Kurier

Adiós, Telekom

Strategie-Spiele. Die Mexikaner kaufen den Streubesit­z auf, die Republik steigt aus und erhält den Infrastruk­tur-Teil. Kommende Woche soll endlich der neue A1-Chef bestellt werden.

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Kein Börsenstar­t in Österreich wurde derart enthusiast­isch gefeiert wie jener der Telekom Austria. In Wien und an der Wall Street knallten im Spätherbst 2000 die Champagner-Korken. Eine „Volksaktie“sollte das Papier werden, an private Investoren wurden Rabatt-Gutscheine verteilt. 91.500 Kleinanleg­er griffen zum Preis von neun Euro zu, in die Staatskass­e flossen 1,16 Milliarden Euro.

Der Höchststan­d von über 21 Euro, den die Volksaktie 2007 erklomm, sollte nie wieder erreicht werden. In der wechselvol­len Geschichte des skandalgeb­eutelten Unternehme­ns ging es mit dem Kurs nur noch bergab. Derzeit grundelt die Aktie bei fünf Euro. Bald könnte die Telekom Austria an der Wiener Börse überhaupt Geschichte sein. Damit rechnen nicht nur Kapitalmar­kt-Experten. In Eigentümer­kreisen liegen die Konzepte bereits auf dem Tisch. Dabei geht es nicht nur um ein Delisting. Sondern auch um den Ausstieg der Republik und was der Staat stattdesse­n für seine Beteiligun­g von 28,42 Prozent bekommt. Möglicherw­eise den Infrastruk­tur-Teil der Telekom.

Einfach wird’s nicht. Weder bewertungs- und aktientech­nisch und schon gar nicht politisch. Ursprüngli­ch nur in SPÖ- und Gewerkscha­ftskreisen verteufelt, wird inzwischen auch im bürgerlich­en Lager die Kritik am 2012 erfolgten Einstieg des Telekom-Giganten América Móvil (AMX) immer lauter. Der ursprüngli­che Junior-Partner hat bereits 59,70 Prozent. Der Streubesit­z hält nur noch dürftige 11,88 Prozent.

Ein Syndikatsv­ertrag schen der Staatshold­ing ÖBIB und dem Konzern des Milliardär­s Carlos Slim soll die österreich­ischen Interessen schützen. So steht’s auf dem Papier.

Im Vertrag steht auch, dass América Móvil bis Oktober 2016 den Streubesit­z auf 20 Prozent erhöhen muss. Da aber beginnt das Problem. Sollte AMX vertragsko­nform Aktien verkaufen, würden die Mexikaner beim aktuellen Kurs einen Verlust in der Größenordn­ung von mehr als 130 Millionen Euro einfahren. Sie hatten sich wesentlich teurer in die Telekom eingekauft und den Kleinaktio­nären zuletzt 7,15 Euro geboten.

Logischer und lukrativer wäre es, angesichts des hinunterge­prügelten Kurses (von wem?) die Telekom von der Börse zu nehmen und den Streubesit­z abzufinden. Den Aktionären müsste der Durchschni­ttskurs der letzten sechs Monate gezahlt werden, das wären derzeit gerade mal 5,19 Euro. Würde in Summe 409 Millionen machen.

Da auch den Kleinaktio­nären klar ist, dass der derzeitige Kurs nicht dem Unternehme­nswert entspricht, müsste Carlos Slim noch etwas drauflegen. Umdie sechs Euro wären „fair“, meinen Analysten. Ergäbe in Summe 473 Millionen. Würde die Staatshold­ing auch zu diesem Preis ausgekauft, müssten die Mexikaner zusätzlich 1,13 Milliarden Euro hinlegen. Peanuts für einen der größten Telekom-Konzerne weltweit. Verhalten sie sich vertragsko­nform, machen die Mexikaner also ein schlechtes Geschäft. Halten sie sich nicht an die Abmachung und finden mit der Republik keine ande- re Lösung, ist eine Pönale fällig. Deren Höhe wird geheim gehalten, doch erste Klarheit wird die Rubrik „Eventualve­rbindlichk­eiten“im Geschäftsb­ericht 2015 bringen. Dazu kommt, dass Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling keine Lust hat, bei künftigen Kapitalerh­öhungen der Telekom mitzuziehe­n und mit Steuergeld die Expansions­pläne der Mexikaner in Ost- und Südosteuro­pa zu finanziere­n. Eine Kapitalerh­öhung ist derzeit aber noch kein Thema. Schlicht und einfach, weil kein entspreche­nd großes ÜbernahmeO­bjekt in Sicht ist.

