„Die Euphorie ist verloren gegangen“
Asyl. Immer weniger Menschen bieten Flüchtlingen Wohnraum an. Auch an der Grenze haben sie es schwerer
Für Flüchtlinge wird es immer schwieriger, nach Österreich zu kommen. Am Grenzübergang Spielfeld ging am Mittwoch das sogenannte Grenzmanagement in Vollbetrieb. 500 Geflüchtete kamen seitdem in Spielfeld an. Sie wurden durchsucht und registriert. Wer nicht Deutschland oder Österreich als Zielland angibt, wird abgewiesen.
Aber auch in Österreich wird die Situation für Flüchtlinge schwieriger – etwa beim Thema Wohnraum. Denn seit Weihnachten gehen auch die Angebote an privatem Wohnraum stark zurück.
„Im August, September und Oktober haben wir wie wild vermittelt“, sagt Birgit Koller, Leiterin der Wohnberatung im Flüchtlingsdienst der Diakonie. Damals gingen täglich zwischen 15 und 20 Angebote von Privatpersonen ein, Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Aktuell sind es zwei oder drei pro Tag. „Die Angebote sind wahnsinnig stark zurückgegangen“, sagt Koller. Über die Weihnachtsfeiertage war die Wohnberatung geschlossen, mittlerweile ist sie wieder geöffnet. Binnen einer Woche waren 300 Personen auf der Warteliste.
Zu viel Platz
Klaus und Marianne Brenn aus Hadersdorf-Weidlingau in Wien-Penzing haben im August drei syrische Flüchtlinge aufgenommen. „Wir haben drei Kinder und im vergangenen Frühjahr ist unsere jüngste Tochter als Letzte ausgezogen“, erzählt Marianne Brenn. Seitdem war im Haus viel Platz. „Also haben wir bei der Diakonie angerufen und das frei gewordene Erdgeschoß zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten“, sagt Brenn. An einem Donnerstag im August waren sie zum Kennenlernen bei der Diakonie, am Samstag darauf sind Hiba (29), Ahmad (24) und Bader (31) bei den Brenns eingezogen. Seitdem wird ein Mal in der Woche gemeinsam gekocht und gegessen, die Kinder der Brenns nehmen Hiba, Ahmad und Bader mit zu Partys. Die Integration ist mittlerweile so weit vorangeschritten, dass die drei Syrer sogar schon Bauernschnapsen können. Das Beispiel von Familie Brenn zeigt, wie gut es funktionieren kann, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen.
Trotzdem gehen die Angebote von privatem Wohnraum zurück. Die Caritas Wien etwa verzeichnete von Juli bis November 403 Angebote, Flüchtlinge privat aufzunehmen. Im Dezember waren es 39 und seit 1. Jänner 20. Bei der Plattform „Flüchtlinge Willkommen“hat sich die Anzahl der Angebote halbiert: Während sich im August, September und Oktober noch in Wien pro Monat 120 bis 130 Menschen angeboten haben, einen Flüchtling aufzunehmen, sind es jetzt umdie 60. „Wir hoffen, dass zu Semesterende wieder mehr Angebote von Studenten kommen“, sagt David Zistl von „Flüchtlinge Willkommen“.
Quartiere gesucht
Die Stadt Wien hat über Weihnachten Inserate in Tageszeitungen und Magazinen im Wert von 200.000 Euro geschaltet, um die private Wohnraumvermittlung anzukurbeln. Seit 15. Dezember läuft die Kampagne, bis jetzt wurden 80 Angebote gemeldet. Mindestens 5000 solcher Plätze brauche die Stadt aber, erklärte Bürgermeister Michael Häupl im KURIER. War es das also mit der grenzenlosen Willkommenskultur? „Die Euphorie von da- mals ist schon ein bisschen verloren gegangen“, sagt Birgit Koller von der Diakonie. Hinzu komme, dass wohl jene Menschen, die ganz selbstverständlich Schutzsuchenden ein Zuhause geben wollten, bereits jemanden aufgenommen haben. „Viele glauben wohl auch, dass der Bedarf an Wohnraum nicht mehr gegeben ist“, meint Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien. Dabei werden fixe Quartiere für Flüchtlinge nach wie vor dringend gesucht (
So sind allein in den Notquartieren in Wien 5000 Geflüchtete untergebracht, es gibt zu wenige Grundversorgungsplätze und zu wenige fixe Unterkünfte.
Für Marianne und Klaus Brenn aus Wien war die Entscheidung, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, jedenfalls die richtige: „Wir haben jetzt sozusagen drei Kinder dazubekommen“, scherzt Klaus Brenn.