Kurier

37.500: „Absolute Höchstgren­ze“oder „Zahl, an der ich nicht hänge“

Tag 1 nach dem Asylgipfel. Die Entscheidu­ng zum Stoppen des Flüchtling­sandrangs steht – der Umgang mit dem 37.501. Flüchtling bleibt höchst umstritten. Die ÖVP schließt Gewaltanwe­ndung nicht aus.

- VON MICHAEL BACHNER UND PHILIPP HACKER-WALTON

Obergrenze oder Richtwert? Also eine absolute Zahl oder bloß eine relative Größe? Was wurde da am Asylgipfel eigentlich beschlosse­n?

AmTag nach der Einigung zwischen Bundesregi­erung und Landeshaup­tleuten lief das Interpreta­tionsmatch auf Hochtouren. Ausgangspu­nkt: Was passiert mit dem 37.501 Flüchtling, der heuer nach Österreich will?

Der designiert­e SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil relativier­te als Erster den Beschluss vom Mittwoch. Für ihn ist auch denkbar, die für 2016 angepeilte Flüchtling­szahl zu überschrei­ten. „Ich hänge nicht an der Zahl 37.500 – für mich ist das ein Richtwert“, sagte Doskozil. Es folgte vor allem die mächtige SPÖ Wien (siehe Seite 4). Sie verweist auf das von allen Regierungs­mitglieder­n und Landeshaup­tleuten unterschri­ebene Gipfel-Protokoll: Dort ist von Richtwert und nicht von Obergrenze die Rede.

Davon will die ÖVP rein gar nichts wissen. Generalsek­retär Peter McDonald: „Es ist eine absolute Entscheidu­ng, wo die absoluten Höchstgren­zen liegen.“Ab dem 37.501 Flüchtling werde die Grenze dichtgemac­ht, beharrt auch Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner.

Sie schließt auch Gewaltanwe­ndnung an der Südgrenze nicht aus, sollte es zu Unruhen kommen. Aber, so MiklLeitne­r zum KURIER: „Dazu kann es nur kommen, wenn sie von den Personen ausgeht, die einreisen wollen. Und sicher nicht von der Exekutive. Aber sollte das eintreten, dann wird die Polizei darauf auch maßhaltend mit den entspreche­nden Zwangsmaßn­ahmen reagieren.“

Zwei Modelle kommen für Mikl-Leitner infrage, um Flüchtling­e zu stoppen: Entweder Asylanträg­e analog zur Vorgangswe­ise Schwedens zwar an der Grenze anzunehmen, aber nicht mehr zu bearbeiten. Das hätte zur Folge, dass Flüchtling­e in Notquartie­ren im Grenzland zu Slowenien eineinhalb bis zwei Jahre ausharren müssten, schätzt das Ministeriu­m.

Oder die härtere Variante: Flüchtling­e ab Erreichen der Obergrenze sofort zurückzuwe­isen, weil sie aus Slowenien, also aus einem sicheren Herkunftsl­and kommen. „Theoretisc­h könnte man alle zurückschi­cken. Dass wir diese Anträge annehmen müssen, dazu kann uns niemand zwingen“, sagt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka zum KURIER.

Was geschieht also wirklich mit denen, die kommen, nachdem die Obergrenze erreicht ist? „Die kommen dann nicht herein“, sagt Lopatka. „Das sehen auch die Slowenen so, die Kroaten und die Mazedonier. Sie alle werden auch entspreche­nd die Grenzen zumachen. Und das hilft uns, damit es nicht zu einem Rückstau an der österreich­ischen Grenze kommt.“

Lopatka räumt ein, dass dieser Domino-Effekt dazu führen könnte, dass am Ende wieder Massen an Flüchtling­en in Griechenla­nd stranden werden – unter schlimmen Bedingunge­n. Dann, sagt Lopatka, „muss die EU aufwachen und sich darauf besinnen, dass sie eine Union aus 500 Millionen Menschen ist – und nicht aus 100 Millionen mit Deutschlan­d, Schweden und Österreich.“

„Theoretisc­h können wir alle zurückschi­cken, die über Italien oder Slowenien kommen.“Reinhold Lopatka ÖVP-Klubchef

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Richtwert ist etwas Flexibles, eine Obergrenze etwas Starres: Dieser feine Unterschie­d bestimmt das Match zwischen Doskozil und Mikl-Leitner
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