„Die jungen Teilnehmer wissen ganz genau, was sie wollen“
Lernbereitschaft. 300 Stunden sind nötig, um Deutsch halbwegs zu erlernen / Junge Migranten verwenden zu Hause ihre Muttersprache
„Wir kehren wahrscheinlich nur noch zu Besuch in unsere frühere Heimat zurück. Wir sind Wiener und Österreicher“, meinen die acht jungen Deutschkurs-Teilnehmer in der Favoritner Knöllgasse lächelnd. Die jeweils vier Mädchen und Burschen zwischen 17 und 20 Jahren stammen aus Serbien, Syrien, Rumänien sowie Mazedonien. Und sie verbindet neben dem Asyl-Status eines: Sie erlernen gerade die deutschen Sprache. Daran wird engagiert und mit Nachdruck gearbeitet – mindestens 280 Unterrichtsstunden.
Denn die Jugendlichen haben für die Zukunft konkrete Ziele: Vom Kfz-Mechaniker, Fußballtrainer oder Polizisten, über Krankenpfleger, Kinderpädagogin und Ernährungscoach, bis hin zum Anwalt oder Journalisten – die jungen Leute wissen, was sie werden wollen.
Beim KURIER-Lokalaugenschein um neun Uhr Früh erklärt Sprachlehrerin Caroline Stern gerade den Kon- junktiv: „Sie sehen es ja, die Mitarbeit, das Engagement, aber auch die Auffassungsgabe sind riesig. Diese Teilnehmer wissen, was sie wollen und was erfolgreiche Integration bedeutet.“
Kein Deutsch zu Hause
Die acht Mädchen und Burschen sind sogar so offen, dass sie ohne Umschweife Fragen über ihre Familien in Wien beantworten. Welche Sprache wird denn zu Hause gesprochen? „Wir alle müssen mit unseren Eltern in der jeweiligen Landessprache reden. Mit Deutsch kämen wir nicht weit. Anders ist es mit Geschwistern und Freunden. Da setzt sich Deutsch immer mehr durch. Es ist ein willkommenes Training. Aber mit der eigenen Muttersprache geht es natürlich leichter, Probleme zu erklären“, so der Tenor.
Auf die Frage, ob die Eltern noch Deutsch erlernen werden, gibt es ebenfalls eine kollektive Reaktion: Schweigen und Kopfschütteln.
Doch nicht in allen Kursen ist der Erfolg spürbar. Am Abend besucht das KURIERTeam eine Deutschstunde am Reumannplatz. Die Teilnehmer sind älter und von der großteils körperlich anstrengenden und schlecht bezahlten Arbeit sichtbar erschöpft.
Die Stimmung ist eher gedrückt, obwohl keinem Teilnehmer aus Ghana, Syrien, Bosnien und Rumänien das Engagement abzusprechen ist. Laut Dialogica-Geschäftsführer Georgios Fournarakis ist die Drop-out-Rate in den Abendkursen höher: „20 Prozent der Teilnehmer scheiden aus. Sie kommen nicht mehr.“
Auch weil nicht selten das Sprach-Niveau zu hoch angesetzt ist. Uschi Struppe, Leiterin der Integrationsabteilung im Wiener Rathaus erklärt: „Wir bieten natürlich auch finanzielle Förderungen für Basiskurse und Alphabetisierungseinheiten. Hier liegt der Fokus auf der Gruppe der bildungsfernen Frauen.“
Die Ausfallsrate bei den zertifizierten Instituten machen sich zum Teil Betrüger unter den Kursanbietern zunutze.
Unseriöse Angebote
In angemieteten Wohnungen wird Unterricht samt positiver, aber wertloser Kursbestätigungen angeboten. Denn Firmen, die nicht vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) geprüft sind, dürfen keine Bestätigungen ausstellen.
Erst diese Woche wurde eine Sprachlehrerin, die un- befugt Deutschkurse für Flüchtlinge erteilte, am Landesgericht Wiener Neustadt zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die ehemalige Angestellte eines Sprachinstituts führte 200 Flüchtlinge hinters Licht und kassierte dabei 70.000 Euro. Es sprach sich schnell herum, dass man bei ihr das begehrte Zeugnis relativ einfach und noch dazu günstig bekommt. Die geprellten Kunden glaubten, mit dem Zeugnis die Staatsbürgerschaft zu bekommen.