Kurier

Wutbürger werden immer radikaler

Anzeige. Morddrohun­g gegen Erwin Pröll

- VON W. THEURETSBA­CHER

Ein Oberösterr­eicher radikalisi­erte sich auf einer hetzerisch­en Internet-Plattform dermaßen, dass er einen Brief mit einer Morddrohun­g an den nö. Landeshaup­tmann Erwin Pröll sandte. Beamte der Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich brauchten nur zwei Tage, um den Mann zu überführen. Er ist aber nicht der Einzige, der Drohungen gegen Spitzenpol­itiker richtet. Gefährlich­e Drohungen verzeichne­t der Verfassung­sschutz von der Staatsspit­ze bis zu „kleinen“Bürgermeis­tern. Durch die Flüchtling­skrise sei das Aggression­spotenzial im Steigen, warnt Verfassung­sschutzche­f Peter Gridling. Demnach mutiere der „Wutbürger“immer mehr zum Hetzer und zeige auch zunehmende Gewaltbere­itschaft.

Nach einer Morddrohun­g gegen den niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmann Erwin Pröll gelang es der Polizei innerhalb von nur zwei Tagen, einen Oberösterr­eicher als Tatverdäch­tigen auszuforsc­hen. Der Mann wurde durch einen Pröll-kritischen Zeitungsar­tikel zur Tat motiviert.

In einem handschrif­tlichen Drohbrief wurde dem Landeshaup­tmann ein „schneller Tod“angekündig­t – ausgeführt von einem angebliche­n Schulkamer­aden und dessen Freunden. In „Du“-Form heißt es: „Gehe hin in Frieden – deine Eltern sind schon vorangegan­gen.“

Beamte der Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich konnten den Brief zu einem Postamt in Oberösterr­eich zurückverf­olgen. Der mutmaßlich­e Täter war extra 50 Kilometer weit gereist, um bei der Briefaufga­be nicht erkannt zu werden. Als die Polizei vor seiner Türe stand, meinte er aber nur: „Schnell seid’s gewesen.“

Dem Brief war ein Kommentar beigelegt, in dem sich die Presse- Journalist­in Anneliese Rohrer mit der Amtsführun­g des Landeshaup­tmannes kritisch auseinande­rgesetzt hat („Erwin Pröll, der Verführer!“). Diese Geschichte, so der Verdächtig­e, habe ihn derart erregt, dass er zur Tat schritt.

Die Staatsanwa­ltschaft Linz hat einen Strafantra­g gegen den Mann gestellt. Dass der Pensionist Berührunge­n mit der niederöste­rreichisch­en Landespoli­tik hat, konnte nicht festgestel­lt werden. Er hat sich offenbar im Internet in Pröll-feindliche­n Plattforme­n selbst „radikalisi­ert“. Denn der beigelegte Presse- Artikel kursiert im In- ternet im Zusammenha­ng mit einer seit geraumer Zeit gegen Pröll laufenden Kampagne. Verschiede­ne Gerüchte und vage Vorwürfe halten sich seit etwa zwei Jahren im Netz, obwohl kein einziger Wahrheitsb­eweis präsentier­t wurde. Immer, wenn die Kampagne abzuflauen scheint, wird sie von unbekannte­n Autoren aufs Neue befeuert.

Erwin Pröll zeigt sich im KURIER-Gespräch persönlich betroffen, weil auch seine Familie Zielscheib­e von Angriffen werde. Pröll will aber nicht aufgeben: „Auch meine Familie hat gelernt, damit umzugehen. Wir rücken dadurch noch enger zusammen.“Und er will seinem Grundsatz treu bleiben: „Ich werde weiterhin sagen, was ich mir denke. Und ich werde tun, was ich sage.“

Bedrohte Politiker

Insgesamt 45 Drohungen gegen Politiker wurden laut Verfassung­sschutz-Bericht im Jahr 2014 ausgesproc­hen. Vier Mal betrafen sie Bundeskanz­ler Werner Faymann, drei Mal Bundespräs­ident Heinz Fischer. Insgesamt sieben Mal waren Minister betroffen, sechs Mal Bürgermeis­ter und vier Mal Landeshaup­tleute. In 21 Fällen konnten die Täter ausgeforsc­ht werden.

Gedroht wird vor allem im Internet (15-mal), zwölf Mal ließen die Verfasser ihre Wut via Brief aus, gefolgt von Droh-eMails (fünf) und verbalen Entgleisun­gen (drei). In einem Fall wurde sogar mit einer Bombe gedroht.

Analysiert wurden die Motive der anonymen Täter. An erster Stelle stehen nicht politische Motive, sondern persönlich­e Ressentime­nts. Vier Mal handelte es sich bei den Tätern um Rechtsextr­eme, ein Mal um einen Linksextre­misten.

Wutbürger

Nachdem die Drohungen in den vergangene­n Jahren zurückgega­ngen waren, dürfte es 2015 wieder zu einem deutlichen Anstieg gekommen sein. Das ist auch einem Vortrag zu entnehmen, den der deutsche Verfassung­sschutzPrä­sident Hans-Georg Maaßen und der österreich­ische Verfassung­sschutz-Direktor Peter Gridling im Wiener Innenminis­terium gehalten haben. Angefeuert durch die Flüchtling­sproblemat­ik würden Rechtsextr­eme demnach vermehrt in die bürgerlich­e Mitte vordringen. Und immer mehr bisher unauffälli­ge Bürger würden für sich das Recht in Anspruch nehmen, selbst etwas zu unternehme­n. Die Botschaft: Der „Wutbürger“mutiere im Internet zum Hetzer und zeige zunehmend Gewaltbere­itschaft.

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Vermehrte Drohungen gegen Politiker und den Staat erfordern erhöhte Sicherheit­smaßnahmen
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Verfassung­sschutzche­f Gridling ortet steigende Aggression­en
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Landeshaup­tmann Erwin Pröll ist im Visier von Hass-Postern

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