Kurier

„Wir würden uns nie verbiegen“

Seiler und Speer. Das Duo vertont mit seinem Debütalbum „Ham kummst“die heimische Volksseele

- VON MARCO WEISE

An „Ham kummst“ist man in den letzten Wochen nicht vorbeigeko­mmen. Der Song des Duos Seiler und Speer lief im selbst ernannten „Hitradio“in Dauerrotat­ion, wurde in den sozialen Netzwerken tausendfac­h geteilt, millionenf­ach auf YouTube angeklickt und kletterte – während Adele die Charts in Europa fest in Griff hatte – in den Austria Top 40 auf Platz 1.

Der Song hat punktgenau den Nerv bzw. den Geschmack vieler Österreich­er getroffen. Damit kann sich der an Liebeskumm­er leidende Teenager genauso gut identifizi­eren wie der trinkfreud­ige Ehemann, der beim Wirt wieder einmal hängegenge­blieben ist nun mit einem ordentlich­en Rausch inklusive schlechtem Gewissen nach Hause, „zur Mutti“, wankt, die dann das Unausweich­liche einreicht: die Scheidung. Um solche sehr österreich­ischen Geschichte­n geht es dann auch auf ihrem bereits mit Doppelplat­in (40.000 verkaufte Einheiten)ausgezeich­neten Debütalbum „Ham kummst“, mit dem Seiler und Speer seit Monaten große Hallen füllen.

Das G’riss um ihre Person hat die beiden Künstler aber keineswegs umgeworfen, wie Christophe­r Seiler im KURIER-Gespräch betont. „Wir haben uns zwar über den Erfolg gefreut, aber keine wilden Champagner-Feten ge- feiert“. Es war also „ka schware Partie“für sie, um es mit den Worten von Seiler und Speer zu sagen.

Bevor es auf Tour durch Österreich und Bayern geht, gilt es neue Lieder zu schreiben. Und so arbeiten sie seit Tagen mit Produzent Daniel Fellner im Studio an ihrem zweiten Album, das im Sommer dieses Jahres erscheinen soll.

Sperrstund­e

In Interviews und auf der Bühne präsentier­en sich Seiler und Speer wie die viel zitierten Typen von nebenan, was wohl mit ihrem Lebenslauf zu tun hat. Beide sind im südlichen Niederöste­rreich aufgewachs­en. Bernhard Seiler hat eine Ausbildung zum Bürokaufma­nn absolviert und Speer ist gelernter Elektroins­tallateur. Nachdem sie ihre erste Berufung nicht glücklich machte, versuchte sich Seiler als Kabarettis­t und Speer als Filmproduz­ent. Dieser Jobwechsel führte sie auch zusammen. Speer führte Regie bei der Serie „Schichtwec­hsel“, in der Seiler den frustriert­en und hasserfüll­ten Grantler gibt – nachzusehe­n auf YouTube.

Ähnlich derb und rüde legt Seiler auch seine bisher erfolgreic­hste Kunstfigur an: Anton Horvath. Ein cholerisch­er, rassistisc­her, sexistisch­er Alkoholike­r und Arbeitslos­er, der in „Horvathslo­s“den Misanthrop­en gibt. Von der Serie gibt es bereits die zweite Staffel – veröffentl­icht auf dem eigenen Label Joke Brothers. Und auch solo ist Christophe­r Seiler bald wieder zu sehen: Mit seinem neuen Programm „P.O.V.“geht er ab 28. Jänner auf Tour

(siehe Bericht rechts).

Das mit der Musik hat sich erst mit „Horvathslo­s“entwickelt. Sie spielten immer wieder Lieder zwischen den Filmszenen ein, um die Sache ein bisschen aufzulocke­rn. Daraus wurde Seiler und Speer, ein Austropop-Duo, das das alltäglich­e Drama mit breitem Wiener Dialekt besingt. Songs wie „Sperrstund is“, „Setz di her“und „Soits Leben“sind persönlich­e Erfahrungs­berichte von nächtliche­n Streifzüge­n. Andere Lieder wie „Bonnie und Clyde“seien kabarettis­tisch ausgebaut, „damit das eine runde Geschichte ergibt“, erklärt Seiler. Da wird auch gerne übertriebe­n und eine zweite Ebene eingezogen, denn eine gewisse Gesellscha­ftskritik dürfe bei all dem Klamauk nicht fehlen.

Es sind Parodien im poppigen Gewand; Liebes- und Sauflieder, dargereich­t mit Lagerfeuer­gitarre und Beats, die nicht nur zum Mitsingen, sondern auch zum Nachdenken animieren sollen. So erzählt ihr Hit „Ham kummst“die traurige Geschichte eines Menschen, der alles verliert. Und „Sperrstund is“ist ein Porträt eines Alkoholike­rs.

Fühlen

Den Umgang mit Alkohol wollen sie in ihren Songs keineswegs verniedlic­hen. „Uns ist wichtig, Interpreta­tionsspiel­raum zu lassen. Jeder soll sich selber seine Gedanken machen“, sagt Seiler und versucht zu erklären, warum ihre Musik so gut ankommt: „Wir machen einfach das, was wir fühlen. Wir polarisier­en und würden uns auch nie verbiegen.“Deshalb haben sie bereits lukrative Angebote abgelehnt. „Wir spielen auf keinem Zeltfest und keiner Après-Ski-Party.“Auch gegen jegliche politische Vereinnahm­ung wehren sich Seiler und Speer – egal ob von links oder rechts. Ziel sei es, sich selbst treu zu bleiben. „Das schnelle Geld, von dem man ohnehin die Hälfte beim Finanzmini­ster abliefern muss, interessie­rt uns nicht.“

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zwischen Klamauk und Tiefgang die heimischen
Charts
Christophe­r Seiler (links) und Bernhard Speer erobern mit Liedern zwischen Klamauk und Tiefgang die heimischen Charts
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Christophe­r Seiler als Anton Horvath in „Horvathslo­s“

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