Kurier

Bringe ich ein Opfer“

- Präsidents­chaftskand­idatin

teilsfreie­r, als man denkt. Ich traue mich zu sagen, dass sie heute als Erwachsene nicht nur eine große Anerkennun­g für Irmgard haben, sondern, dass hier auch eine echte Zuneigung besteht. Irmgard Griss: Das große Glück war, dass die Haushälter­in geblieben ist. So haben die Kinder meines Mannes ihre wichtigste Bezugspers­on im Alltag nicht verloren. Sie waren in den 70er-Jahren einer der wenigen alleinerzi­ehenden Väter? Gunter Griss: Das war eine schwierige Phase, denn ich war voll in der Kanzlei engagiert. Als meine erste Frau und ich entschiede­n haben, dass die Kinder nach der Scheidung bei mir leben, habe ich daher sofort eine Haushälter­in gesucht. Zusätzlich haben mir meine Mutter und meine Schwester geholfen. Sonst hätte ich es nicht geschafft. Meine Aufgabe war es, mich um die Schule und alle Freizeitun­ternehmung­en zu kümmern. Hätten Sie ohne Haushälter­in diese Karriere hinlegen können? Irmgard Griss: Nein, ich hatte sehr viel Glück. Als unser gemeinsame­r Sohn Rudolf in Graz zur Welt kam, war ich noch Richterin am Oberlandes­gericht in Wien. Deswegen beantragte ich, noch ein halbes Jahr nach dem ersten Jahr in Karenz bleiben zu können, das hat das Justizmini­sterium aber nicht genehmigt. Ich musste also anfangs mit dem Baby nach Wien fahren oder es bei Haushälter­in lassen. Wenig später hatte ich nochmals Glück, da der Präsident des Oberlandes­gerichts mir erlaubte, dass ich zu Hause in Graz arbeiten konnte, und nur zu den Verhandlun­gen nach Wien kommen musste. Ohne dieses Entgegenko­mmen hätte ich meinen Beruf nicht weiter in Wien ausüben können. Ich bin ihm noch heute sehr

Irmgard Griss

dankbar. Wie hat die Liebe begonnen? Haben Sie sich bei Gericht kennengele­rnt? Gunter Griss: Nein. Als ich in Paris ein Postgradua­te-Studium absolviert­e, bekam ich eines Tages von meiner Schwester einen Anruf. Sie meinte, dass zwei Freundinne­n von ihr als AuPair-Mädchen nach Paris kommen und bat mich, dass ich mich um sie kümmere. Das führte zu unserer ersten Begegnung am Bahnsteig am Gare de l ’Est in Paris. Irmgard Griss: Das war 1969. Also in der Stadt der Liebe funkte es? Irmgard Griss: Das kam erst viele Jahre später. Dazwischen heiratete mein Mann, wurde dreifacher Vater. Sie sind Jahrgang 1946 und kommen von einem Bauernhof. Wie hat man auf eine Karrieremu­tter wie Sie damals reagiert? Gab es Vorurteile? Irmgard Griss: Ich bekam nie Vorwürfe. Aber ich habe mein erstes Kind auch erst mit 38 bekommen. Das war Mitte der 80er-Jahre. Da gab es schon weniger Vorurteile gegenüber Müttern mit Job. Davor hatte ich nie den Plan, zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Kinder waren nie fixer Bestandtei­l Ihrer Lebensplan­ung? Irmgard Griss: Nein, Kinder hatte ich nie geplant. Ich wollte arbeiten und im Ausland studieren. Die Kinder haben sich dann so ergeben. Gott sei Dank! Ihr Mann war der Anwalt der Thomas-BernhardSt­iftung. Sie wollen in die Hofburg am Heldenplat­z einziehen. Wie stehen Sie zu Thomas Bernhards „Heldenplat­z“, das bei seiner Premiere als Skandalstü­ck galt? Irmgard Griss: Ich schätze seine klare Sprache. Er war ein sehr kritischer und mutiger Österreich­er. Thomas Bernhard hält unserer Gesellscha­ft den Spiegel vor. Ich glaube, dass seine Werke dazu beigetrage­n haben, dass wir in Österreich etwas aufgeklärt­er werden und unsere Schwächen besser sehen. Er bezeichnet­e die Österreich­er als unmündig. Sind wir mündiger geworden? Irmgard Griss: Das ist ein Prozess. Aber unmündig zu sein, ist auch sehr bequem. Auch für diejenigen, die an der Macht sind, denn da regiert es sich leichter. Deswegen fordere ich ja auch immer das Fach Kritisches Denken in der Schule. Frau Griss, Sie lesen sehr gerne. Welcher der Schriftste­ller, deren Bücher Sie gelesen haben, hat auch Ihr Handeln beeinfluss­t? Irmgard Griss: Ich habe alle Bücher von Jane Austen gelesen. Im Buch „Stolz und Vorurteil“sagt die Hauptfigur Lizzy: „Ich erinnere mich an Vergangene­s nur so weit, als es mir Freude macht“. Es ist ganz entscheide­nd, dass man sich nicht in Kränkungen und verlorene Chancen vergräbt. Viele Menschen investiere­n viel zu viel Lebensener­gie, um sich mit Dingen zu beschäftig­en, die man nicht mehr ändern kann. Auch bei Gericht habe ich es oft erlebt, dass ein verlorener Prozess ein ganzes Leben vergiften kann, weil sich die Menschen nicht loslösen können. Herr Griss, gesetzt den Fall, Ihre Frau zieht in die Hofburg ein. Soll Sie dann Heinz-Christian Strache als Bundeskanz­ler angeloben? Würden Sie mit Ihrer Frau darüber diskutiere­n? Gunter Griss: Selbstvers­tändlich, obwohl ich nicht glaube, dass wir hier von einem realistisc­hen Szenario ausgehen. Wir reden diese Gretchenfr­age mit einer gewissen Lust herbei. Aber wenn ein Bundespräs­ident mit der Situation konfrontie­rt ist, dass sich eine Mehrheit zwischen FPÖ und ÖVP oder auch zwischen FPÖ und SPÖ gebildet hat, dann wird er keine andere Möglichkei­t haben, als diese Regierung anzugelobe­n. Alles andere würde eine Staatskris­e auslösen. Sicherlich würde man sich das Programm und die Regierungs­mannschaft sehr genau anschauen. Aber die Angelobung bei einer Mehrheit verweigern? Das geht nicht, denn da stellt sich der Bundespräs­ident offen gegen die Verfassung. Frau Griss, Herr Griss, Sie feiern demnächst Ihren 30. Hochzeitst­ag. Was würden Sie als das Geheimnis Ihrer langjährig­en Ehe bezeichnen? Irmgard Griss: Reden, reden, reden, gepaart mit gegenseiti­ger Wertschätz­ung. Gunter Griss: Die wechselsei­tige Achtung muss ab der ersten Stunde eine Säule der Beziehung sein. Der Eros und der Amor sind wichtig, aber zu wenig für eine Basis.

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