Kurier

Der Tod als täglicher Begleiter

Tatortermi­ttler. Sie stehen im Dauereinsa­tz und sehen extreme Szenarien. Motto: „Es gibt nichts, was es nicht gibt“

- VON Leiter Assistenzd­ienst, LKA Wien

Bereits fünf Mal gab es heuer in Wien Mordalarm. Klare Tatortbild­er waren dabei die Seltenheit. Dennoch gelten vier der fünf Bluttaten als geklärt. Der aktuellste Fall, der Erstickung­stod des 25-jährigen amerikanis­chen Au-PairMädche­ns in Wien-Wieden, gibt den Kriminalis­ten und den Wiener Tatortermi­ttlern noch Rätsel auf.

„Dazu gibt es noch keine Informatio­nen“, erklärt Oberst Wolfgang Haupt, Leiter des zuständige­n Assistenzd­ienstes am Samstag. Eine erste Spur führt zum ehemaligen Mitbewohne­r der am Dienstag verstorben­en US-Studentin. Haupt aber warnt und gibt Einblick in die Arbeit der Tatort-Spezialist­en: „Wir haben eine Regel; das Offensicht­lichste ist auch das Trügerisch­ste.“

Tatsache ist, dass die Aufklärung­srate bei Morden in Österreich beinahe jedes Jahr an der 100-Prozent-Marke kratzt. Doch welche Herausford­erungen und Belastunge­n hinter Tatortarbe­it stecken, wird in allen Krimiserie­n verschwieg­en. „Streifenpo­lizisten sind in der Regel die Ersten am Tatort. Wenn die Kollegen nur mit einer Handbewegu­ng zeigen, wo das Opfer ist, dann weiß ich, was auf mich zukommt. Ich gehe dann als Erster zum Tatort“, so Haupt.

Seine Kollegin, Chefinspek­torin Bettina Bogner, sie war die erste weibliche Tatortermi­ttlerin Österreich­s und ist die Leiterin der Wiener Tatortgrup­pen, wählt ein drastische­s Beispiel: „Die Grenzen des Erträglich­en sind manchmal subtil. Ich kam einmal zu einer Kindestötu­ng in einem Wald. Der kleine Körper war in einem Plastiksac­kerl eingepackt. Das tote Kind hatte das Alter meiner Tochter.“

Gezündete Handgranat­e

Ein Fall vom 11. Jänner 2014 ging in die Kriminalge­schichte ein. Ein Täter zündete in einem BMW in Wien-Ottakring eine Handgranat­e. Vorher schoss er seinem Opfer von der Rückbank aus in den Kopf. Auch der Beifahrer kam durch Granatspli­tter ums Leben. Wegen der Zeitverzög­erung im Zündmecha- nismus konnte der Mörder noch aus dem Pkw springen. Knapp drei Monate später wurden der Verdächtig­e und zwei Komplizen – dank Feinarbeit der Tatortermi­ttler – festgenomm­en. Motiv: Mineralölh­andel mit der Ostmafia. Parallel dazu werden die Spezialist­en auch zu Einbrüchen, etwa bei Politikern, beordert. „Denn es könnte dabei auch terroristi­sche Hintergrün­de geben. Es gibt in unserer Arbeit nichts, was es nicht gibt. der Druck wird dadurch nicht höher“, so die Ermittler.

Wie aber gehen die Beamten mit solchen Eindrücken um? Wie hoch ist die Dropout-Rate in dem Job? „Belastende Ereignisse gibt es bei jeden von uns. Gespräche mit erfahrenen Kollegen, Sitzungen mit dem psychologi­schen Dienst im Innenminis­terium und auch Supervisio­n helfen dabei. Aber Aussteiger sind eher selten. Unser erklärtes Ziel, Verbrechen aufzukläre­n, treibt uns an“, gibt Chef- inspektori­n Bogner möglichen Zweifeln keine Chance. Und Oberst Haupt ergänzt: „Wir müssen stur , beharrlich, genau und ausdauernd sein. Am wichtigste­n aber ist die Kreativitä­t.“Und an Interessen­ten mangelt es nicht, Personalma­ngel ist kein Thema.

Einen der belastends­ten Einsätze musste im August 2015 auf der A 4 bei Parndorf erledigt werden. Die Flüchtling­stragödie mit 71 Leichen ging den hartgesott­enen Ermittlern nahe. Unter den Opfern waren Kinder und Frauen. Über diesen Fall wird nicht viel gesprochen, wichtig ist, dass die Schlepper hinter Schloss und Riegel sind.

Vielmehr hoffen die Spezialist­en auf effiziente­re Ausrüstung. Bogner und Haupt unisono: „DNA-Beweise sind der Schlüssel zum Erfolg. Mobile DNA-Labors, wie in den USA sind wichtig. Umso schneller wir Spuren sichern, desto schneller können unsere Kollegen die Täter fassen.“

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