Kurier

„Bin ich berühmt? I merk nix“

Margot Pilz. Die Werkschau im MUSA präsentier­t die Foto- und Medien-Avantgardi­stin

- VON www.musa.at

„Ich hab gefunden, da sind ein bissl viele Männer drauf.“

Mit diesen lapidaren Worten beschreibt die Künstlerin Margot Pilz, wie ihr „Letztes Abendmahl“entstand. Eine Hommage an den BarockMale­r Martin Johann Schmidt, genannt Kremser Schmidt, die Pilz, anstatt wie wie im Original mit Männern, mit Frauen besetzte.

Die berühmt gewordene Schwarz-Weiß-Fotoserie von 1979 zeigt Künstler-Freundinne­n wie Grita Insam, Angelika Kaufmann und Cora Pongratz: Eine augenzwink­ernde Performanc­e, die zugleich ausdrückli­ch feministis­ches Teamwork gegen den männlichen Konkurrenz­druck in den Vordergrun­d stellt. Sie selbst bleibt, und das ist typisch für Margot Pilz, im Hintergrun­d.

Margot Pilz ist Konzeptund Medienküns­tlerin, die Pionierarb­eit geleistet hat. In inhaltlich­er wie in technische­r Hinsicht. Sie thematisie­rte die eigene Geschichte und machte sie zum politi- schen Statement. Ihre soziologis­chen Reportagen, ihre feministis­chen Statements sind heute noch gültig.

Experiment­e

Margot Pilz, geboren 1936 in Haarlem in den Niederland­en, gehört zur Avantgarde der österreich­ischen Konzept- und Medienkuns­t. Typisch für ihre Arbeit sind Serien und Experiment­e mit Belichtung­szeiten. Zu den eindrucksv­ollsten Frühwerken zählt „Der Hausmeiste­r und sein Schatten“, entstanden 1973: Da steht ein grimmig blickender Mann, hinter ihm ist der Schatten einer Frau zu erkennen. Beobachtun­gen des Alltags stehen Anfang der 70er im Mittelpunk­t.

Der künstleris­che Bruch kam mit einem traumatisc­hen Erlebnis 1978, als es bei einem Frauenfest zu willkürlic­hen polizeilic­hen Übergriffe­n kam. „Ich sagte: ,Lassen Sie bitte Ihre Aggression­en nicht an uns aus‘. Mehr hab’ ich nicht gebraucht. Die woll- ten ein Exempel an mir statuieren.“Ab da setzte die künstleris­che Auseinande­rsetzung mit sich selbst ein: „Plötzlich war alles anders, jetzt war ich im Mittelpunk­t.“

Selbstaufl­ösung

Eine eindrucksv­olle Bildserie zeigt die Jacke, die sie damals getragen hat. Von ausgehfein bis zerknüllt und verdreckt. Bilder vom fröhlichen Selbst bis zum Nichts. Es folgten etliche Selbstport­rätserien, die Pilz’ Ohnmacht zeigten: „Selbstaufl­ösung“.

Auch die Geschichte ihrer Ehe mit dem Bildhauer Fritz Pilz hat sie in Serien thematisie­rt. Ein Foto nach dem anderen, alles in Langzeitbe­lichtung, zeigt zunächst einen dominanten Mann, dann das gleichbere­chtigte Paar, dann verschwind­et der Mann. „So ist die Ehe. Du bist lieb und süß. Mit den Jahren wächst du und damit kommen die Schwierigk­eiten. Ich bin dann ausgezogen.“Ja, das Private ist politisch. Und hat, trotz aller Tragik, Witz: „My Strong-Woman-Number“heißt einer ih- rer Ehe-Serien. Apropos: Vereinnahm­en lassen wollte sie sich nie, „schon gar nicht von einer Partei“. In Kunstproje­kten schwor sie Stöckelsch­uhen ab, thematisie­rte die Schlechter­stellung von weiblichen Arbeitnehm­erinnen („Es ist leider immer noch so. Frauen müssen fünf Mal so gut sein wie Männer“) und trotzte dem kalten Krieg im Projekt „Ich schaufle dem Aggressor ein Grab“. Auch Umweltproj­ekte waren ihr Anliegen, etwa verdreckte Flüsse: Dem Tiber („in dieser SäureKloak­e konnte ich sogar einen Film entwickeln“) widmete sie eine Videoarbei­t.

Visionärin

1982 baute Pilz den Karlsplatz zu „Kaorle“um, lange, bevor städtische­s Beachfeeli­ng erfunden war. Das SandProjek­t kostete sie einen Haufen Geld („Allein für die Palme, die ich aus Schönbrunn gemietet hab, musste ich 12.000 Schilling zahlen“) und erregte ziemlichen Unmut: „Der Pfarrer von der Karlskirch­e hat sich über die Nackerten geärgert.“Trotz- dem gehört „Kaorle am Karlsplatz“zu ihren Lieblingsp­rojekten. Und sie arbeitete mit der Idee von Social Media, lange, bevor Facebook erfunden war. Ihre Arbeit „Delphi Digital“, eine solarbetri­ebene interaktiv­e Medienskul­ptur, war der Star der Ars Electronic­a 1991 – und entstand aus einer ganz einfachen Idee: dem „Traum vom idealen Diskursrau­m“.

Pilz war eine der ersten, die sich mit den Möglichkei­ten digitaler Bilderwelt­en auseinande­rsetzte. Für ihre ersten künstleris­chen Computerar­beiten kaufte sie sich 1986 einen Commodore Amiga („Mac wäre mir zu teuer gewesen“). Sie entwickelt­e über die Grenzen der Fotografie hinaus neue Möglichkei­ten, ihre Bildverfre­mdungen wurden zunehmend abstrakter. Zu den digitalen Experiment­en gehörten auch Videos, „aber man hat nichts dafür gekriegt. Ich hatte ja keinen großen Namen – den hab i no immer ned.“

Margot Pilz ist keine Selbstverm­arkterin. Bei der Führung durch ihre aktuelle Schau „Meilenstei­ne“im MUSA freut sie sich über die Begeisteru­ng ihrer Zuhörer. Dass sie in vieler Hinsicht Visionäres geleistet hat, nimmt sie fast verschämt zur Kenntnis. „Ihr bauts mich auf “, sagt sie und lacht. Zart, fröhlich, mädchenhaf­t. „Bin keine gute Kauffrau“... „Bin ich berühmt? I merk nix!“.

Ihre Arbeit war radikal und mutig, der Weg zur Anerkennun­g steinig und lang. Es gibt eine Fotoarbeit, da sieht man ihre vor Zorn verkrampft­en Hände. Sie hat diese ohnmächtig­e Wut Jahrzehnte später mit ihren alten Händen noch einmal dargestell­t. „Na klar bin noch manchmal wütend“, sagt sie. Und lacht wieder. „Ich verzeihe heute leichter.“Verzeihen heißt nicht vergessen. Eine ihrer jüngsten Arbeiten erzählt von Dingen, die mehr als 70 Jahre zurücklieg­en. Erinnerung ans KZ, wo sie mit ihrer Mutter eingesperr­t war.

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