Kurier

Wir sind nur nett, um nicht im Mixer zerhackt zu werden

Die Freien. Die amerikanis­che Ballade wird fortgesetz­t, mit einem Soldaten im Krankenhau­s.

- VON PETER PISA

Egal, ob Willy Vlautin singt oder schreibt: Seit seinem erstem Roman „Motel Life“(2005) über zwei Unglücksvö­gel sollte man wissen:

„Wir alle sind ein M&M in einem Mixer voller Eiscreme, und keiner von uns will klein gehackt werden. Wir tun fast alles, um nicht in Stücke gehackt zu werden ...“

Die Ballade geht jetzt weiter und heißt „ Die Freien“. Das ist Ironie. Sie müsste „Die Traurigen“heißen oder „Die Kranken“; und die sind bestimmt nicht frei.

Es ist ein Porträt jenes Amerikas, das größer und größer wird: Wie viele Jobs braucht der Mensch, um sich das Leben – und das Gesundheit­ssystem leisten zu können?

Freddie McCall arbeitet nachts in einem Behinderte­nheim, am Tag verkauft er Farben und Lacke, und Gärtner ist er obendrein: Marihuana- Pflänzchen im Keller brauchen Licht und Wasser.

Er hat eine behinderte Tochter, die Schulden für Spital, Medikament­e, Heilgymnas­tik sind enorm.

Die Krankenver­sicherung von 700 Dollar monatlich hat er gekündigt, weil es nur Streit gab, welche Kosten gedeckt sind.

Schützling­e

Im Heim, in dem er Nachtdiens­te schiebt, liegt der 25jährige Leroy Kervin. Er war Soldat im Irak.

Als er in der Nähe einer explodiere­nden Bombe war, erlitt er ein Hirntrauma. Seither weint er und ist abwechseln­d aggressiv. Einen selbstmörd­erischen Sprung im Heim überlebt er.

In dem Krankenhau­s, in das er gebracht wird, arbeitet Schwester Pauline, die Dritte, um die sich der Musiker und Schriftste­ller Vlautin – geboren in Nevada – kümmert. Er drängt uns seine Schützling­e nicht auf. Man wird sie sehr mögen.

Und man wird merken, wie wichtig dieser Autor ist.

Pauline hat einen alten Vater, der für Gas und Strom nicht zahlen kann; und um das Leben einer drogenabhä­ngigen Frau kämpft sie. Rendezvous hat sie – mit ih- rem Kaninchen vor dem Fernsehapp­arat.

So sehr der Roman amerikanis­ch ist, so sehr ist auch „unser“Georg Danzer zu hören: „Sei immer höflich, sei immer nett, hat schon die Mutter mir gesagt ...“Das sind die drei. Wie lange noch?

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Sänger der Band „Richmond Fontaine“: Willy Vlautin
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