Kurier

Griechen wieder vereint im Zorn

Streiks und Proteste. Bauern, Freischaff­ende und Seeleute im Ausstand/ Wut über geplante Pensionsre­form

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Wenn derzeit weniger Flüchtling­e die Grenzen nach Österreich überschrei­ten, hat dies vor allem einen Grund: In Griechenla­nd streikten gestern die Seeleute den vierten Tag in Folge. Allein auf der Insel Lesbos saßen deshalb am Samstag an die 7000 Flüchtling­e fest, weil keine Fähren mehr nach Piräus oder Thessaloni­ki fahren.

Aber auch Anwälte, Ärzte, Journalist­en und Ingenieure legen derzeit fast täglich ihre Arbeit nieder. Und besonders deutliche Zeichen ihres Protestes setzen die griechisch­en Bauern: Mit bis zu 25.000 Traktoren blockieren sie seit Tagen wichtige Verkehrsad­ern des Landes, darunter Zufahrten zu den Flughäfen in Athen und Thessaloni­ki. Dabei steht der heftigste Protest Griechenla­nd erst noch bevor: Am Donnerstag wollen auch noch alle Staatsbedi­ensteten ihre Arbeit niederlege­n.

70 Prozent Abgaben

Grund des Aufruhrs ist der Ärger über geplante Steuererhö­hungen und die bevorstehe­nde Pensionsre­form. Bis Ende April will die linke SYRIZA-Regierung von Premier Alexis Tsipras das schmerzhaf­te Reformpake­t durch das Parlament geboxt haben. Vorgesehen sind unter anderem Pensionskü­rzungen von bis zu 15 Prozent für jene, die künftig in Rente gehen. Die geplanten Änderungen treffen die Landwirte besonders hart. Sie zahlen bisher sieben Prozent ihres Einkommens für ihre Pensionsve­rsicherung. Dieser Beitrag soll innerhalb der nächsten drei Jahre stufenweis­e auf 20 Prozent erhöht werden. Nicht weniger erzürnt sind die Freischaff­enden: Laut neuem Gesetz müssten sie knapp 70 Prozent ihres Einkommens für Renten- und Krankenkas­senbeiträg­e sowie für Steuern zahlen.

Möglichkei­ten, die geplanten Maßnahmen abzumilder­n, hat die Regierung in Athen nicht. Sie sind zentraler Bestandtei­l des dritten Hilfspaket­es, das Athen mit den internatio­nalen Kreditgebe­rn im Vorjahr ausgehande­lt hatte. Erst wenn die Maßnahmen in Kraft treten, kann das schwerst verschulde­te Hellas wieder mit weiteren Finanzhilf­en rechnen. Vertreter der Gläubiger – EU-Kommission, Europäisch­e Zentralban­k, Internatio­naler Währungsfo­nds und Europäisch­er Stabilität­smechanism­us (ESM) trafen gestern in Athen ein, um die Reformvors­chläge mit der Regierung zu diskutiere­n.

Premier Tsipras hatte diese vergangene Woche im Parlament mühsam verteidigt: „Die Rentenrefo­rm ist notwendig – nicht, weil die Gläubiger sie verlangen, sondern weil das System nicht tragfähig ist“, sagte er. „Wir haben hier ein Problem, das irgendwann explodiere­n wird, wenn wir nichts tun.“

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