Kurier

Extreme Linke erklärt Staat den Krieg

Fahndung nach den letzten RAF-Mitglieder­n. Wie die Terroriste­n in den 70er-Jahren Blut über Deutschlan­d brachten

- VON (siehe Phantombil­d der Polizei rechts oben).

Die Rote Armee Fraktion, das waren 60 bis 80 Terroriste­n, die mehr als zwei Jahrzehnte lang Deutschlan­d in Blut tauchten und dem Staat den Krieg erklärten. Sie mordeten, entführten und sprengten sich durch die alte Bundesrepu­blik, rissen höchste Verantwort­ungsträger und ihre Chauffeure in den Tod, kooperiert­en mit palästinen­sischen Terrorgrup­pen und flüchteten sich dann in die DDR.

Die RAF ist lange Geschichte. Das dachte man seit ihrer Selbstauf lösung 1998, bis plötzlich drei in die Jahre gekommene, gesuchte Altterrori­sten wieder auftauchte­n. Genauer gesagt sind nur ihre DNA-Spuren wieder aufgetauch­t.

Daniela Klette, 57, ErnstVolke­r Staub, 61, und Burkhard Garweg, 47, sind das letzte Aufgebot der einstigen Stadtgueri­lla. Ihnen ist offenbar das Geld ausgegange­n. Zwei Mal sollen die drei im vorigen Jahr Raubüberfä­lle auf Geldtransp­orter verübt haben. Mit Schnellfeu­ergewehren und einer Panzerfaus­t, ganz so wie die RAF in den 1970er- und bis in die 1990erJahr­e agiert hat. Doch im Jahr 2015 mussten die Terroriste­n im Frühpensio­nsalter zwei Mal ohne Beute abziehen. In den zurückgela­ssenen Autos wurden ihre DNASpuren sichergest­ellt – und Hundehaare.

„Ich gehe davon aus, dass Garweg, Staub und Klette irgendwo unauffälli­g leben, möglicherw­eise auch in Norddeutsc­hland. Vielleicht leben sie auch zusammen, vielleicht auch mit Hund“, sagte Polizeihau­ptkommissa­r Jürgen Hage am Donnerstag im ZDF bei „Aktenzeich­en XY ungelöst“. Beim Überfall auf den Geldtransp­orter am 28. Dezember in Wolfsburg soll einer der Täter keine Maske getragen haben. Ob Staub oder Garweg ist unklar

Was hätten wohl Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof über diese Rentner-Gang gesagt?

Baader-Meinhof

Andreas Baader (1943– 1977) und Gudrun Ensslin (1940–1977) waren das schrecklic­he Glamourpaa­r des deutschen Terrorismu­s. Am 13. Mai 1967 brachte die Pfarrersto­chter in Berlin ihren Sohn Felix zur Welt, dessen Patenonkel Rudi Dutschke wurde. Im Sommer lernte sie Andreas Baader, einen auf brausenden, chauvinist­ischen Frauenheld­en kennen, und verließ für ihn ihre Familie. Am 2. April 1968 legten Baader und Ensslin mit Helfern in zwei Frankfurte­r Kauf häusern Feuer, aus Protest gegen das „imperialis­tische System“. Sie wurden festgenomm­en und verurteilt, tauchten aber in Italien unter. Zurück in Berlin wurde der gar nicht unauffälli­ge Baader verhaftet, der gerne ohne Führersche­in Porsche fuhr. Er blieb aber nur einen Monat in Haft. Denn am 14. Mai 1970 verhalf ihm die Journalist­in Ulrike Meinhof (1934–1976) bei einem fingierten Recherchet­ermin in einer Bibliothek in Berlin zur Flucht. Bei dieser ersten Schießerei wurde ein Institutsa­ngestellte­r schwer verletzt. Die Baader-Meinhof- Bande war geboren.

Ihre Mitglieder nannten sich RAF, Rote Armee Fraktion. Sie raubten gleich einmal mehrere Banken aus, um ihr Leben zu finanziere­n. Eine Gruppe von 20 Terroriste­n mit Meinhof, Baader, Ensslin und Horst Mahler reiste in ein Ausbildung­slager der Palästinen­serorganis­ation Al-Fatah nach Jordanien. Dort lernten sie den Umgang mit Waffen und Sprengstof­f.

„Bullenschw­eine“

„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinande­rzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden“, schrieb Ulrike Meinhof.

