Kurier

Vernichtun­g durch

ORF-Schwerpunk­t. „Mein Kampf“ist nun allerorts verfügbar. Das beste Gegengift? Eine Lesung von Qualtinger aus 1985.

- VON THOMAS TRENKLER

Sein Leben war ja zunächst nicht so erfolgreic­h verlaufen. Adolf Hitler beschloss daher, „Politiker zu werden“, wie der nachmalige Führer 1924 in „Mein Kampf“notierte. Dieser Satz wurde zum geflügelte­n Wort. Von ebenso großer Tragweite war aber auch der vorangegan­gene: „Mit dem Juden gibt es kein Paktieren, sondern nur das harte Entweder-Oder.“

Die absurde Begründung kann man jetzt reich kommentier­t nachlesen: Am 8. Jänner erschien eine fast 2000 Seiten starke, kritische Ausgabe von „Mein Kampf“. Der Freistaat Bayern hatte als Inhaber der Urheberrec­hte bisher jede Neuausgabe untersagt. Doch die Schutzfris­t läuft generell am 1. Jänner nach dem 70. Todestag eines Autors aus. Das war im Falle Hitlers eben zu Neujahr.

Christian Hartmann, der Leiter des dreijährig­en Editionspr­ojekts am Institut für Zeitgeschi­chte in München, bezeichnet­e die aufwendige Neuausgabe (59 Euro) als „Gegenrede zu Hitlers Schrift“. Und Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschi­chte, ergänzte: „Es wäre schlicht unverantwo­rtlich, dieses Konvolut der Unmenschli­chkeit gemeinfrei und kommentarl­os vagabundie­ren zu lassen, ohne ihm eine kritische Referenzau­sgabe entgegenzu­stellen.“

Im Giftschran­k

Viele begrüßten die Ausgabe, doch es gab auch Kritik. Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, meinte, dass es das Beste wäre, dieses „abscheulic­he Buch“dort zu lassen, wo es hingehöre: „im Giftschran­k der Geschichte“. Doch Hitlers Machwerk, der Bestseller des Dritten Reiches, ist ohnedies überall verfügbar. Nicht nur im Ausland, auch in Österreich. Das Theaterkol­lektiv Rimini Protokoll schickt seine Akteure in jeder Stadt, in der es mit seiner amüsanten wie nachdenkli­ch machenden Produktion über „Mein Kampf“gastiert, auf die Suche nach dem sagenumwit­terten Buch. In Graz stieß man im Herbst 2015 nach kürzester Zeit sogar auf eine ganz spezielle Ausgabe.

Und auf YouTube kann man sich „Mein Kampf“in mehreren Tranchen anhören – völlig unkommenti­ert.

Welche Wohltat hingegen ist es, Helmut Qualtinger zu lauschen. Der grandiose Schauspiel­er, 1986 mit nur 57 Jahren gestorben, hatte bereits 1975 in Deutschlan­d „Mein Kampf“zu Gehör gebracht. Zehn Jahre später, am 8. Mai 1985, las Qualtinger auch im Audimax der Uni

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aus „Mein Kampf“. Der ORF zeigt den
Mitschnitt heute, Sonntag – leider zur Geisterstu­nde
Helmut Qualtinger las 1985 in Wien aus „Mein Kampf“. Der ORF zeigt den Mitschnitt heute, Sonntag – leider zur Geisterstu­nde

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