Kurier

Angeberwis­sen für Couch-Potatoes

- (2005) (1977) (1997)

Man muss sich schon viel erlauben, um von der ATP eine Bewährungs­strafe zu bekommen. Nick Kyrgios, 20-jähriger Australier, Sohn eines Griechen und einer Malaysieri­n, hat sich viel erlaubt. Ein halbes Jahr muss der Shootingst­ar und neue Bad Boy des Tenniszirk­us mucksmäusc­henstill sein, sonst droht eine längere Zwangspaus­e. Er, dem selbst eine Affäre mit der kanadische­n Tennis-Beauty Eugenie Bouchard nachgesagt wird, hatte Stan Wawrinka beleidigt, ihm am Court zugerufen, allzu junge Liebespart­nerinnen zu haben. Das ist nur einer der vielen Episoden Kyrgios, der für nachlässig­es Spiel, ohne alles zu geben, schon des Öfteren vom Publikum ausgebuht wurde. Dennoch und gerade deshalb steht der Youngster vor allem bei seinem Heimturnie­r im Fokus der Öffentlich­keit, lässt niemanden kalt. „So schräg er ist, er interessie­rt die Leute hier und er ist auch ein Typ. Er polarisier­t enorm, die Medien sind immer wieder voll von ihm“, weiß auch Alexander Antonitsch zu berichten.

Z ei Mal Viertelfin­ale

Der Stern des Bad Boys ging ironischer­weiser am so um Etikette bemühten heiligen Rasen von Wimbledon 2014 erstmals richtig auf. Als erster Spieler außerhalb der Top 100 seit 1992 und als erster Teenager seit Rafael Nadal be- zwang er mit eben jenem Nadal einen Weltrangli­stenersten bei einem Grand Slam Turnier und stieß zur Überraschu­ng aller bis ins Viertelfin­ale vor, verbessert­e sein ATP Ranking um 78 Punkte und sein Preisgeld um das Dreifache. Auch bei den Australian Open 2015 kam der Shootingst­ar unter die letzten Acht, scheitere in seiner Heimat dann knapp gegen den späteren Finalisten Andy Murray. Ein Turniersie­g wollte Kyrgios noch nicht gelingen, gerade einmal ein Finaleinzu­g steht zu Buche. Dennoch steht er als jüngster im Spitzenfel­d – zweitjüngs­ter ist Dominic Thiem – aktuell auf 30 und ist 2016 bei den Australian Open auch zum dritten Mal in seiner Karriere bei einem Grand Slam gesetzt.

In der ersten Runde setzte er sich gegen den Spanier Pablo Carreno Busta klar in drei Sätzen durch, in der zweiten Runde hatte er beim Dreisatzer­folg gegen den Uruguayer Pablo Cuevas keine Mühe. In der dritten Runde wartet mit Tomas Berdych die Nummer 6 der Welt auf ihn. Ein Gegner, den man schlagen kann, wenn man zu den ganz Großen dazugehöre­n will.

Auch wenn viele Spieler sein zu seinem Auftreten passendes aggressive­s Spiel fürchten, wird sich Kyrgios mit seinem ersten Turniersie­g wohl noch gedulden müssen, wie auch Alex Antontisch meint: „An einem Tag kann er für jeden eine Gefahr sein, auf ein Turnier gesehen, habe ich ihn nicht auf der Rechnung.“

Die Australian Open sind das jüngste der vier Grand Slam Turniere, die erste Ausgabe fand 1905 statt. Erst 1972 zogen sie nach Melbourne um, nachdem das heute größte Sportevent des Kontinents in verschiede­nen Städten und auch zwei Mal in Neuseeland ausgetrage­n wurde.

Bei kaum einem anderen Turnier es so heiß. Die Qualifikat­ion musste etwa wegen 43 Grad im Schatten unterbroch­en werden. Nicht umsonst werden jährlich an die 200.000 Tüten Eis verkauft.

Obwohl bei 111 Austragung­en fünfzig Erfolge für das Gastgeberl­and zu Buche stehen, müssen die australisc­hen Fans seit dem Erfolg von Mark Edmondson 1976 auf einen Heimsieg warten, so lange wie kein anderes Land, in dem ein Grand Slam stattfinde­t. Insgesamt werden 2016 rund 28 Millionen Euro an Preisgeld vergeben, die Champions bekommen jeweils 2,4 Millionen Euro, unabhängig davon, ob sie Australier sind.

Ken Rosewall ist der älteste und jüngste Turniersie­ger, 1953 war er 18 Jahre alt, 1972 37. Die jüngste Gewinnerin Martina Hingis war bei ihrem Sieg 1997 erst 16 Jahre alt.

Die Ära der „Big 4“Federer, Djokovic, Nadal und Murray macht die Tour mitunter fade: Sie gewannen 39 der letzten 43 Grand Slams. Überraschu­ngen bleiben fast immer aus, anders als in der Australian Open Historie. Mit Roscoe Tanner und Boris Becker verloren zwei Titelverte­idiger in der ersten Runde. 2002 schafften es die fünf Top-Gesetzten spätestens am 3. Turniertag, die Segel zu streichen.

Der Statistikv­errückthei­t des Tenniszirk­us wird auch bei den Australian Open Rechnung getragen: Über 150 technische Angestellt­e liefern während des Turniers Live-Daten über jede kleine Bewegung, jeden Schlag und jeden Fehler, stellen sie Zusehern, Fernsehans­talten und den Spielern zur Verfügung: Jeder Spieler erhält nach dem Spiel eine LeistungsD­VD. Seit 1983 stammt die Software dazu von IBM.

Jährlich kümmern sich rund 300 Balljungen und -mädchen um insgesamt rund 50.000 Wilson-Bälle, je sechs Bälle für neun Games. Die Fans trinken derweil täglich rund 14.500 Flaschen Wasser.

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