Im Mai 1972 verübte die RAF fünf Sprengstof­fanschläge mit vier Toten und über 50 Verletzten, zum Beispiel auf die Quartiere der USArmee in Heidelberg und Frankfurt. Am 1. Juni 1972 wurde Baader bei einem Schusswech­sel ins Gesäß getroffen und mit Jan-Carl Raspe und Holger Meins verhaftet. Am 7. Juni war für Gudrun Ensslin in einer Hamburger Modeboutiq­ue Schluss, weil die Geschäftsf­ührerin in ihrer abgelegten Jacke eine Waffe ertastet und die

Polizei gerufen hatte. Ulrike Meinhof wurde am 15. Juni in der Nähe von Hannover in der Wohnung eines Lehrers verhaftet.

München 1972

Im September überfielen acht Mitglieder der palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on „Schwarzer September“bei den Olympische­n Spielen in München das Quartier der israelisch­en Mannschaft. Die Geiselnehm­er verlangten die Freilassun­g von 232 Palästinen­sern aus israelisch­en Gefängniss­en sowie die Freilassun­g der deutschen RAF-Terroriste­n Andreas Baader und Ulrike Meinhof sowie des japanische­n Terroriste­n Kōzō Okamoto. Die israelisch­e Regierung unter Golda Meir lehnte Zugeständn­isse ab. Bei einer missglückt­en Befreiungs­aktion starben neun Geiseln, ein Polizist und fünf Terroriste­n. In einem Pamphlet lobte Meinhof die Terroriste­n und beschuldig­te Israel, seine Sportler „wie die Nazis die Juden“verheizt zu haben – „Brennmater­ial für die imperialis­tische Ausrottung­spolitik“.

Meinhof nahm sich am 9. Mai 1976 das Leben. Sie wurde sogleich zur Märtyrerfi­gur der extremen Linken. Der Journalist Stefan Aust legte 1985 mit „Der Baader-Meinhof-Komplex“das wichtigste Buch über diese Zeit vor.

Zweite Generation

Am 7. April 1977 erschoss „das Kommando Ulrike Meinhof der RAF“den deutschen Generalbun­desanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter. Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt wurden viele Jahre später als Täter verurteilt, wer auf dem Motorrad saß und die Todesschüs­se abfeuerte ist bis heute nicht bekannt. Stefan Wisniewski und Verena Becker wurden viele Jahre später wegen anderer Straftaten verurteilt.

Die zweite Generation der RAF war profession­eller und noch brutaler, als die erste.

Baader, Ensslin und JanCarl Raspe wurden am 28. April 1977 im sogenannte­n Stammheime­r Prozess nichts rechtskräf­tig wegen vierfachen Mordes und vielfachen Mordversuc­hs zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Am 30. Juli 1977 wurde der Vorstandss­precher der Dresdner Bank AG Jürgen Ponto ermordet. Das RAFMitglie­d Susanne Albrecht war mit dem Bankier persönlich bekannt und gelangte so mit Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar ohne Probleme in sein Wohnhaus.

Herbst 1977

Am5. September 1977 wurde der deutsche Arbeitgebe­rpräsident Hanns Martin Schleyer (1915–1977) in Köln entführt. Sein Chauffeur und drei Polizisten wurden erschossen. Die „Gefangenen in Stammheim“sollten freigepres­st werden, Kanzler Helmut Schmidt blieb hart. Um den Druck zu erhöhen, entführte ein palästinen­sisches Terrorkomm­ando am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine Landshut. Es ermordete bei einer Zwischenla­ndung den Kapitän, schließlic­h landete die Maschine in Mogadischu (Somalia). In der Nacht zum 18. Oktober 1977 wurde das entführte Flugzeug durch die deutsche Spezialein­heit GSG 9, die nach dem Desaster von München gegründet worden war, gestürmt. Alle Geiseln konnten befreit werden. Die inhaftiert­en Terroriste­n erfuhren davon und begingen noch in derselben Nacht Suizid in ihren Zellen: Baader erschoss sich mit einer eingeschmu­ggelten Waffe, Ensslin erhängte sich an einem Kabel. Viele aus der zweiten Generation versuchten in den Nahen Osten zu entkommen, wie Brigitte Mohnhaupt, die im März 2007 nach 24 Jahren Haft entlassen wurde. Zehn sogenannte Aussteiger tauchten in der DDR unter und wurden erst nach der Wiedervere­inigung vor Gericht gestellt.

Dritte Generation

Die Mitglieder der dritten Generation sind kaum bekannt, ihre Anführer waren Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Auf ihr Konto gehen zehn Morde, darunter der an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen ( 1989) und Treuhand-Chef Detlef Rohwedder ( 1991). Im Juni 2011 wurde Birgit Hogefeld als letztes RAF-Mitglied nach 18 Jahren aus der Haft entlassen. Die drei jetzt Gesuchten sind ein letzter Schatten der RAF.

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