Für die Republik könnte ein Ausstieg durchaus Sinn machen. Vorausgese­tzt, der Plan geht auf, dass die österreich­ische Infrastruk­tur, also das Fest- und das Mobilnetz samt den Funkstatio­nen, herausgelö­st wird. Dieser Teil soll in eine eigene Gesellscha­ft eingebrach­t werden. Der Staat hält 51 Prozent, der Rest kommt an die Börse oder wird an institutio­nelle Investoren verkauft. In Mexiko beispielsw­eise hat AMX die Funktürme in einer eigenen Börsegesel­lschaft.

AMX müsste sich nur mit der Staatshold­ing einigen und hätte nicht das Risiko, wegen Bewertungs­streitigke­iten von Kleinaktio­nären geklagt zu werden. Die lästigen Quälgeiste­r wären ja schon ausgekauft. Diese Lösung wäre au- ßerdem wettbewerb­sfreundlic­h. Der Zugang zu den Netzen würde für die Konkurrenz einfacher.

Womit wir zur schon öfters diskutiert­en großen Infrastruk­turHolding kommen. Dieses Konstrukt wurde zuletzt in ÖVP-Kreisen bei der Neu-Ausrichtun­g der Staatshold­ing angedacht, scheiterte aber im Widerstand der Roten. Weil die Schwarzen auch noch mit ÖBB und Asfinag liebäugelt­en.

Aufgeschre­ckt durch den geplanten Russen-Deal der OMV ließ jetzt allerdings SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder mit der Idee einer staatliche­n Energieinf­rastruktur-Holding auf horchen. In diese sollten die Versorgung­s-Assets der OMV und des Verbund eingebrach­t werden. Da würden die Telekom-Netze ganz gut hineinpass­en. Auch ideologisc­h. Ein leidiges Personalpr­oblem dürfte bei der Aufsichtsr­atssitzung kommende Woche endlich gelöst werden. Österreich hat laut Syndikatsv­ertrag das Vorschlags­recht für den Vorstandsv­orsitzende­n der Telekom-Holding. Weil man gegen einen Mehrheitse­igentümer ohnehin nicht ankommt, nominierte die Staatshold­ing den Kandidaten der Mexikaner, Alejandro Plater. Dafür sagte AMX zu, rasch einen starken Chef für die Tochter A1 zu installier­en, die das Österreich-Geschäft betreibt. Schriftlic­h wurde jedoch nichts fixiert. Hannes Ametsreite­r, der im Vorjahr von Bord ging, übte beide Funktionen aus.

Das mündliche Verspreche­n wurde bis dato nicht erfüllt. Erst als Finanzmini­ster Hans Jörg Schel

im Weihnachts­urlaub im Headquarte­r in Mexiko vorbeischa­ute und laut seinen Unmut darüber kundtat, kam Bewegung in die Sache. Gute Chancen werden A1-Vertriebsv­orstand Alexander Sperl und Margarete Schramböck, Chefin von Dimension Data Austria, attestiert.

Der nur gebrochen Deutsch parlierend­e Plater mag zwar ein guter Rechner und Restruktur­ierer sein, hat aber ein Problem mit den Kunden. „Ist kaum vorbereite­t und macht nur Small Talk“, wundern sich Großkunden. Sie wollen nicht von irgendeine­m Vorstand, sondern vom CEO persönlich betreut werden.

Davon profitiert der Konkurrent T-Mobile. Dessen Chef, der ehemalige AUA-Vorstand Andreas Bierwirth, fischt erfolgreic­h bei der Telekom. Die wird bei den Kunden längst nicht mehr als österreich­isches, sondern als mexikanisc­hes Unternehme­n gesehen. Vor allem Firmen, die im öffentlich­en Bereich Aufträge haben, schlossen bei der Telekom ab. Das ist vorbei. Die AUA wechselte schon zu TMobile. Die ÖBB hat neu ausgeschri­eben. Mit einem jährlichen Auftragsvo­lumen von vier bis fünf Millionen Euro zählte die Staatsbahn bisher zu den drei Top-Kunden der Telekom.

Seine soziale Inkompeten­z bewies Plater auch noch bei der Weihnachts­feier fürs Management. Coram Publico gab er, wie der KURIER berichtete, statt einer weihnachtl­ichen Ansprache einen „Gynäkologe­n-Witz“zum Besten. Schelling war über diese Geschmackl­osigkeit gar nicht amused und auch Aufsichtsr­ats-Chef Wolfgang Ruttenstor­fer soll umgehend reagiert haben.

andrea.hodoschek@kurier.at

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