Das penetrante Würstelodeur bleibt picken
Kritik. Die Satire „Der Himbeerpflücker “ist kein Muss – aber Hauptdarsteller Leutgeb ist großartig
Fritz Hochwälders Stück „Der Himbeerpflücker“von 1964 wird heute kaum mehr gespielt. Diese Inszenierung wird daran nicht viel ändern.
Das Positive vorneweg: Martin Leutgeb ist in der Hauptrolle des Nazi-Profiteurs Steißhäuptl, Bürgermeister und Wirt zugleich, eine Sensation. Grobschlächtig, hinterfotzig, hysterisch: Er kann alles. Allenfalls seinetwegen ist dieser „Himbeerpflücker“sehenswert. Die anderen Akteure bleiben blass oder wirken holzschnittartig. Selbst Lisa Weidenmüller, sonst eine konstante Größe, wird hier unter Wert verkauft.
Der Schwank um ein fiktives Dorf mit dem sprechen- den Namen Bad Brauning hat im Kern Berechtigung. Unaufgearbeitete Nazivergangenheit und vorauseilende Bereitschaft, der Diener eines jeden Herrn zu sein, sind heute ebenso Thema wie 1964, als Hochwälder die Satire Qualtinger, dem großem Darsteller der österreichischen Seele, auf den Leib schrieb.
Altbacken
Auch, dass die finstere Verwechslungskomödie von einer altbackenen Voraussehbarkeit ist – ein Fremder dringt in eine Gemeinschaft ein, sorgt für Aufruhr und am Ende stellt sich heraus, dass er nicht der ist, für den man ihn hält – ist per se nicht schlimm. So mancher Klassiker ist mitunter von hanebüchener Handlungsarmut.
Doch Cilli Drexels Inszenierung hinkt. Die Regisseurin, die im Landestheater einst eine tolle „Hexenjagd“vorlegte, versucht hier eine rasante Slapstick-Farce. Türauf-Tür-zu, Teller-Werfen und allerhand gerade noch verhinderte Hoppalas. Obwohl das Timing stimmt, haftet dem etwas Schales an. Dazu kommen bemühte Aktualitätszitate („Wir sind die neuen Juden“) und mutwillige Ausstattungseinfälle. Wozu die aufgeklebten Schnauzer? Nach Hitler-Bärtchen sehen sie nicht aus. Michael Scherff ähnelt als Oberlip- penbartträger Ex-Bundestheaterchef Springer. Und warum trägt Steißhäuptl zum braunen Retro-Anzug goldene Boots? Ist der Ex-Nazi ein heimlicher Hipster? Was hat es mit dem mehrfachen Abspielen des Ramones-Songs „Blitzkrieg Bop“auf sich? Nicht einmal Songwriter Tony Ramone selbst wusste, warum er seinen Punk-RockSchlager nach der ZweitenWeltkriegs-Taktik benannte.
Diese gut zweistündige Show wirkt speedig und fad zugleich. Das penetrante Odeur der Würstel, die zu Beginn im Saal verteilt werden, macht keinen Gusto, es bleibt bloß picken. –