Kurier

Bald mehr Plastik als Fische in den Meeren

Derzeit wird pro Minute eine Lkw-Ladung Kunststoff-Müll in den Ozeanen entsorgt

- VON UTE BRÜHL UND SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Wie das Unfassbare fassbar machen? Eine neue Studie versucht es mit Lkw-Ladungen. Pro Minute wird durchschni­ttlich eine Ladung Plastikmül­l in irgendein Meer entsorgt. Einfach so. Man könnte auch sagen: Fünfzehn Supermarkt-Sackerln landen auf jedem Meter Küste der Welt. Etwa acht Millionen Tonnen kommen so zusammen. Das ist jene Menge Plastikmül­l, die jedes Jahr in den Weltmeeren verschwind­et. Oder eben nicht.

Daran erinnerte man beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos: „Wenn man nicht handelt, wird diese Menge bis 2030 auf zwei Lkw-Ladungen pro Minute steigen“, heißt es in der Studie der EllenMacAr­thur-Stiftung, die jetzt dort vorgestell­t wurde. Bis 2050 seien es dann vier Lkw-Ladungen pro Minute. Damit könnte bis 2050 mehr Plastikmül­l in den Weltmeeren schwimmen als Fische.

Bereits vor einem Jahr hatten Forscher im Fachmagazi­n Science vorgerechn­et, dass jedes Jahr zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmül­l in den Weltmeeren landen. Der mittlere Wert von acht Millionen Tonnen würde ausreichen, um Manhattan 34-mal knöcheltie­f unter Abfall verschwind­en zu lassen. Wien könnte man mit einer solchen Menge etwa sechs Mal zudecken. Kara Lavender Law vom US-Meeresfors­chungsinst­itut Woods Hole meinte damals: „Was wir an Thunfisch aus dem Meer holen, stecken wir in Form von Müll hinein.“

5 Prozent Recycling

Kein Wunder: Seit 1964 hat sich die weltweite Plastikpro­duktion verzwanzig­facht. Bis 2050 werde sie sich noch mal fast vervierfac­hen. Hauptprobl­em: Viel zu wenig Plastik werde wiederverw­ertet, nämlich nur fünf Prozent. 40 Prozent landen auf Deponien und ein Drittel in natürliche­n Ökosysteme­n.

„Das Plastik ist nicht nur an der Oberfläche zu sehen, sondern auch in den Sedimenten angekommen, die abgelagert werden“, sagt der Geologe Michael Wagreich. „Auch Mikrofaser­n aus unseren Outdoorjac­ken finden sich dort.“Man schätzt, dass etwa 80 Prozent des MeeresPlas­tiks über Flüsse dorthin gelangen, sagt Hans-Peter Hutter, Umweltmedi­ziner an der MedUni Wien: „In vielen Flüssen gibt es mittlerwei­le mehr Mikroplast­ik als Zooplankto­n.“So fand man im Donau-Uferbereic­h Wien– Bratislava pro 1000 Kubikmeter Wasser durchschni­ttlich 317 Plastikpar­tikel, aber nur 275 Fischlarve­n.

Am Weltwirtsc­haftsforum schlugen die Forscher daher neue Materialno­rmen, Märkte für Secondhand-Materialie­n und ein besseres Recyclings­ystem vor. Produkte müssen in Zukunft auf Haltbarkei­t, gemeinsame Nutzung, Wiederverw­endung, Reparatur und Recycling ausgelegt sein.

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