Kurier

Wiens elegantest­er Ball

Philharmon­ikerball. Am kommenden Donnerstag feiert der Fasching einen seiner Höhepunkte

- VON GEORG MARKUS

Der Philharmon­ikerball strahlt eine besondere Eleganz aus. Nicht nur, weil bestimmte Baumeister außer Haus bleiben, sondern auch weil eines der weltweit renommiert­esten Orchester als Veranstalt­er fungiert. Dabei war der Anlass zur Gründung des Balls gar nicht so nobel wie es die Institutio­n vermuten lässt. Den ersten Ball gab’s, weil die Philharmon­iker in Geldnöten waren: Das gefeierte Orchester hatte Teile seiner Einnahmen auf ein Konto gelegt, das kranke und pensionier­te Musiker finanziell absichern sollte. Als durch die Inf lation des Jahres 1922 die Ersparniss­e wertlos geworden waren, überlegten die Philharmon­iker die Schaffung eines neuen Notgrosche­ns.

Und da hatte der Geiger Berthold Salander die Idee, einen profitable­n Ball ins Leben zu rufen. Der erste fand am 4. März 1924 statt.

Ein kleiner Skandal

Es wär nicht Wien, hätte der allererste Philharmon­ikerball nicht gleich einen kleinen Skandal ausgelöst. Um nämlich den Einzug der Ehrengäste möglichst feierlich zu gestalten, wurde Staatsoper­ndirektor Richard Strauss gebeten, eine Ballfanfar­e zu komponiere­n. Das allein war schon ein mutiges Ansinnen, da die Philharmon­iker erst drei Jahre davor gegen die Bestellung von Strauss als Opernchef vehement (aber erfolglos) intrigiert hatten. Meister Strauss sah über die einstige Demütigung gnädig hinweg und lieferte den Philharmon­ikern die gewünschte Fanfare (zu der die Ehrengäste übrigens heute noch einziehen).

Problem Donau alzer

Als nächstes Problem erwies sich der Plan, den Donauwalze­r zur Eröffnung des Balls vom berühmten Maestro Felix Weingartne­r dirigieren zu lassen. Als dieser erfuhr, dass nicht er, sondern sein Intimfeind Richard Strauss als Komponist der Fanfare aus- ersehen worden war, schrieb er erbost an die Philharmon­iker: „Sie haben es für richtig befunden, sich bezüglich der musikalisc­hen Begrüßung des Herrn Bundespräs­identen bei Ihrem Ball nicht an mich zu wenden. Sie werden nun wohl begreifen, dass ich diesem Ball fern bleiben werde.“

Das also waren die turbulente­n Anfänge, die freilich eine schnelle Beruhigung fanden, zumal Felix Weingartne­r dann doch noch dirigierte. Und auch alle folgenden Philharmon­ikerbälle verliefen weitestgeh­end skandalfre­i.

Der Musik ereinssaal

Die Philharmon­iker wussten, dass sie dem Publikum Besonderes bieten mussten. Aus diesem Grund wurde ein Komitee gegründet, das die Aufgabe erhielt, das neue Fest mit dem Feinsten vomFeinen zu versorgen. Das begann mit der Wahl des Musikverei­ns als einzigarti­gem Ballsaal.

Konkurrenz­los war und ist der Philharmon­ikerball aber auch, weil das in aller Welt gefeierte Orchester die Möglichkei­t hat, selbst für die musikalisc­he Eröffnung zu sorgen. Nach dem DochNoch-Dirigenten Felix Weingartne­r wurden die Eröff- nungen von Größen wie Wilhelm Furtwängle­r, Herbert von Karajan, Karl Böhm, Leonard Bernstein, Sir Georg Solti, Placido Domingo und Carlos Kleiber geleitet.

Loge für 2,5 Millionen

Die Eintrittsp­reise verraten, dass der erste Ball im März 1924 mit dem Höhepunkt der Inflation zusammenfi­el: Eine Karte kostete 150.000 Kronen, eine Loge bis zu 2,5 Millionen. Und dennoch war der Große Musikverei­nssaal übervoll, die Stimmung ausgelasse­n, und wer gedacht hätte, dass die Philharmo- niker nur auf Tradition setzten, hatte sich geirrt: Die Tanzbeine schwangen zu Walzer und Polka ebenso wie zu Shimmy und Tango.

Der erste Ball brachte den Bedürftige­n 60 Millionen Kronen ein, die zwar weit weniger wert waren als es scheint, aber immerhin dem Jahreseink­ommen zweier Orchesterm­itglieder entsprache­n.

Wien hatte ein neues gesellscha­ftliches Ereignis, und beim Philharmon­ikerball 1927 war die Währungskr­ise überwunden, womit eine Eintrittsk­arte jetzt für wohlfeile 15 Schilling zu haben war. Die Ball-Prominenz reichte in dieser Zeit vom Dichter Hugo von Hofmannsth­al bis zum Kammersäng­er Leo Slezak.

Von 1932 bis 1948 fiel der Ball krisen- und kriegsbedi­ngt aus. Wie Philharmon­iker-Archivarin Silvia Kargl herausfand, flüchteten neun Orchesterm­itglieder – darunter auch „Ballvater“Berthold Salander – vor den Nationalso­zialisten, zu den fünf in dieser Zeit ermordeten Philharmon­ikern zählte der Oboist und Ball-Musiker Armin Tyroler.

Prominenz am Ball

Nach dem Krieg sollten vier Jahre vergehen, ehe die Philharmon­iker ihr Repräsenta­tionsfest wieder aufleben ließen. Es war gleich wieder Wiens erster Nobelball, und er wurde im Lauf der Zeit von Curd Jürgens, Agnes Baltsa, José Carreras, Anna Netrebko sowie von fast allen Bundespräs­identen und den Kanzlern besucht wurde.

„Zu den Stärken des Philharmon­ikerballs zählt“, sagt Ballorgani­sator Paul Halwax, „dass er ein Künstlerba­ll ist. Unter den 3500 Ballgästen befinden sich Dirigenten, Sänger, Musiker und Schauspiel­er. Wir wollen uns nicht mit dem Opernball verglei- chen, aber der Umstand, dass es bei uns keine LiveÜbertr­agung im Fernsehen gibt, ist für viele Besucher ein besonderer Anreiz, weil dadurch die Stimmung intimer und familiärer ist.“

Für Tanzmeiste­r Thomas Schäfer-Elmayer liegt „die besondere Atmosphäre des Philharmon­ikerballs am Veranstalt­ungsort Musikverei­n und auch daran, dass die Philharmon­iker bei der Eröffnung selbst spielen.“Auch Schäfer-Elmayer sieht den Ball als einzigarti­ges Fest, „weil sich hier durch eine geringere Medienpräs­enz ganz bestimmte Leute nicht ins Bild drängen können. Das lässt den Ball dezent und elegant erscheinen.“

Um es auf den Punkt zu bringen: Man trifft hier mehr Konzert- als Baumeister.

georg.markus@kurier.at

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Zu den Stärken des Philharmon­ikerballs zählt, dass er ein Künstlerba­ll ist und im prachtvoll­en Wiener Musikverei­nssaal stattfinde­t. Es kann schwungvol­l getanzt werden
 ??  ?? Hohe Politik: Ballchefin Maria Mautner Markhof, Kanzler Figl
Hohe Politik: Ballchefin Maria Mautner Markhof, Kanzler Figl
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Nobler Ballbesuch: Curd Jürgens am Philharmon­ikerball, 1969
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Er ist seit 2000 Tanzmeiste­r des Balls: Thomas Schäfer-Elmayer
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