Wiens elegantester Ball
Philharmonikerball. Am kommenden Donnerstag feiert der Fasching einen seiner Höhepunkte
Der Philharmonikerball strahlt eine besondere Eleganz aus. Nicht nur, weil bestimmte Baumeister außer Haus bleiben, sondern auch weil eines der weltweit renommiertesten Orchester als Veranstalter fungiert. Dabei war der Anlass zur Gründung des Balls gar nicht so nobel wie es die Institution vermuten lässt. Den ersten Ball gab’s, weil die Philharmoniker in Geldnöten waren: Das gefeierte Orchester hatte Teile seiner Einnahmen auf ein Konto gelegt, das kranke und pensionierte Musiker finanziell absichern sollte. Als durch die Inf lation des Jahres 1922 die Ersparnisse wertlos geworden waren, überlegten die Philharmoniker die Schaffung eines neuen Notgroschens.
Und da hatte der Geiger Berthold Salander die Idee, einen profitablen Ball ins Leben zu rufen. Der erste fand am 4. März 1924 statt.
Ein kleiner Skandal
Es wär nicht Wien, hätte der allererste Philharmonikerball nicht gleich einen kleinen Skandal ausgelöst. Um nämlich den Einzug der Ehrengäste möglichst feierlich zu gestalten, wurde Staatsoperndirektor Richard Strauss gebeten, eine Ballfanfare zu komponieren. Das allein war schon ein mutiges Ansinnen, da die Philharmoniker erst drei Jahre davor gegen die Bestellung von Strauss als Opernchef vehement (aber erfolglos) intrigiert hatten. Meister Strauss sah über die einstige Demütigung gnädig hinweg und lieferte den Philharmonikern die gewünschte Fanfare (zu der die Ehrengäste übrigens heute noch einziehen).
Problem Donau alzer
Als nächstes Problem erwies sich der Plan, den Donauwalzer zur Eröffnung des Balls vom berühmten Maestro Felix Weingartner dirigieren zu lassen. Als dieser erfuhr, dass nicht er, sondern sein Intimfeind Richard Strauss als Komponist der Fanfare aus- ersehen worden war, schrieb er erbost an die Philharmoniker: „Sie haben es für richtig befunden, sich bezüglich der musikalischen Begrüßung des Herrn Bundespräsidenten bei Ihrem Ball nicht an mich zu wenden. Sie werden nun wohl begreifen, dass ich diesem Ball fern bleiben werde.“
Das also waren die turbulenten Anfänge, die freilich eine schnelle Beruhigung fanden, zumal Felix Weingartner dann doch noch dirigierte. Und auch alle folgenden Philharmonikerbälle verliefen weitestgehend skandalfrei.
Der Musik ereinssaal
Die Philharmoniker wussten, dass sie dem Publikum Besonderes bieten mussten. Aus diesem Grund wurde ein Komitee gegründet, das die Aufgabe erhielt, das neue Fest mit dem Feinsten vomFeinen zu versorgen. Das begann mit der Wahl des Musikvereins als einzigartigem Ballsaal.
Konkurrenzlos war und ist der Philharmonikerball aber auch, weil das in aller Welt gefeierte Orchester die Möglichkeit hat, selbst für die musikalische Eröffnung zu sorgen. Nach dem DochNoch-Dirigenten Felix Weingartner wurden die Eröff- nungen von Größen wie Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Karl Böhm, Leonard Bernstein, Sir Georg Solti, Placido Domingo und Carlos Kleiber geleitet.
Loge für 2,5 Millionen
Die Eintrittspreise verraten, dass der erste Ball im März 1924 mit dem Höhepunkt der Inflation zusammenfiel: Eine Karte kostete 150.000 Kronen, eine Loge bis zu 2,5 Millionen. Und dennoch war der Große Musikvereinssaal übervoll, die Stimmung ausgelassen, und wer gedacht hätte, dass die Philharmo- niker nur auf Tradition setzten, hatte sich geirrt: Die Tanzbeine schwangen zu Walzer und Polka ebenso wie zu Shimmy und Tango.
Der erste Ball brachte den Bedürftigen 60 Millionen Kronen ein, die zwar weit weniger wert waren als es scheint, aber immerhin dem Jahreseinkommen zweier Orchestermitglieder entsprachen.
Wien hatte ein neues gesellschaftliches Ereignis, und beim Philharmonikerball 1927 war die Währungskrise überwunden, womit eine Eintrittskarte jetzt für wohlfeile 15 Schilling zu haben war. Die Ball-Prominenz reichte in dieser Zeit vom Dichter Hugo von Hofmannsthal bis zum Kammersänger Leo Slezak.
Von 1932 bis 1948 fiel der Ball krisen- und kriegsbedingt aus. Wie Philharmoniker-Archivarin Silvia Kargl herausfand, flüchteten neun Orchestermitglieder – darunter auch „Ballvater“Berthold Salander – vor den Nationalsozialisten, zu den fünf in dieser Zeit ermordeten Philharmonikern zählte der Oboist und Ball-Musiker Armin Tyroler.
Prominenz am Ball
Nach dem Krieg sollten vier Jahre vergehen, ehe die Philharmoniker ihr Repräsentationsfest wieder aufleben ließen. Es war gleich wieder Wiens erster Nobelball, und er wurde im Lauf der Zeit von Curd Jürgens, Agnes Baltsa, José Carreras, Anna Netrebko sowie von fast allen Bundespräsidenten und den Kanzlern besucht wurde.
„Zu den Stärken des Philharmonikerballs zählt“, sagt Ballorganisator Paul Halwax, „dass er ein Künstlerball ist. Unter den 3500 Ballgästen befinden sich Dirigenten, Sänger, Musiker und Schauspieler. Wir wollen uns nicht mit dem Opernball verglei- chen, aber der Umstand, dass es bei uns keine LiveÜbertragung im Fernsehen gibt, ist für viele Besucher ein besonderer Anreiz, weil dadurch die Stimmung intimer und familiärer ist.“
Für Tanzmeister Thomas Schäfer-Elmayer liegt „die besondere Atmosphäre des Philharmonikerballs am Veranstaltungsort Musikverein und auch daran, dass die Philharmoniker bei der Eröffnung selbst spielen.“Auch Schäfer-Elmayer sieht den Ball als einzigartiges Fest, „weil sich hier durch eine geringere Medienpräsenz ganz bestimmte Leute nicht ins Bild drängen können. Das lässt den Ball dezent und elegant erscheinen.“
Um es auf den Punkt zu bringen: Man trifft hier mehr Konzert- als Baumeister.
georg.markus@kurier.at