Fischer in Tunesien: „Wollen die Gründe für Auswanderung vor Ort bekämpfen“
Staatsbesuch. Heinz Fischer traf seinen Amtskollegen und sprach über Terrorismus und Flüchtlinge.
Sie wird oft als einzige Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings verkauft: Tunesien befindet sich fünf Jahre nach dem Sturz des Präsidenten Ben Ali auf dem Weg der Demokratie. Eine moderne, großteils säkulare Verfassung, eine breite Koalition in der Regierung, eine – meistens – gut funktionierende Sozialpartnerschaft ermöglichen das.
Doch in den Tagen vor dem Staatsbesuch des österreichischen Bundespräsidenten in der jungen Demokratie Tunesiens zeigte sich wieder, dass noch lange nicht alles gut ist in dem Land der Jasmin-Revolution. 700.000 der knapp 11 Millionen Tunesier haben keine Arbeit, Uni-Absolventen stehen ohne Perspektive da, die Polizei ist mit neuen Foltervorwürfen konfrontiert und im Landesinneren gehen seit Tagen Hunderte junge Männer auf die Straße, um gegen die Behörden zu demonstrieren.
„Eine hohe Arbeitslosigkeit führt zu einem hohen Emigrationsdruck“, knüpfte Bundespräsident Fischer die Verbindung zu den Flüchtlingszahlen in Europa. Beide Präsidenten betonten am Mittwoch die Gefahr, dass diese jungen Menschen ohne Perspektiven dazu neigen, zu fliehen. Entweder nach Europa – oder in den Extremismus. Tunesien brauche Staaten wie Österreich, die hier investieren, um den Menschen Jobs und Perspektiven zu geben, so der tunesische Präsident Beji Caid Es- sebsi. Er wolle aber die Unruhen im Landesinneren nicht überbewerten: „Demonstrationen sind nur der Beweis, dass Tunesien die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit respektiert.“
Wachstum gegen Terror
Kein Staat habe das „Patentrezept“gegen den Terrorismus, sagte Heinz Fischer, der mit einer Wirtschaftsdelegation, mit WKO-Präsident Christoph Leitl, Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske sowie den Ministerinnen Sabine Oberhauser und Sophie Karmasin in Tunis gelandet ist. „Die Wurzeln des Terrorismus sind tief in der Gesellschaft verankert“, man müsse die wirtschaftliche Situation der Tunesier verbessern, die Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Bildung verbessern.
Österreich ist bereits jetzt ein wichtiger Investor in Tunesien. Nicht zuletzt wegen der OMV. Darauf wollte die Wirtschaftsdelegation bei ihrem Besuch auf bauen.
Obergrenzen
Innerhalb von Augenblicken hat es die Meldung nach Tunis geschafft. Als in Österreich gerade verkündet wird, dass es in Zukunft eine Obergren- ze für die Zahl von Asylanträgen geben soll, sitzt Heinz Fischer gerade im Präsidentenpalast in Karthago mit Beji Caid Essebsi zusammen.
„Deutschland ist an der Grenze der Belastbarkeit angekommen“, sagt er wenig später auf die Frage eines tunesischen Journalisten. „Und Österreich auch.“Es gehe jetzt darum, die Asylsuchenden besser zu verteilen und deren Zahl in einer „vernünftigen Grenze“zu halten. Das Thema müsse aber auf europäischer Ebene besprochen werden. Das Wesen des Asylrechts als Menschenrecht werde dadurch nicht infrage gestellt. „Aber wir müssen Mittel finden, um damit umzugehen“, kommentierte er die Entscheidung der Regierung.
Die Medien in Tunesien interessieren sich spätestens seit den vergangenen Tagen für die europäische Asylpolitik. Österreich ist allerdings kein beliebtes Zielland für Tunesier. Doch als Deutschland am Wochenende drohte, Entwicklungshilfe für den Maghreb-Raum an die Bereitschaft nordafrikanischer Staaten zu knüpfen, nicht asylberechtigte Landsleute zurückzuführen, wurde man auch hier hellhörig.