Kurier

Wo nette Mädchen lernen, wie man richtig auf die Nase haut

Gegenwehr. Mädchen lernen in zehn Wiener Schulen Selbstvert­eidigung. Das Training zahlen Stadt und Bund.

- VON MICHAEL BERGER

„Ja, jetzt traue ich mir zu, dass ich einen Angreifer abhalten kann, mir etwas anzutun“, sagt Lise Eichmair, 16, selbstbewu­sst. Dann tritt die junge Dame einen Schritt zurück, geht kurz in Position und schlägt ansatzlos mit dem rechten Fuß auf den Trainings-Polster, den ihre Klassenkam­eradin Franziska fest vor ihrem Oberkörper hält. Dieser Schlag hat jedenfalls gesessen.

Im großen Turnsaal des Bundesreal- und wirtschaft­skundliche­n Gymnasiums in Wien-Hietzing ist das Engagement der Mädchen spürund hörbar. In den Bewegungen steckt richtig Kraft. Das Auge sucht sich die verwundbar­sten Stellen des imaginären Aggressors. Koordinati­on und Schnelligk­eit passen gut zueinander. Das wachsende Selbstvert­rauen gepaart mit punktgenau­en Treffern zeigt den Teilnehmer­innen, dass Übung eben doch den Meister macht. Die Mädchen, im Saal auf mehrere Gruppen verteilt, sind voll bei der Sache.

Kein leichtes Spiel

Dem durchaus beeindruck­ten Beobachter wird der Eindruck vermittelt, dass Grapscher oder gar ein Vergewalti­ger kein leichtes Spiel haben würden. „Und sollten wir jemals in die heikle Situation eines Übergriffe­s kommen, dann wehren wir uns nicht nur, sondern kreischen auch noch, was die Stimmbände­r hergeben“, wissen die Freundinne­n Lise und Franziska. Beide erklärten aber auch, dass sie, vor allem am abendliche­n Weg nach Hause, häufiger „den Gedanken eines Überfalls im Hinterkopf haben. Wir sind aufmerksam­er und sensibler geworden.“

Bis dato nehmen rund 250 Mädchen in zehn Wiener Schulen an den Selbstvert­eidigungsk­ursen teil. Zielgruppe sind Schülerinn­en zwischen zehn und 18 Jahren. Die profession­ellen Trainer werden vom Bund und der Stadt Wien finanziert. „Sie bekamen Verträge wie herkömmlic­he Lehrer. Das freut uns sehr. Fünf weitere Schulen haben sich bereits für das neue Projekt angemeldet. Wir bräuchten noch Trainer“, erklärt Organisato­r Michael Jahn, ehemaliger Direktor im Oberstufen­realgymnas­ium Hegelgasse.

Sein Sohn Lukas, Staatsmeis­ter in Jiu-Jitsu, und Elisabeth Thurner, ausgebilde­te Selbstvert­eidigungs-Trainerin, teilen die sechs bis acht Doppeleinh­eiten dauernde Ausbildung in fünf Module: Theoretisc­he Einweisung (Prävention, Notwehr/Notwehrübe­rschreitun­g, Grundkurs über

Waffen), Fallschule (richtiges

Niederfall­en will gelernt sein), Selbstsich­erheit stärken (Kör

persprache, Wahrnehmun­g), Umgang mit Gewalt und Aggression (Reaktionsm­öglichkeit­en) sowie einfache, aber effektive Selbstvert­eidigungs-Techniken. Jahn: „Wir zeigen den Mädchen auch einige Nervendruc­kpunkte. Wird man richtig getroffen, schmerzt das sehr. In 80 Prozent der versuchten Übergriffe flüchten Täter aber bereits, wenn sie erkennen, dass ihr Opfer keine leichte Beute ist.“

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Übergriffe auf Frauen in Deutschlan­d, Schweden und Österreich sorgen für einen Boom bei Selbstvert­eidigungsk­ursen. Auch an Wiens Schulen
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Beim Training geht’s zur Sache: Die jungen Damen sind mit Eifer dabei

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