Ein Rundflug zwischen Lust & Frust
In & Out. Warum Martin Koch das Skifliegen liebt und Ernst Vettori nicht
Wenn Martin Koch und Ernst Vettori vom Skifliegen erzählen, dann könnte man meinen, die beiden reden von völlig unterschiedlichen Dingen. „Extrem lässig“, sei das Skifliegen, „ein richtiger Genuss, und das, wo ich meine Stärken ausspielen konnte“, sagt etwa Koch. „Grenzwertig, schwierig und überhaupt nichts für mich“, hält Vettori dagegen.
Zwei ehemalige Skispringer, zwei völlig konträre Erfahrungen. Martin Koch war von Anfang an einer, der auf die großen Schanzen flog („bei meinem ersten Versuch bin ich gleich 199,5 Meter weit gekommen“), Ernst Vettori machte hingegen freiwillig einen Abflug, wenn es zur Weitenjagd ging. „Natürlich war es immer mein Traum, möglichst weit zu springen. Aber ich habe dann gleich einmal gesehen, dass mir einfach die Fähigkeiten zum Fliegen fehlen“, erinnert sich der Nordische Direktor des ÖSV. „Irgendwann hab’ ich mir halt gesagt: ,Dann tust du halt nur mehr skispringen.‘ “
Rückzieher
Es war bei der Heim-WM1986 am Kulm, als Vettori seine Flieger-Karriere vorzeitig beendete. Nachdem vor ihm etliche Springer gestürzt waren und sich schwer verletzt hatten, machte der Tiroler zwischen erstem und zweitem Durchgang einen Rückzieher und traute sich nicht mehr über die riesige Schanze. „Wenn es einen so stresst wie mich und man Angst hat, dann muss man sich eingestehen, dass es so nichts bringt. Wie ich Trainer Ganzenhuber gesagt hab’, dass ich nicht mehr mag, war das ein Gefühl der Erleichterung.“
Emotionen im Extrembereich sind auch Martin Koch nicht ganz fremd. Er verspürte immer eine Leichtigkeit, wenn er kurz nach dem Absprung freie Sicht auf die 200-Meter-Marke hatte. „Im ersten Moment kommt dir alles wie in Zeitlupe vor“, erzählt er, „dann weißt du sofort, ob’s dahingeht.“
Rekordmann
Der ORF- Experte ist oft ganz weit unten gelandet, der 33Jährige hat in seiner Karriere so viele Flugmeilen gesammelt wie kein anderer österreichischer Skispringer: 137mal landete Koch jenseits der 200-Meter-Marke.
Warum er ausgerechnet auf den großen Schanzen so hoch im Kurs stand, wieso er vier seiner fünf Weltcupsiege beim Skifliegen feierte – das ist auch Martin Koch ein Rätsel. „Ich kann gar nicht sagen, was ich dort anders gemacht habe und warum ich so gut war. Ich weiß nur eines: Das Skifliegen ist eine Disziplin, die man nicht lernen kann. Mein Vorteil war, dass gleich meine ersten Flüge super waren und ich ein positives Gefühl hatte.“
Ernst Vettori hat immerhin eine Bestmarke von 168 Metern zu Buche stehen, und er hat seinerzeit mit seinem Rückzug auch viele Sympathien gewonnen. „Niemand hat gesagt, dass ich ein Angsthase wäre“, erzählt der Olympiasieger von 1992.
Zumal die Angst sogar bei einem Luftikus wie Martin Koch ein treuer Flugbegleiter ist. Auch der Kärntner wird nicht mehr ewig abheben: „Irgendwann wird das Skifliegen einfach zu gefährlich.“