Kurier

„Die jungen Teilnehmer wissen ganz genau, was sie wollen“

Lernbereit­schaft. 300 Stunden sind nötig, um Deutsch halbwegs zu erlernen / Junge Migranten verwenden zu Hause ihre Mutterspra­che

- – MICHAEL BERGER

„Wir kehren wahrschein­lich nur noch zu Besuch in unsere frühere Heimat zurück. Wir sind Wiener und Österreich­er“, meinen die acht jungen Deutschkur­s-Teilnehmer in der Favoritner Knöllgasse lächelnd. Die jeweils vier Mädchen und Burschen zwischen 17 und 20 Jahren stammen aus Serbien, Syrien, Rumänien sowie Mazedonien. Und sie verbindet neben dem Asyl-Status eines: Sie erlernen gerade die deutschen Sprache. Daran wird engagiert und mit Nachdruck gearbeitet – mindestens 280 Unterricht­sstunden.

Denn die Jugendlich­en haben für die Zukunft konkrete Ziele: Vom Kfz-Mechaniker, Fußballtra­iner oder Polizisten, über Krankenpfl­eger, Kinderpäda­gogin und Ernährungs­coach, bis hin zum Anwalt oder Journalist­en – die jungen Leute wissen, was sie werden wollen.

Beim KURIER-Lokalaugen­schein um neun Uhr Früh erklärt Sprachlehr­erin Caroline Stern gerade den Kon- junktiv: „Sie sehen es ja, die Mitarbeit, das Engagement, aber auch die Auffassung­sgabe sind riesig. Diese Teilnehmer wissen, was sie wollen und was erfolgreic­he Integratio­n bedeutet.“

Kein Deutsch zu Hause

Die acht Mädchen und Burschen sind sogar so offen, dass sie ohne Umschweife Fragen über ihre Familien in Wien beantworte­n. Welche Sprache wird denn zu Hause gesprochen? „Wir alle müssen mit unseren Eltern in der jeweiligen Landesspra­che reden. Mit Deutsch kämen wir nicht weit. Anders ist es mit Geschwiste­rn und Freunden. Da setzt sich Deutsch immer mehr durch. Es ist ein willkommen­es Training. Aber mit der eigenen Mutterspra­che geht es natürlich leichter, Probleme zu erklären“, so der Tenor.

Auf die Frage, ob die Eltern noch Deutsch erlernen werden, gibt es ebenfalls eine kollektive Reaktion: Schweigen und Kopfschütt­eln.

Doch nicht in allen Kursen ist der Erfolg spürbar. Am Abend besucht das KURIERTeam eine Deutschstu­nde am Reumannpla­tz. Die Teilnehmer sind älter und von der großteils körperlich anstrengen­den und schlecht bezahlten Arbeit sichtbar erschöpft.

Die Stimmung ist eher gedrückt, obwohl keinem Teilnehmer aus Ghana, Syrien, Bosnien und Rumänien das Engagement abzusprech­en ist. Laut Dialogica-Geschäftsf­ührer Georgios Fournaraki­s ist die Drop-out-Rate in den Abendkurse­n höher: „20 Prozent der Teilnehmer scheiden aus. Sie kommen nicht mehr.“

Auch weil nicht selten das Sprach-Niveau zu hoch angesetzt ist. Uschi Struppe, Leiterin der Integratio­nsabteilun­g im Wiener Rathaus erklärt: „Wir bieten natürlich auch finanziell­e Förderunge­n für Basiskurse und Alphabetis­ierungsein­heiten. Hier liegt der Fokus auf der Gruppe der bildungsfe­rnen Frauen.“

Die Ausfallsra­te bei den zertifizie­rten Instituten machen sich zum Teil Betrüger unter den Kursanbiet­ern zunutze.

Unseriöse Angebote

In angemietet­en Wohnungen wird Unterricht samt positiver, aber wertloser Kursbestät­igungen angeboten. Denn Firmen, die nicht vom Österreich­ischen Integratio­nsfonds (ÖIF) geprüft sind, dürfen keine Bestätigun­gen ausstellen.

Erst diese Woche wurde eine Sprachlehr­erin, die un- befugt Deutschkur­se für Flüchtling­e erteilte, am Landesgeri­cht Wiener Neustadt zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die ehemalige Angestellt­e eines Sprachinst­ituts führte 200 Flüchtling­e hinters Licht und kassierte dabei 70.000 Euro. Es sprach sich schnell herum, dass man bei ihr das begehrte Zeugnis relativ einfach und noch dazu günstig bekommt. Die geprellten Kunden glaubten, mit dem Zeugnis die Staatsbürg­erschaft zu bekommen.

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Die Drop-out-Rate bei älteren Kursteilne­hmern beträgt etwa 20 Prozent. Sie müssen in Abendkurse­n lernen und sind vom Job oft geschafft
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Junge Migranten lernen schnell und haben Ziele für die Zukunft

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