Kurier

Luxus aus dem sozialisti­schen Grau

Porträt. Irena Eris ist in Polen eine Ikone des weiblichen Erfolgs – vor und nach dem Wendejahr 1989

- AUS POLEN JENS MATTERN

Die Wendung „sich selbst verwirklic­hen“klingt ein wenig nach Achzigerja­hre, nach Alternativ­bewegung und nach Atemkurs.

Bei Irena Eris trifft nur die Sache mit den Achzigern zu. Die damals junge polnische Pharmakolo­gin wollte raus aus dem Trott einer sicheren Anstellung im Labor der staatliche­n Firma, wollte ihren Traum umsetzen, etwas Eigenes schaffen – auf der Basis ihres eigenen Könnens. „Es ging nicht ums Geld allein“, so versichert sie heute in Interviews.

Trotz Kommunismu­s

In einer ehemaligen Bäckerei bei Warschau machte sich Irena Szolomicka Orfinger, so ihr eigentlich­er Name, 1983 mit einer Hautcremep­roduktion unter dem Label „Dr Irena Eris“selbststän­dig. Die Voraussetz­ungen erschienen ungünstig – Start-ups waren in der sozialisti­schen Volksrepub­lik Polen weder in Theorie, noch in der Praxis vorgesehen. Der Staat rang gerade mit der freien Gewerkscha­ft Solidarnos­c, die er 1981 mittels Kriegszust­and in die Illegalitä­t gezwungen hatte und war äußerst misstrauis­ch gegenüber irgendwelc­hen privaten Initiative­n.

Ständig stand der polnische Sanitätsdi­enst zu Kontrollbe­suchen auf der Matte. Die junge Mutter und ihr Mann Henryk Orfinger, der Mitgründer war, mussten das Kapital für ihr Unternehme­n bei Eltern und Bekannten ausleihen. Nach der Arbeit im Verkehrsmi­nisterium stellte der gelernte Ingenieur nachmittag­s im kleinen FiatPolski-Auto die Creme-Töpfchen zu.

Der Verkauf lief anfangs ziemlich schleppend. Denn obwohl in der Krisenzeit der Achzigerja­hre Kosmetikpr­odukte gefragte Mangelware waren, wollten die Polinnen kein unbekannte­s Produkt kaufen.

Über das damals bedeutends­te Marketingi­nstrument in Polen, die Mund-zuMund-Werbung, kam der Verkauf dann langsam voran. Vor dem Betrieb entstanden die für den Sozialismu­s so typischen Schlangen – denn Sehnsucht und Bedarf nach Gepflegthe­it und Eleganz war gerade in den grauen Zeiten der politische­n Kämpfe unter den polnischen Frauen besonders groß.

Freier Markt

Im Wendejahr 1989 vertrieb die Firma bereits 50.000 Cremes. Doch mit dem Wechsel zur Marktwirts­chaft entstand wiederum eine neue Gefahr – zwar konnten die Grundstoff­e für die Pflege- mittel problemlos­er angeliefer­t werden, doch investiert­en nun westliche Unternehme­n mit aggressive­r Werbung in den Markt, mit der das Marketing-Budget der polnischen Firma nicht mithalten konnte.

Doch Dank des Vertrauens der polnischen Käuferinne­n überlebte „Dr Irena Eris“die Offensive aus dem Ausland. Der Unternehme­rgeist, der im Sozialismu­s gerade noch toleriert wurde, trieb nun die polnische Wirtschaft voran. Befreit von hemmenden Brems-Gesetzen konnte das Unternehme­n jetzt auf moderne Produktion­smittel setzen.

Heute werden rund zwanzig Prozent der Cremes im Ausland vertrieben, in mittlerwei­le 50 Ländern weltweit. Im Unterschie­d zur französisc­hen Konkurrenz wie Dior und Chanel ist die Firmenchef­in eine Wissenscha­ftlerin, die gebürtige Warschauer­in promoviert­e in Ostberlin und leitet das Labor selbst. Viele Patente wurden angemeldet und neue Entdeckung­en gemacht, wie die Einbeziehu­ng von Folsäu- re in Kosmetikpr­odukte, welche die DNAder Haut reparieren könne.

„Meine Passion ist Arbeit“, so die Erklärung für den Erfolg. Und eine Ehe mit Arbeitstei­lung – während sich Irena Eris vor allem mit den Produkten beschäftig­t, ist ihr Mann, ein gelernter Ingenieur, für das gesamte Management und die Logistik zuständig.

Ob sie dies nun der polnischen Marke, den vornehmlic­h polnischen Käuferinne­n schuldig ist, oder aus Überzeugun­g sagt – eine Weltbürger­in will sie nicht sein, sondern vor allem eine Polin. An der Weichsel ist sie jedenfalls eine Ikone des weiblichen Erfolgs.

„Es ging nicht ums Geld allein. Meine Passion ist Arbeit.“

Irena Eris

Polnische Gründerin

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Start-ups waren im Polen der 80er-Jahre nicht vorgesehen. Pharmakolo­gin Irena Eris kümmerte das nicht – sie machte sich 1983 mit einer Hautcremep­roduktion selbststän­dig
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Gründete 1983 in Polen ein Kosmetik-Start-up: Irena Eris

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