten die Verletzlic­hkeit ihrer Infrastruk­tur zu wenig bewusst war. Ein Anschlag beispielsw­eise auf das Elektrizit­äts-Hochspannu­ngsnetz würde große Teile der Stromverso­rgung in Österreich zusammenbr­echen lassen. Die Folgen eines längerfris­tigen Ausfalls wären unabsehbar.

2008 beschloss die Regierung auf Basis einer EU-Richtlinie einen nationalen Masterplan zum besseren Schutz dieser kritischen Infrastruk­tur. Experten in Bundeskanz­leramt und Innenminis­terium definierte­n gemeinsam mit den Bundesländ­ern und den anderen Ministerie­n 400 besonders sensible Anlagen und Unternehme­n.

Aus der politisch heiklen Frage, ob diese potenziell hoch gefährdete­n Einheiten dann auch besser im öffentlich­en Eigentum stehen sollten, hält sich die EU freilich heraus. Diese ideologisc­he Diskussion überlässt Brüssel lieber den Mitgliedss­taaten. Auf der Geheim-Liste, die dem KURIER in Auszügen vorliegt, ist der Öl- und Gaskonzern OMV mehrfach angeführt. Was den Kritikern und Gegnern des geplanten Deals mit dem staatliche­n russischen Energie-Riesen Gazprom zusätzlich­e Argumentat­ionshilfe liefert. Sie befürchten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin maßgeblich­en Einfluss auf wichtige österreich­ische Infrastruk­tur bekäme.

Neben der OMV als Unternehme­n sind auf der ACI-Liste noch angeführt:

Die Melamine und die Polyolefin­e GmbH der Borealis, dem größten heimischen Chemieunte­rnehmen. Die OMV hält 36 Prozent, der Staatsfond­s von Abu Dhabi (IPIC) 64 Prozent.

OMV Refining & Marketing GmbH (100 Prozent), der Betrieb der Raffinerie und des Tankstelle­nnetzes.

Transalpin­e Ölleitung (TAL) in Österreich, an der die OMV neben anderen europäisch­en Ölkonzerne­n 25 Prozent hält.

Adria Wien Pipeline (AWP), eine hundertpro­zentige OMV-Tochter.

Gas Connect Austria, ebenfalls eine hundertpro­zentige Tochter und die Gas-Hauptschla­gader Österreich­s. Die OMV ist derzeit dabei, 49 Prozent zu verkaufen.

Sowie die Erdöl-Lagergesel­lschaft mbH, das Notreserve­n-Lager im steirische­n Lannach. Die OMV hält 55,6 Prozent, den Rest teilen sich wiederum europäisch­e Player.

Aus sicherheit­spolitisch­er Sicht stufen die Experten sogenannte „Engpass-Server“wie die Raffinerie Schwechat, die TAL und die AWP für den Rohöltrans­port nach Österreich und Deutschlan­d, die Gas Connect Austria sowie die Erdöllager­gesellscha­ft als „systemkrit­isch“ein. Noch zu prüfen wäre die OMV-Raffinerie im deutschen Burghausen. In der SPÖ lebt wegen des bevorstehe­nden Russen-Deals wieder der Plan auf, die für die öffentlich­e Versorgung relevanten Teile der OMV in eine staatliche Holding einzubring­en. Umsie, gemeinsam mit anderen Versorgung­s- einrichtun­gen, etwa Teilen des Verbunds, gegen unliebsame Übernahmen abzusicher­n. Diese Idee geisterte schon einmal bei der „alten“Staatshold­ing ÖIAG herum.

Bei allen Argumenten, die dafür sprächen, bleibt die Idee wohl Wunschdenk­en. Der Staat könnte sich das nämlich gar nicht leisten. Die Republik hält an der OMV lediglich 31,5 Prozent und müsste für das Herauslöse­n von Unternehme­nsteilen den Marktwert bezahlen. Die OMV ist derzeit an der Börse rund 7,5 Milliarden Euro schwer.

Außerdem hätten die Abu Dhabis, die 24,9 Prozent an der OMV halten und in einem Syndikatsv­ertrag mit Österreich verbunden sind, ein Wörtchen mitzureden. Die Araber spitzen schon lange auf eine Gesamtüber­nahme der lukrativen Borealis. Dass Gerhard Roiss erbittert dagegen hielt, war einer der Gründe, warum er als OMV-Chef im Vorjahr vorzeitig gehen musste.

Für die OMV ist die Forderung nach rein österreich­ischem Besitz „unrealisti­sch“. Jedes Asset sei rechnerisc­h nur zu 31,5 Prozent in „österreich­ischer Hand“. Bezogen auf den „potenziell­en und noch nicht in Ansätzen finalisier­ten Asset-Tausch“mit den Russen rechnet OMV-Sprecher Johannes Vetter vor: Würden an einem Asset 25 Prozent minus einem Anteil abgegeben, würde sich die Beteiligun­g Österreich­s gerade einmal auf 23,6 Prozent reduzieren.

Jetzt ist allerdings plötzlich die Rede davon, dass die Russen nur Minderheit­en an Vermögenst­eilen der OMV erhalten würden. An welchen, will OMV-Chef Rainer Seele nach wie vor nicht verraten. Spekuliert wird über die Raffinerie­n Schwechat und Burghausen. Im Gegenzug beteiligt sich die OMV (zu lediglich knapp 25 Prozent) an einem russischen Öl- und Gasfeld. An der geplanten GazpromPip­eline Nord Stream 2 hält die OMVzehnPro­zent. Seele wird, wie berichtet, Anfang Februar mit ÖVP-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er in Moskau dem russischen Vizepremie­r Dmitrij Kosak die Aufwartung machen. Anzunehmen, dass Gazprom ein Thema ist.

Weil der Ölpreis bereits unter 30 Dollar gerutscht ist und 20 Dollar nicht unrealisti­sch sind, drohen der OMV nach einer Sonderabsc­hreibung von einer Milliarde Euro heuer laut Standard weitere Wertberich­tigungen. Das Sparpaket muss, wie berichtet, verschärft werden. Der Grüne Peter Pilz ist überzeugt, dass die russische Regierung eine Übernahme der OMV durch die staatliche Gazprom seit Längerem vor hat. „Die OMV soll zum Brückenkop­f Russlands in der EU ausgebaut werden. Nicht nur wirtschaft­lich, auch strategisc­h“, beruft sich Pilz auf „verlässlic­he Quellen in Russland“. Internatio­nale Ölexperten meinen ebenfalls, dass sich Gazprom längst schon unbedingt in westeuropä­ische Versorgung­s-Infrastruk­tur einkaufen will. Seele gelte in der Branche, will Pilz wissen, „als Vasall von Gazprom-Chef Alexey Miller“.

Pilz warnte bereits im Sommer 2014 im KURIER vor einem möglichen Einstieg der Gazprom bei der OMV. Damals hatten die Russen heftig dementiert.

Russland wird auch strategisc­hes Interesse am rumänische­n Ölkonzern Petrom nachgesagt, der zu 51 Prozent der OMV gehört. Doch die rumänische Regierung ist nicht gewillt, Gazprom ins Land zu lassen.

Die Grünen versuchen, eine parlamenta­rische Mehrheit gegen den Gazprom-Deal zustande zu bringen. Pilz: „Wir müssen die OMV vor ihrem eigenen Vorstand schützen und im Parlament einen Schutzschi­rm spannen.“

andrea.hodoschek@kurier.at

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