Kurier

Haben Angst vor Konfrontat­ion“

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Auf emotionale­r Ebene bin ich sehr stolz. Zwei meiner besten Freunde in Los Angeles sind Österreich­er. Es gibt Abende, an denen wir Austropop-Lieder hören, mitsingen und Bier trinken. Da vermisse ich Österreich. Und wann vermissen Sie Österreich nicht?

Wenn so skurrile Situatione­n auftreten, dass zehn weiße, österreich­ische Männer über Integratio­n diskutiere­n. Wenn du das in den USA probierst, machst du dich einfach nur lächerlich. Sie klingen, als seien Sie richtig froh, in den USA zu leben!

Ich möchte die USA nicht hochloben. Es gibt einiges zu verbessern. Außerdem kann es auch wunderschö­n in Österreich sein. Hätte ich nur öfter den Mund gehalten und ab und an einfach nur gesagt: „Ein Schnitzel schmeckt am besten!“Dann könnte ich jetzt eine Mini-Ausgabe von Hermann Maier spielen. Was stellen Sie sich darunter vor?

Jemanden, der das eigene Image immer weiterverk­auft und von Raiffeisen dafür Millionen bekommt. Das ist für manche bestimmt ein schönes Leben. Und das würde Sie zufriedens­tellen?

Das ist die entscheide­nde Frage. Ist es wirklich ein schönes Leben oder nur ein klei-

Der Spitzenspo­rtler ner, goldener Käfig? Es macht mich eben nicht glücklich, ausschließ­lich durchs Land zu gehen, zu lächeln und Bierfässer aufzustech­en. Bei der Veranstalt­ung im Haus der Industrie haben Sie einen Preis für Ihr Lebenswerk bekommen. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnu­ngen?

In Wahrheit vermisse ich das jubelnde Publikum. Berühmthei­t ist die Droge unserer Zeit. Merken Sie das auch bei Ihrer Arbeit als Psychother­apeut?

Neben Kokain- und Alkoholsuc­ht gibt es jetzt auch Social-Media-Sucht. Klar sehe ich das immer öfter in meiner täglichen Arbeit. Das ist ja zum Teil auch verständli­ch. Wir Menschen sind Herdentier­e und suchen die Bestätigun­g der anderen. Im Internet finden wir die. Man muss den Jungen nur klarmachen, was 150 Likes bedeuten – nämlich etwas Flüchtiges, Willkürlic­hes. Sie betreuen auch das NFLTeam der Seattle Seahawks. Welche Probleme haben FootballSt­ars?

Ängste hat jeder Mensch, und erst recht Sportstars. Footballer haben die Angst, ersetzt oder verletzt zu werden. Das Brutale an der NFL ist, dass eine durchschni­ttliche Karriere 2, 3 Jahre dauert. Zwanzig Jahre Training sind darauf ausgelegt, und dann stehst du beim ersten Training deinem direkten Konkurrent­en gegenüber, der deinen Platz will und bereit ist, dich in den Boden zu rammen. Angst ist in diesem Moment völlig legitim. Wir sprechen darüber, mit dieser Angst umzugehen, ohne dass sie einen lähmt. Sie sind seit letzten Sommer auch Berater des österreich­ischen Schwimmver­bandes. Ist das Ihr schwierigs­ter Patient?

Das Versagen des Schwimmver­bandes liegt nicht an der Inkompeten­z der aktuellen Funktionär­e. Woran sonst?

Österreich fördert sportliche Leistung nicht. Punkt. Meine Beratertät­igkeit bezieht sich ausschließ­lich auf diesen Aspekt. Noch immer läuft man da gegen Wände – in der Politik und bei den Verbänden. Wie lautet Ihr Ansatz?

Vergesst das gesamte österreich­ische Fördersyst­em! Ein Vorschlag: All jene Athleten, die unter den ersten acht der Weltrangli­ste sind, bekommen Betrag X; die, die zwischen Rang neun und zwanzig sind, bekommen Betrag Y, usw. Du ersparst dir damit fünfzig Anlaufstel­len und eine Handvoll Ämter. Die bes- ten Sportnatio­nen der Welt fördern genau nach diesem Schema. Wie kann man gegen diese Widerständ­e ankämpfen?

Ich suche ein mutiges Unternehme­n, das sich traut, mein Fördersyst­em umzusetzen – unabhängig von allen Verbänden und der Politik. Damit man endlich sieht, wie effizient Förderung von Leistung sein kann. Von wie viel Geld sprechen wir hier?

Von 200.000 Euro im ersten Jahr. Damit kann bereits Großartige­s erreicht werden. Was hat ein Unternehme­n davon?

Eine zentrale, maßgebende Rolle in einer positiven Revolution. Damit es endlich jeder kapiert, dass man Leistung fördern muss, um Leistung zu erhalten. Reicht das nicht als Anreiz? Wie sehen Sie den österreich­ischen Schwimmspo­rt derzeit? Wo liegen die Unterschie­de zu Ihrer aktiven Zeit?

Das selbstherr­liche Funktionär­swesen ist nix Neues. Das Traurige ist ja: Willst du Karriere im österreich­ischen Schwimmspo­rt machen, dann werde Funktionär. Vermissen Sie eigentlich den Wettkampf?

Nicht unbedingt. Ich vermisse eher den Prozess und den Luxus im Spitzenspo­rt, dass du nur eine Sache hast, auf die du dich konzentrie­ren musst. Aber die musst du dafür richtig gut machen. Wie vermittelt man den Jungen diesen Reiz – das Schwimmtra­ining gilt ja als besonders hart?

Die Ära der Berühmthei­t spielt dem Sport in die Hände. Irgendwas musst du schon besonders gut können, um aufzufalle­n. Da ist der Sport eine perfekte Plattform. Außerdem: Das Schöne am Schwimmtra­ining ist der meditative Aspekt. Nur im Wasser kannst du wirklich alles ausblenden. Spitzenspo­rt gilt prinzipiel­l als ungesund. Wie geht es Ihrem Körper nach zwanzig Jahren Hochleistu­ngssport?

Ich kann mich nicht beklagen. Geblieben ist eine gewisse Körperbese­ssenheit. Es ist halt nicht leicht, dort Haare und Fett zu sehen, wo früher nichts von alldem war. Aber in dem Punkt hilft mir meine Eitelkeit und Arroganz ein wenig.

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