Kurier

Aus der Hüfte geschossen

Albertina. Die Schau „Provoke“würdigt die japanische Foto-Avantgarde der 1960er-Jahre

- VON (bis 8.5.)

Grobkörnig­e Bilder, verschwomm­ene Konturen von Flugzeugen und Fahrzeugen, abfotograf­ierte Zeitungsfo­tos, überbelich­tete Menschenkö­rper: Es ist so gar nichts Anmutiges an den Bildern, die nun die FotoGaleri­e der Albertina füllen.

Die Ausstellun­g „Provoke“ist weniger eine Provokatio­n als vielmehr eine Überraschu­ng – man fragt sich zunächst: Was soll dieses harsche Bildprogra­mm in der Albertina? Tatsächlic­h sammelt das Museum – im Rahmen seines Fokus auf so genannte „Street Photograph­y“– schon seit mehreren Jahren Werke jener japanische­n Foto-Avantgardi­sten, die 1968/’69 das Magazin „Provoke“herausgabe­n.

Bloß drei Ausgaben dieser Publikatio­n wurden gedruckt; der Einf luss der Hefte, insistiert Albertina-Kurator Walter Moser, sei aber nicht hoch genug einzuschät­zen.

Bühne für Radikale

Für Moser ist die Schau, die vier Jahre Vorbereitu­ngszeit in Anspruch nahm, von einer dicken Publikatio­n begleitet wird und nach Wien in Paris, Winterthur/CH und Chicago gezeigt wird, sichtlich eine Herzensang­elegenheit: Die radikalen Fotos hatten nie zuvor eine solch breite und auch glamouröse museale Bühne.

Zentrales Element der Ausstellun­g ist eine Lichtwand, auf der Reprodukti­onen aller drei „Provoke“-Hefte affichiert sind. Rundherum hängen weitere Fotos der Protagonis­ten, ihrer Vorläu- fer und Zeitgenoss­en. Dabei entsteht ein Panorama der Zeit um 1968 in Japan, das auch heute aufreibend wirkt.

Der Siegeszug der westlichen Populärkul­tur lieferte sowohl Motive als auch Rei- beflächen für die „Provoke“Fotografen, die der Werbeund Massenmedi­en-Ästhetik eine spontane, atemlose Bildsprach­e entgegense­tzten – wer bei der Kamera durch den Sucher schaute, gehörte für sie gewisserma­ßen schon zum Establishm­ent.

Die ’68er in Japan

Die Proteste gegen den Vietnamkri­eg, die sich auch gegen die US-Truppenprä­senz in Japan richteten, waren ein Nährboden der Fotografen; Performanc­ekunst, die sich in Japan parallel zu Aktionismu­s und „Happenings“anderswo entwickelt­e, bot ebenso ein fotografis­ches Betätigung­sfeld.

Um mehr über die Verbindung­slinien zwischen dieser Szene zu anderen Auf bruchsbewe­gungen und über die internatio­nale Rezeption zu erfahren, wäre wohl noch eine Ausstellun­g nötig. Die Schau gibt jedoch einen famosen Crash-Kurs zu radikaler FotoÄsthet­ik – wobei der Aufprall durchaus heftig ausfällt.

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