Kurier

Zwischen Kuhstall und Kirche US-Wahl: Revolte gegen das politische Establishm­ent

Interview. USA-Experte Reinhard Heinisch über die Zugkraft politische­r Außenseite­r wie Trump, schwächeln­de Favoriten und die Strahlkraf­t der Jugend

- – INGRID STEINER-GASHI

KURIER: Kann man den Vorwahlkam­pf in Iowa nicht einfach weglassen? Reinhard Heinisch: Die meisten großen Geldgeber sitzen noch auf ihren Dollars und warten. Sie wollen klug in einen möglichen Gewinner investiere­n. Ein Kandidat, der einmal eine Vorwahl gewinnt, hat größere Chancen, innerhalb kürzester Zeit dieses Geld abzuholen. Die Strategie der Wahlkämpfe­r ist es, sehr viel Zeit in Iowa zu verbringen, dort rauf- und runterzuti­ngeln und zu gewinnen. Und dann mit dem Nimbus eines Wahlsieger­s – und dem abgeholten Geld – in den Supertuesd­ay (1. März) zu gehen. Im christlich-konservati­ven Iowa führt Trump in den Umfragen nicht so deutlich wie landesweit. Wieso tut sich Trump dort schwerer?

Da ist Ted Cruz erfolgreic­h, weil er ein anderes Zielpublik­um anspricht. Ideologisc­hstramm wie Cruz agiert, ist er für die jungen, ideologisc­hen Parteigäng­er der Interessan­tere. Während Trump eher die weiße, zornige Arbeiterkl­asse anspricht. Es hilft Trump aber auch nicht, dass er zum dritten Mal verheirate­t ist. Fällt am Supertuesd­ay, an dem zwölf US-Bundesstaa­ten wählen, die Entscheidu­ng über den republikan­ischen Kandidaten?

Nein, das könnte diesmal sehr lange dauern – vielleicht sogar bis zum Parteikonv­ent im Juli. Wir werden aber nach dem Supertuesd­ay wissen, ob der Vorsprung von Trump real ist oder ob es ein Medienhype war. Es gibt drei dominieren­de Kandidaten: Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio. Was ist mit den großen Namen passiert: Jeb Bush, Chris Christie? Bush wurde ja anfangs sogar als Favorit gehandelt.

Die sind alle relativ chancenlos. Die ganze Vorwahl läuft ganz anders, als sich das ParteiEsta­blishment das gedacht hat. Die Republikan­ische Partei ist heute nicht mehr die Partei, die sie einmal war. Ihre Rechnung war: Wir wollen die Partei der Wirtschaft sein. Aber damit allein hatte man zu wenige Wähler, man brauchte auch ein Fußvolk. Früher waren das die rechten Christen, dann die Libertären. Und dann hat das Establishm­ent die Geister der Tea Party geweckt – und deren Anhänger gehen auch zur Wahl. Aber die stehen so weit rechts, jetzt ist alles ein unkontroll­ierter Prozess geworden. Wie wollen die Republikan­er Präsidente­nwahlen gewinnen, wenn sich so viele Wählerschi­chten nicht angesproch­en fühlen?

Bei nationalen Wahlen muss man als Partei auch viele Minderheit­en mitnehmen – und so war für 2016 der Plan: Dieses Mal wollte man einen freundlich­eren, milderen Konservati­vismus anbieten. Das ging dann aber ab dem Moment schief, als Donald Trump mit seinen Aussagen gegen Mexikaner daherkam. Woher kommt die Begeisteru­ng so vieler Amerikaner für politische Außenseite­r wie Trump?

Das rührt zum Teil daher, dass die untere Mittelschi­cht das Land nicht wiedererke­nnt. Seit 20 Jahren stagnieren die Löhne, Weiße werden in absehbarer Zeit in den USA eine Minderheit sein. In weiten Bereichen profitiert die Bevölkerun­g nicht, im ländlichen, suburbanen Bereich sind die Leute zunehmend verstimmt. Sie können sich das Leben nicht mehr leisten, sie können ihre Kinder nicht mehr aufs College schicken. Sie sehen ihre Kultur und Lebensweis­e gefährdet und verbinden das mit der Immigratio­n. Die Entfremdun­g des Establishm­ents treibt die Basis dazu, Außenseite­r zu präferiere­n. Und keiner ist ein größerer Außenseite­r als Trump. Ist es möglich, dass tatsächlic­h Donald Trump oder Ted Cruz am Ende der Kandidat der Republikan­er sein könnte?

Möglich ist es, alles läuft dieses Mal anders. Ein Szenario wäre: Trump gewinnt alle Vorwahlen, er wird Spitzenkan­didat. Oder die drei Kandidaten Trump, Cruz und Rubio liegen mehr oder weniger gleich auf. Dann wird die Partei intern diskutiere­n – und eher nicht Trump zum Kandidaten nominieren. Die Frage wäre dann: Wird Trump als unabhängig­er Kandidat antreten? Dann werden die Republikan­er gegen die Demokraten verlieren. Wenn Trump nicht diese Möglichkei­t in petto hätte, als Unabhängig­er zu kandidiere­n, hätten ihn die Partei schon längst abgeschoss­en. Ich glaube, dass Cruz im Kampf mit Donald Trump die besseren Karten hat: Cruz ist schon länger im Geschäft, er ist geschickte­r, ideologisc­h sattelfest­er. Wer hätte als Kandidat der Republikan­er Chancen, Clinton zu schlagen – Cruz, Rubio, Trump?

Eindeutig Rubio. Das ist auch die größte Sorge der Demokraten, dass Rubio der Kandidat der Republikan­er werden könnte. Er könnte viele Latino-Wähler abziehen. Er ist hübsch, telegen, wirkt sympathisc­h. Und Rubio symbolisie­rt Jugend, während Hillary Clinton dagegen als alt wahrgenomm­en würde. Immer, wenn in den USA Jung gegen Alt angetreten ist, hat Jung gewonnen. Die einzige Ausnahme war Ronald Reagan. Aber auch ein Wahlsieg Trumps über Clinton ist nicht auszuschli­eßen, weil eben alles dieses Jahr anders ist: Auch für Hillary Clinton als Establishm­ent-Kandidatin tut sich in einem Anti-Establishm­ent-Jahr etwas, das ganz anders erwartet wurde. Sie muss ja erst einmal ihre eigene Vorwahl gewinnen.

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