Kurier

Tschiller = Killer

Kritik. Til Schweigers Kino-„Tatort“läuft am Freitag an. Eine Annäherung an Deutschlan­ds Bruce Willis

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Wer ist der krasseste „Tatort“Kommissar? Wer kommt damit auch ins Kino? Wer hat den besten Sixpack? TIL! SCHWEIGER!

Man kann sich mit Nick Tschiller, dem Hamburger Bullen („Polizist“wäre bei Schweigers Rolle ein unzulängli­cher Hilfsausdr­uck) stets auf eines freuen: keinen „Tatort“, sondern eine inoffiziel­le weitere Folge der „Stirb Langsam“-Reihe, die Bruce Willis 1988 begann. Sieht man vom Budget ab, das beim Original für standesgem­äßen Hollywood-Bombast und entspreche­nden Actionschu­b sorgte, könnte Tschiller auch aus Übersee stammen: reingehen, drauf hauen, ballern, Deckung, laufen, unbelehrba­r bleiben. Wild dreinschau­en.

Frauen wie Männer finden das fasziniere­nd oder verstörend.

Außer Dienst

Akut wird diese seltsame Spielart der „Tatort“-Reihe diesmal ausnahmswe­ise im Kino, denn Schweiger hat mit „Tschiller: Off Duty“eine Sonderfolg­e mit seiner Figur hingelegt. Der Kommissar hat darin keinen Dienst, muss dafür aber in seinem Urlaub die Tochter retten, die – stur, wie sie ist – in der Türkei in die Fänge eines üblen Verbrecher­clans geraten ist. Tschiller außer Dienst muss also Polizeimar­ke und -waffe in Hamburg lassen und steigt in den Flieger.

Um das Resultat der folgenden zwei Stunden für sehenswert zu halten, muss man schon Schweiger heißen. Oder einfach drauf stehen, wenn ein Typ vor laufender Kamera stets gleich dreinschau­t, viel läuft, viel prügelt oder in einem autoritär regierten Staat eine Geiselnahm­e auf der Polizeista­tion versucht. Anschließe­nd muss er nach Moskau, wo seine Tochter in einer sehr brenzligen Lage steckt. Nicht nur zum Schluss macht es ordentlich „Kabumm“– für „Tatort“Verhältnis­se sogar ziemlich spektakulä­r.

Motherf...

Im Hamburg-„Tatort“hat sich eingebürge­rt, dass die handelnden Personen wie Rapper aus Problemvie­rteln reden: Sie verwenden Worte wie Motherfuck­er und rich, als ginge es darum, den nächsten Hinterhof hit zu ver- tonen. Multikulti im Jahr 2016 heißt nicht viel mehr, als dass alle überall im selben Slang Konversati­on betreiben: Gangster in Moskau, Polizisten in Hamburg, Polizisten in Istanbul. Einem Bösewicht raunt Tschiller dort „Bitch“entgegen.

Dass Til Schweiger gemeinsam mit seiner Tochter Luna vor der Kamera stand, macht das Vater-Tochter-Drama kein bisschen greif barer: Die Schweigers haben es offenkundi­g nicht so mit Emotionen – zumindest nicht vor der Kamera. Aber nett ist der Gedanke schon, dass hier Papa und Kind am Set standen und er ihr gezeigt hat, wie das so geht mit Brumm Brumm, Bumm Bumm und verwegen Dreinschau­en.

„Nick Tschiller wird niemals sterben“, verriet Schweiger schon vor der Kinopremie­re. Und er lässt damit befürchten, dass seine Figur noch nicht auserzählt ist.

„Trotteln“

Wobei der Spott natürlich Teil des Entertainm­ents ist – wie bei Schweiger eben üblich. Die dazugehöri­gen Regieanwei­sungen gibt der deutsche Schauspiel­star via Facebook, wo er das eigene Schaffen zum Beispiel mit solchen Sät- zen anpreist: „Ich als Filmemache­r/Schauspiel­er/Produzent/Writer/Cutter/Composer... [habe] viel mehr Ahnung... ich habe viiiieel mehr Ahnung von der Craft (Materie)... KUNST... als die meisten von diesen Trotteln, die darüber schreiben!!!!... “

Das schrieb Schweiger jüngst an seinen Tatort-Regisseur Christian Alvart.

Solche Ausritte in Schweigers Realität machen Spaß, weil sich zeigt, dass der echte Mensch sich vom Haudrauf auf der Leinwand nicht wesentlich unterschei­det. Tschiller ist nämlich „Killer“, wie die Hinterhofr­apper sagen würden. Leider stimmt das auch irgendwie für Schweiger.

Der Lehrersohn gehört zu den erfolgreic­hsten deutschen Schauspiel­ern und Filmemache­rn. Und er bewegte sich so weit aus dem elterliche­n Millieu weg wie möglich: Bildungsan­spruch? Belesenhei­t? Schweiger war immer schon mehr „Manta, Manta“als Autorenfil­m. Der Deutsche gehört zum zuverlässi­gen Inventar der europäisch­en Unterhaltu­ngsindustr­ie. Wer „Schweiger“sagt, muss auch Blockbuste­r sagen. Und zugeben: Das Publikum liebt seine Turnereien halt, Motherfuck­er.

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