„Wir sind noch nicht so weit“
Manfred Nehrer, Präsident des Techniker Cercles, über die theoretische Öffnung des Männerclubs
Vor einem Jahr gab es Proteste und Boykott, weil der Techniker Cercle seit jeher keine Frauen in seinem Club akzeptiert. Angezettelt wurde die Causa von der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. Deren Präsident Christian Aulinger: „Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert mit konservativen Männerhaufen.“GrünenChefin Eva Glawischnig bezeichnete den Männerbund als „eine anachronistische Peinlichkeit für Wien im Jahr 2015“, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek befand „eine Diskriminierung der Frauen in der heutigen Zeit als indiskutabel“und schied aus dem Ehrenpräsidium aus. KURIER: Vergangenes Jahr gab es viel Aufregung im Vorfeld des Balls des Techniker Cercles. Manfred Nehrer: Na ja, große Aufregung. Der KURIER hat sich wichtig gemacht. Heuer fragen wir wichtig nach: Hat sich seither etwas geändert?
Es hat sich viel getan. Wir sind in einem Veränderungsprozess, den man aber vor der 140-jährigen Geschichte des Cercles sehen muss. Unser Verein ist aus einem Technikerballkränzchen entstanden. Heuer haben wir der Technischen Universität 200.000 Euro zur Verfügung gestellt, über eine Million Euro waren das in den vergangenen sechs Jahren. Damit sind wir der größte private Spender. Noch einmal: Was hat sich konkret verändert?
Wir haben vor drei Jahren schon begonnen, unsere Statuten im Techniker Cercle zu überarbeiten. Die Aufnahme von Frauen ist damit seit über einem Jahr möglich. Das können Sie in den Statuten nachlesen. Bei den Aufnahmekriterien wurde das Wort „Herren“gegen das Wort „Persönlichkeiten“ersetzt. Als Folge der medialen Aufregung vom vorigen Jahr haben wir auch unser Ballpräsidium paritätisch besetzt: mit Sabine Seidler (TU), Gabriele Zuna-Kratky (Technisches Museum) und Therese Niss (Junge Industrie) sind jetzt auch Frauen mit dabei. Dieses Ballpräsidium ist verantwortlich für die Ausrichtung des gesamten Balls. Da weht ein völlig neuer Wind. Heißt das: freie Bahn für weibliche Aufnahmen im Techniker Cercle?
Ich bin davon überzeugt, dass es Frauen geben wird, aber ein Verein, der 140 Jahre besteht und der so viel Gutes für die Öffentlichkeit tut, der muss auch Zeit für solche Veränderungen haben. Was fehlt also noch für die Aufnahme von Frauen?
Es ist notwendig, dass die Mehrheit der Mitglieder der Meinung ist, dass Frauen aufgenommen werden sollen. Das ist aber, auch nach der intensiven Diskussion im vergangenen Jahr, noch nicht so weit. Wie schwierig war es, die Statuten zu verändern?
Sehr schwierig. Würde jetzt TU-Rektorin Sabine Seidler Mitglied werden wollen, wie wäre Ihre Reaktion?
Ich persönlich würde das nicht auf halten. Wir sind aber ein demokratischer Verein und das würde, glaube ich, noch nicht funktionieren. Frau Seidler wäre meiner Meinung nach eine sehr adäquate erste Frau für den Techniker Cercle. Sie müssen das alles aber als langsamen Generationenwandel sehen. Das Präsidium entscheidet eine Mitgliedschaft – gibt es massive Gegenstimmen von den Mitgliedern, ist das vom Präsidium zu berücksichtigen. Ich fasse zusammen: Die Statuten sind geändert, Frauen könnten theoretisch Mitglieder werden, die Realität ist aber noch nicht so weit.
So kann man das sagen. Wie hat man die Causa intern diskutiert?
Intern war das unglück- lich, weil viele der älteren Kollegen gesagt haben: jetzt erst recht ohne Frauen. Eine Meinung, die die Jungen nicht teilen. Innerhalb des Cercles ticken die Jungen also anders als die Älteren.
Das kann man so sagen. Hat die Diskussion im Vorjahr dem Cercle geschadet?
Wenn uns Politikerinnen als verstaubten Altherrenclub bezeichnen ist das sicher nicht positiv. Weil die Statuten mittlerweile schon geändert wurden: Fühlen Sie sich durch die ewige Diskussion unfair behandelt?
Ich habe mich deswegen unfair behandelt gefühlt, weil sich meine Berufsvertretung der Architekten nicht fair benommen hat. So geht man mit einem Ehrenpräsidenten nicht um. Aber mir persönlich ist das wurscht. Ich habe im Techniker Cercle viel in die Wege geleitet, der Verein ist jetzt ein anderer als vor sechs Jahren. Die anderen beiden Herren im Präsidium sind Anfang 40, sehr erfolgreich, die können wunderbar mit Damen zusammenarbeiten. Aus Ihrer Sicht: Welches Signal sendet der Verein mit der Ausschlusspolitik von Frauen?
Ich lasse dieses negative Signal nicht gelten. Bei den meisten Veranstaltungen, die wir machen, sind immer Frauen mit dabei. Was ist der Vorteil eines Männerclubs?
Aus meiner Sicht keiner. Es ist ein 140 Jahre alter Verein, der verdienstvoll für die Öffentlichkeit ist. Und ich glaube, dass sich das auch einmal ändern wird. Die nächsten fünf Jahre: wohin entwickelt sich der TC?
Der Cercle wird sich massiv weiterentwickeln. Das geht Schritt für Schritt. Aber das werde nicht mehr ich machen, sondern mein Nachfolger ab dem nächsten Jahr.