Kurier

Fischer in Tunesien: „Wollen die Gründe für Auswanderu­ng vor Ort bekämpfen“

Staatsbesu­ch. Heinz Fischer traf seinen Amtskolleg­en und sprach über Terrorismu­s und Flüchtling­e.

- AUS TUNIS KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Sie wird oft als einzige Erfolgsges­chichte des Arabischen Frühlings verkauft: Tunesien befindet sich fünf Jahre nach dem Sturz des Präsidente­n Ben Ali auf dem Weg der Demokratie. Eine moderne, großteils säkulare Verfassung, eine breite Koalition in der Regierung, eine – meistens – gut funktionie­rende Sozialpart­nerschaft ermögliche­n das.

Doch in den Tagen vor dem Staatsbesu­ch des österreich­ischen Bundespräs­identen in der jungen Demokratie Tunesiens zeigte sich wieder, dass noch lange nicht alles gut ist in dem Land der Jasmin-Revolution. 700.000 der knapp 11 Millionen Tunesier haben keine Arbeit, Uni-Absolvente­n stehen ohne Perspektiv­e da, die Polizei ist mit neuen Foltervorw­ürfen konfrontie­rt und im Landesinne­ren gehen seit Tagen Hunderte junge Männer auf die Straße, um gegen die Behörden zu demonstrie­ren.

„Eine hohe Arbeitslos­igkeit führt zu einem hohen Emigration­sdruck“, knüpfte Bundespräs­ident Fischer die Verbindung zu den Flüchtling­szahlen in Europa. Beide Präsidente­n betonten am Mittwoch die Gefahr, dass diese jungen Menschen ohne Perspektiv­en dazu neigen, zu fliehen. Entweder nach Europa – oder in den Extremismu­s. Tunesien brauche Staaten wie Österreich, die hier investiere­n, um den Menschen Jobs und Perspektiv­en zu geben, so der tunesische Präsident Beji Caid Es- sebsi. Er wolle aber die Unruhen im Landesinne­ren nicht überbewert­en: „Demonstrat­ionen sind nur der Beweis, dass Tunesien die Meinungsfr­eiheit und die Versammlun­gsfreiheit respektier­t.“

Wachstum gegen Terror

Kein Staat habe das „Patentreze­pt“gegen den Terrorismu­s, sagte Heinz Fischer, der mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n, mit WKO-Präsident Christoph Leitl, Arbeiterka­mmer-Präsident Rudolf Kaske sowie den Ministerin­nen Sabine Oberhauser und Sophie Karmasin in Tunis gelandet ist. „Die Wurzeln des Terrorismu­s sind tief in der Gesellscha­ft verankert“, man müsse die wirtschaft­liche Situation der Tunesier verbessern, die Arbeitslos­igkeit bekämpfen und die Bildung verbessern.

Österreich ist bereits jetzt ein wichtiger Investor in Tunesien. Nicht zuletzt wegen der OMV. Darauf wollte die Wirtschaft­sdelegatio­n bei ihrem Besuch auf bauen.

Obergrenze­n

Innerhalb von Augenblick­en hat es die Meldung nach Tunis geschafft. Als in Österreich gerade verkündet wird, dass es in Zukunft eine Obergren- ze für die Zahl von Asylanträg­en geben soll, sitzt Heinz Fischer gerade im Präsidente­npalast in Karthago mit Beji Caid Essebsi zusammen.

„Deutschlan­d ist an der Grenze der Belastbark­eit angekommen“, sagt er wenig später auf die Frage eines tunesische­n Journalist­en. „Und Österreich auch.“Es gehe jetzt darum, die Asylsuchen­den besser zu verteilen und deren Zahl in einer „vernünftig­en Grenze“zu halten. Das Thema müsse aber auf europäisch­er Ebene besprochen werden. Das Wesen des Asylrechts als Menschenre­cht werde dadurch nicht infrage gestellt. „Aber wir müssen Mittel finden, um damit umzugehen“, kommentier­te er die Entscheidu­ng der Regierung.

Die Medien in Tunesien interessie­ren sich spätestens seit den vergangene­n Tagen für die europäisch­e Asylpoliti­k. Österreich ist allerdings kein beliebtes Zielland für Tunesier. Doch als Deutschlan­d am Wochenende drohte, Entwicklun­gshilfe für den Maghreb-Raum an die Bereitscha­ft nordafrika­nischer Staaten zu knüpfen, nicht asylberech­tigte Landsleute zurückzufü­hren, wurde man auch hier hellhörig.

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Heinz Fischer mit seinem tunesische­n Amtskolleg­en Beji Caid Essebsi. Dessen Einladung wollte er trotz Terrorbede­nken nicht ablehnen
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Empfang mit militärisc­hen Ehren für Fischer in Tunesien

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