Kurier

„Wir machen unsere Straßen sicherer“

Bürgerwehr. Seit Jahresbegi­nn formieren sich verstärkt Gruppen, die Bürger schützen wollen

- VON UND

Wenn die Dämmerung anbricht, starten Robert Scherzer und seine Kollegen ihre Rundgänge. In Zivil, ohne Taschenlam­pe, ohne Waffen. Manchmal geht die Gruppe auch erst um 22 Uhr oder nach Mitternach­t auf Streife.

Robert Scherzer ist Initiator der Aktion „Sicherheit 2344“– einer Bürgerwehr in Maria Enzersdorf in Niederöste­rreich. „Bürgerwehr“wollen die Aktivisten eigentlich nicht genannt werden: „Wir beobachten und melden. Bei uns gibt es kein Eingreifen – wir lehnen jegliche Form von Gewalt ab.“

Aufschrei

Anders ist das bei Bürgerwehr­en, die sich seit Jahresbegi­nn formiert haben. Nach den Übergriffe­n in der Silvestern­acht – in Köln, Salzburg oder Wien – ist der Aufschrei von besorgten Bürgern auf Facebook groß geworden. Bürgerwehr Wien/Wien-Umgebung: 3588 Likes; Bürgerwehr Mödling: 596 Likes; Bürgerwehr – mittlerwei­le in Nachbarsch­aftshilfe umgetauft – Südoststei­ermark: fast 800 Likes.

„Ich wohne schon mein Leben lang in Wien“, sagt der Initiator der Bürgerwehr Wien/Wien-Umgebung, Christian S.: „Ich merke, dass sich etwas verändert hat. Den Menschen ist das Sicherheit­sgefühl abhandenge­kommen.“Und genau das wolle man den Wienern zurückgebe­n. „Wir machen unsere Straßen sicherer. Wir versuchen den Leuten Selbstvert­rauen zu vermitteln – egal wo ihr seid, vielleicht ist ja ge- rade wer von uns da“, so der 50-jährige Floridsdor­fer Christian S. Vor allem Hotspots wie Bahnhöfe oder Randbezirk­e sollen zu Beginn besucht werden. Derzeit würde sich die Bürgerwehr noch in der Anfangspha­se befinden, die letzten Formalität­en für eine Vereinsgrü­ndung werden gerade erledigt.

Dennoch gehen Christian S. und seine Kollegen schon auf Wiens Straßen Streife. „Wir sind circa drei Mal in der Woche zwischen 22 und 1 Uhr unterwegs“, erklärt S., „zukünftig wollen wir das täglich schaffen.“Da- mit das möglich ist, sucht die Initiative Mitglieder. Auf Facebook wird die Bürgerwehr beworben. Aufgenomme­n wird aber nicht jeder, wie von der Initiative betont wird: „Wir distanzier­en uns von Ausländerf­eindlichke­it, Rechtsradi­kalismus und Gewalt. Wir wollen keine vorbestraf­ten Kriminelle­n oder Menschen, die ihre Aggression­en nicht zügeln können.“Die Regeln der Bürgerwehr müssten im Vorhinein unterzeich­net werden.

Gegebenenf­alls sollen die Mitglieder aber durchaus in Situatione­n eingreifen, wie es heißt. Wenn es um Körperverl­etzung geht, „haben wir das Recht, den Täter auf angemessen­e Art an der Flucht zu hindern“, wird auf der FacebookSe­ite betont. In erster Linie sollen die Mitglieder aber aufmerksam durch die Straßen gehen, präsent sein und die Polizei verständig­en.

Vorwürfe

Zu den Vorwürfen, eine rechte Organisati­on gegründet zu haben, meint der Familienva­ter: „Mir ist es egal, ob meine Frau von einem Inoder Ausländer begrapscht wird. Bei uns ist jeder willkommen: Wir möchten ein bunt zusammenge­würfelter Haufen sein, in dem viele Sprachen, Religionen, Länder und Kulturen vertreten sind.“

Bei der Polizei steht man den Bürgerwehr­en dennoch kritisch gegenüber. „Wir kennen dieses Phänomen und haben uns das angeschaut“, sagt Polizeispr­echer Thomas Keiblinger, „solange das nur auf Facebook ist, ist das ein Fantasieko­nstrukt. Wenn man dort 3000 Freunde hat, ist das wie 3000 Euro in Monopoly.“Verständig­en, beobachten und merken sei wichtig und ratsam, aber jegliches Eingreifen in Vorfälle sei gefährlich, wie Keiblinger erklärt. „Wenn jemand Ungeübter eingreift, könnte die Situation mehr eskalieren als notwendig“, schildert der Polizeispr­echer: „Erfahrungs­werte in praktische­r Ausübung hat nur ein Polizist, und mit dieser Aufgabe ist auch nur die Polizei betraut.“Aufmerksam durch die Straßen gehen sei laut Keiblinger zwar sinnvoll, aber dafür würde es keiner Bürgerwehr bedürfen.

Viele Menschen scheinen da anderer Meinung zu sein. Und auch Robert Scherzer, dessen Initiative es bereits seit 2004 gibt, hat seit Silvester einen Anstieg bei den Anfragen bemerkt. Die regelmäßig­en Rundgänge würden jedenfalls Früchte tragen: „Den letzten Vorfall gab es im Herbst 2015.“Damals bemerkte ein Mitglied einen verdächtig­en Kastenwage­n. Die Polizei fand im Inneren gestohlene Fahrräder.

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