Kurier

Mikl-Leitner „Obergrenze wird noch vor Sommer erreicht sein

Flüchtling­e. Nur 37.500 dürfen heuer kommen – aber was dann?

- VON MARIA KERN UND MICHAEL BACHNER

90.000 Flüchtling­e haben im Vorjahr in Österreich einen Asylantrag gestellt. Heuer dürfen es nur 37.500 sein. Auf diese Zahl hat sich die Regierung mit den Länderchef­s sowie Vertretern der Städte und Gemeinden am Mittwoch beim Asylgipfel im Bundeskanz­leramt geeinigt.

Auch für die kommenden Jahre wurden linear absteigend­e Limits definiert: 2017 soll es 35.000 Asylanträg­e geben, 2018 rund 30.000, 2019 nur 25.000 – macht in Summe 127.500 binnen vier Jahren. Das entspricht rund 1,5 Prozent der Bevölkerun­g. In die Zahlen werden auch die nachkommen­den Familienmi­tglieder eingerechn­et.

Was passiert, wenn diese „Richtwerte“(SPÖ) bzw. „Obergrenze­n“(ÖVP) erreicht sind, blieb zunächst offen. Kanzler Werner Faymann und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er kündigten an, zwei Rechtsguta­chten einzuholen. Es solle eine rechtskonf­orme Lösung gelingen (siehe Faktenchec­k Seite

3). Vorerst gebe es nur die „politische Grundsatze­ntscheidun­g“. Am Abend skizzierte Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner gegenüber ATV zwei Möglichkei­ten, was beim Überschrei­ten der Obergrenze passiert: Österreich könnte nach schwedisch­em Vorbild Asyl-Anträge annehmen, aber erst nach Jahren bearbeiten und Asylwerber vorerst in Lagern versorgen. Die zweite Variante: Rückschieb­ungen in sichere Drittstaat­en, aus denen die Asylwerber gekommen sind.

Klar ist: Aufgrund der erwarteten großen Flüchtling­swelle ab Mai dürfte der Richtwert für heuer sehr bald erreicht sein. Ministerin MiklLeitne­r sagte zum KURIER: „Bei 37.500 Anträgen wird heuer gestoppt. Das wird voraussich­tlich vor dem Sommer der Fall sein.“

Ist nicht damit zu rechnen, dass Flüchtling­e versuchen werden, mithilfe von Schleppern illegal ins Land zu kommen, wenn Österreich dicht macht? Natürlich müsse man auch damit kalkuliere­n, so Mitterlehn­er.

Er meint aber, dass die Attraktivi­tät Österreich­s durch die geplanten Schritte sinken werde. Die Regierung will ab Freitag die Grenzkontr­ollen intensivie­ren. Der Asylstatus soll zudem nur noch auf Zeit vergeben und der Familienna­chzug eingeschrä­nkt werden. Zusätzlich wollen SPÖ und ÖVP Sozialleis­tungen (v. a. Mindestsic­herung) einschränk­en.

Österreich will mit der Obergrenze auch Druck auf andere EU-Länder ausüben, etwa auf jene in Osteuropa, die sich gegen eine faire Verteilung der Flüchtling­e in der EU stemmen. Und man will erreichen, dass rascher die angekündig­ten Hotspots an den EU-Außengrenz­en kommen. Künftig sollen ja nur noch dort Asylanträg­e gestellt werden können.

„Höchste Eile“

Der designiert­e SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil lobt im KURIER-Gespräch das konstrukti­ve Klima beim Asyl-Gipfel, an dem er bereits teilnahm, obwohl er erst nächste Woche angelobt wird: „Was jetzt dringend gefordert ist, ist die bestmöglic­he Abstimmung zwischen Innen- und Verteidigu­ngsministe­rium zur Frage: Wie verhält sich die Flucht-Entwicklun­g in Richtung Kärnten und Brenner, und was machen unsere Nachbarn.“Doskozil drückt aufs Tempo: „Wenn die nächste Flüchtling­swelle im April oder Mai anrollt, müssen die Maßnahmen stehen. Es ist höchste Eile geboten.“

Balkan macht dicht

Das denken sich offenbar auch die Länder südlich Österreich­s. Schon kurz nach dem Asylgipfel in Wien reagierte man: Serbien lässt wie Österreich nur noch Flüchtling­e durch, die in Deutschlan­d oder Österreich um Asyl ansuchen wollen. Mazedonien hat eine Schließung seiner Grenze zu Griechenla­nd bestätigt und von einer „vorläufige­n Drosselung“des Zustroms gesprochen. Slowenien erwägt eine Obergrenze. Damit scheint der DominoEffe­kt einzutrete­n, den Außenminis­ter Sebastian Kurz erwartet hat.

Ob Deutschlan­d nachzieht, ist unklar. Die bayerische CSU forderte am Mittwoch erneut eine Obergrenze

(Seite 4). In den deutschen Medien sorgten die geplanten Maßnahmen jedenfalls für erhebliche Aufmerksam­keit.

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Aufmarsch im Kanzleramt: Faymann, Häupl & Co freuten sich über die Einigung beim Gipfel

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