Maria Vassilakou: „Jetzt ist die SPÖ leider eingeknickt“
Interview. Die grüne Vizebürgermeisterin zur Haltung der SPÖ in der Flüchtlingsfrage und den geplanten Verkehrsprojekten in den Bezirken.
Statt nur innerhalb des Gürtels will Maria Vassilakou in den Außenbezirken investieren. KURIER: Die SPÖ hat einer Obergrenze bei Flüchtlingen zugestimmt. Auch Bürgermeister Michael Häupl hat mitverhandelt. Wie sehr belastet das das rotgrüne Koalitionsklima? Maria Vassilakou: Beruhigend ist, dass inzwischen SPÖ-Regierungskollegen klar ge- macht haben, dass Obergrenzen aus Wiener Sicht nicht infrage kommen. Sprich: Wien wird Menschen, die Schutz suchen, aufnehmen und bestmöglich integrieren. Wien stellt sich dieser Herausforderung – im Gegensatz zur Bundesregierung. Sie hat mit dem Asylgipfel Beschlüsse gefasst, die rechtswidrig sind und der Bevölkerung Obergrenzen vorgaukeln, die niemals halten werden. Und die Kommunen, die Flüchtlinge betreuen, werden im Stich gelassen. Aber ist die SPÖ in dieser Frage noch ein verlässlicher Partner?
Die Wiener SPÖ tut sich mit ihrer eigenen Bundespartei schwer. Wie sie jetzt versuchen wird, diesen Spagat in der Öffentlichkeit zu vollziehen, ist ihre Sache. Häupl hat zuletzt betont, dass man nicht allen helfen könne. Können Sie diesen Schwenk mittragen?
Ich halte dem Bürgermeister
zugute, dass er versucht hat, die Stellung zu halten. Jetzt ist die SPÖ in dieser Frage leider eingeknickt. Häupl hat bis auf Wien und einigen anderen Ausnahmen wenig Unterstützung aus der SPÖ erfahren. Er ist zudem im Bund mit einer ÖVP konfrontiert, die ihre Aufgabe nicht wahrnehmen will und stattdessen Handeln simuliert, indem sie nicht umsetzbare Obergrenzen fordert und eine Spaltung der Gesellschaft in Kauf nimmt. Themenwechsel: Noch im November haben Sie verkündet, der Lobautunnel sei de facto abgesagt. Häupl und die Asfinag sehen allerdings keine Alternative zum Tunnel. Wie wollen Sie ihn noch verhindern?
Die Haltung der Grünen bleibt unverändert: Ein Autobahn-Tunnel durch einen Nationalpark kann nicht umweltverträglich sein. Aber es gibt in erster Instanz einen positiven UVP-Bescheid.
Trotzdem gilt das. Wir haben hier einen Nationalpark, der unter der höchsten Umweltschutz-Kategorie fällt. Zudem ist der Tunnel sündteuer und seine verkehrsentlastende Wirkung für Wien hochgradig fragwürdig. Es ist daher ein großer Erfolg, dass wir im Regierungsprogramm vereinbart haben, dass wir gemeinsam Alternativen prüfen. Der Rest ist Überzeugungsarbeit. Stellt diese Position nicht den Sinn von UVP-Entscheiden in Frage?
Der gesunde Menschenverstand lässt erkennen, dass ein Autotunnel unter einem Nationalpark eine Beeinträchtigung ist. Deshalb muss man nicht Institutionen infrage stellen. Rot-Grün hat vereinbart, dass bis 2020 jeder Bezirkskern eine Verkehrsberuhigungszone bekommen soll. Viele Bezirke sind skeptisch. Wie wollen Sie dieses Vorhaben durchsetzen?
Das ist nicht korrekt. Es ist eine Vision im Regierungsprogramm, im Wissen, dass die nicht innerhalb von fünf Jahren vollendet werden kann. Denn würden alle 23 Bezirke gleichzeitig eine Umgestaltung haben wollen, könnten wir uns das gar nicht leisten. Aber im Regierungsprogramm ist das so formuliert.
Ist es nicht. Es ist als Ziel formuliert. Wir werden mit den Bezirken zusammenarbeiten, die das wünschen. Aktuell gibt es mehr als ausreichend Wünsche von den Bezirken – etwa die Neugestaltung der Währinger Straße. Welche Projekte gibt es noch?
Ich will, dass einige der Mittel in die Peripherie f ließen. Denn in den vergangenen fünf Jahren haben wir mit der Mariahilfer Straße und der Wiental-Terrasse vor allem innerhalb des Gürtels investiert. Jetzt sollen auch Außenbezirke zum Zug kommen. Apropos Wiental-Terrasse: Die winterliche Sperre sorgt für Häme.
Es war von Anfang an klar, dass sie bei Eis und Schnee gesperrt werden muss. Wir arbeiten an einer Lösung, dass sie an sonnigen Wintertagen geöffnet ist. Sie soll bis zur nächsten Saison stehen. Ich bin ja auch für die Öffnung von Schanigärten an schönen Tagen im Winter. Im Juli 2015 hat die Stadt Wien die Vergabekriterien für geförderte Wohnungen bzw. Gemeindewohnungen auf neue Beine gestellt. Kernstück ist der eingeführte „Wien-Bonus“, der eingesessene Wiener gegenüber Zuzüglern insofern bevorzugt, als man in der Warteliste vorgereiht wird. Nach ersten Auswertungen profitieren knapp 80 Prozent der Wohnungssuchenden davon.
Konkret wurden seit Juli bis Ende Dezember 2015 bereits 5153 Wohnungen nach dem neuen System vergeben. In 3993 Fällen durften sich die Antragsteller über kürzere Wartezeiten freuen, zog Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) am Donnerstag in einer Pressekonferenz Bilanz. Die Vorreihung orien- tiert sich nach der Anzahl der Jahre, die man bereits in Wien hauptgemeldet ist. Fünf Jahre verkürzen die Wartezeit um drei Monate, zehn Jahre um sechs Monate und 15 Jahre oder mehr um neun Monate.
Aber auch die Wohnberatung wurde gebündelt. Bis Ende 2014 wurden die Gemeindebauwohnungen und die geförderten Wohnungen getrennt voneinander vergeben. 79.300 Personen haben im ersten Jahr ihres Bestehens die neue Wiener Wohnberatung in der Guglgasse 7-9 in Landstraße besucht, um sich über das Wohnungsangebot in der Stadt zu informieren. 30.700 nahmen eine individuelle Beratung in Anspruch, 48.600 erkundigten sich allgemein am Info-Schalter.