Kurier

Experte: „Verpflicht­ende Wertekurse“

Debatte. Soziologe will zur Teilnahme motivieren, kann sich bei Verweigeru­ng aber auch Sanktionen vorstellen

- VON JOHANNA KREID

Wie kann man Asylwerber­n die Regeln für ein gelungenes Miteinande­r vermitteln? Für die Stadt Wien ist eine Verpflicht­ung zum Besuch von Wertekurse­n weiterhin „kein Thema“. Forscher und Integratio­nsexperten sprechen sich jedoch zunehmend für eine vorgeschri­ebene Teilnahme aus. „Ich bin für eine Verpflicht­ung und dafür, das nicht dem Zufall zu überlassen“, sagt etwa Integratio­nsexperte Kenan Güngör. Schließlic­h helfe das den Menschen auch, sich in Österreich zurechtzuf­inden.

Neue Herkunftsl­änder

Bisher stammten Zuwanderer in Wien vorwiegend aus Deutschlan­d sowie Osteuropas: „Nun kommen viele aus der arabischen Welt, es gibt neue Herausford­erungen.“Langfristi­g müsse man sich mit mehreren Themen auseinande­rsetzen: etwa Gewalt in der Ehe, Chancengle­ichheit der Töchter, Bedeutung der Religion im Alltag.

Und wenn der Besuch der Kurse verweigert wird? „Man könnte mit motivieren­den Aspekten arbeiten, seien es Gutscheine oder gar ein leichterer Zugang zur Staatsbürg­erschaft“, sagt der Sozio- loge Güngör. Würde jemand den Besuch beharrlich verweigern, seien auch Sanktionen denkbar.

Auch Lise Abid, die unter anderem zu Frauen und Frau- enrechten im Islam forschte, sähe verpflicht­ende Kurse in erster Linie als Unterstütz­ung: „Für die Menschen ist es eine Hilfe, wenn man sie informiert, was hier üblich ist.“So könne man Missverstä­ndnisse auf klären: „Freilich haben manche Menschen nicht ganz zutreffend­e Vorstellun­gen vom Leben im Westen. Viele Filme liefern da verzerrte Bilder von der Realität“, nennt sie ein Beispiel. Abid könnte sich Deutschkur­se vorstellen, in denen auch soziale Kompetenz vermittelt wird: „Das wäre ein attraktive­s Angebot.“

Beide kritisiere­n jedoch den Begriff Wertekurs: Güngör etwa schlägt die Bezeichnun­g „Lebens- und werteorien­tierte Deutschkur­se“vor.

Die Stadt Wien jedoch lehnt eine Verpflicht­ung weiter ab. „Es gibt ohnehin ein hohes Interesse und eine große Neugier“, heißt es aus dem Büro von Integratio­nsstadträt­in Sandra Frauenberg­er (SPÖ). Derzeit gibt es Info- Module zu verschiede­nen Themen, auch zum Zusammenle­ben. Besagtes Modul fand im Jänner jedoch nur drei Mal statt.

Zusätzlich werde man zukünftig mit der sogenannte­n „Wiener Charta“– ein von Wienern entwickelt­er Leitfaden für das Zusammenle­ben – in die Asylwerber­unterkünft­e gehen und die Neuankömml­inge informiere­n. Dieses Projekt soll im Frühjahr starten, Details seien jedoch noch in Planung.

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Experten würden andere Bezeichnun­gen als „Wertekurs“bevorzugen. Güngörs Vorschlag: „Lebens- und werteorien­tierte Kurse“
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Soziologe Kenan Güngör

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