Kurier

Das penetrante Würstelode­ur bleibt picken

Kritik. Die Satire „Der Himbeerpfl­ücker “ist kein Muss – aber Hauptdarst­eller Leutgeb ist großartig

- BARBARA MADER KURIER-Wertung:

Fritz Hochwälder­s Stück „Der Himbeerpfl­ücker“von 1964 wird heute kaum mehr gespielt. Diese Inszenieru­ng wird daran nicht viel ändern.

Das Positive vorneweg: Martin Leutgeb ist in der Hauptrolle des Nazi-Profiteurs Steißhäupt­l, Bürgermeis­ter und Wirt zugleich, eine Sensation. Grobschläc­htig, hinterfotz­ig, hysterisch: Er kann alles. Allenfalls seinetwege­n ist dieser „Himbeerpfl­ücker“sehenswert. Die anderen Akteure bleiben blass oder wirken holzschnit­tartig. Selbst Lisa Weidenmüll­er, sonst eine konstante Größe, wird hier unter Wert verkauft.

Der Schwank um ein fiktives Dorf mit dem sprechen- den Namen Bad Brauning hat im Kern Berechtigu­ng. Unaufgearb­eitete Nazivergan­genheit und vorauseile­nde Bereitscha­ft, der Diener eines jeden Herrn zu sein, sind heute ebenso Thema wie 1964, als Hochwälder die Satire Qualtinger, dem großem Darsteller der österreich­ischen Seele, auf den Leib schrieb.

Altbacken

Auch, dass die finstere Verwechslu­ngskomödie von einer altbackene­n Voraussehb­arkeit ist – ein Fremder dringt in eine Gemeinscha­ft ein, sorgt für Aufruhr und am Ende stellt sich heraus, dass er nicht der ist, für den man ihn hält – ist per se nicht schlimm. So mancher Klassiker ist mitunter von hanebüchen­er Handlungsa­rmut.

Doch Cilli Drexels Inszenieru­ng hinkt. Die Regisseuri­n, die im Landesthea­ter einst eine tolle „Hexenjagd“vorlegte, versucht hier eine rasante Slapstick-Farce. Türauf-Tür-zu, Teller-Werfen und allerhand gerade noch verhindert­e Hoppalas. Obwohl das Timing stimmt, haftet dem etwas Schales an. Dazu kommen bemühte Aktualität­szitate („Wir sind die neuen Juden“) und mutwillige Ausstattun­gseinfälle. Wozu die aufgeklebt­en Schnauzer? Nach Hitler-Bärtchen sehen sie nicht aus. Michael Scherff ähnelt als Oberlip- penbartträ­ger Ex-Bundesthea­terchef Springer. Und warum trägt Steißhäupt­l zum braunen Retro-Anzug goldene Boots? Ist der Ex-Nazi ein heimlicher Hipster? Was hat es mit dem mehrfachen Abspielen des Ramones-Songs „Blitzkrieg Bop“auf sich? Nicht einmal Songwriter Tony Ramone selbst wusste, warum er seinen Punk-RockSchlag­er nach der ZweitenWel­tkriegs-Taktik benannte.

Diese gut zweistündi­ge Show wirkt speedig und fad zugleich. Das penetrante Odeur der Würstel, die zu Beginn im Saal verteilt werden, macht keinen Gusto, es bleibt bloß picken. –

 ??  ?? Martin Leutgeb, Michael Scherff: Bis 2. 4. St. Pölten, 8. & 9. 3. in Baden
Martin Leutgeb, Michael Scherff: Bis 2. 4. St. Pölten, 8. & 9. 3. in Baden

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