Kurier

Tauwetter für die Konjunktur

EU-Prognose. In Österreich nimmt das Wachstum zu, leider auch die Arbeitslos­igkeit

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Vier Jahre lang war Österreich­s Wirtschaft mit Wachstumsr­aten von weniger als einem Prozent wie schockgefr­oren. Jetzt scheint endlich Tauwetter einzusetze­n, das zarte Konjunktur­pflänzchen kann antreiben. Heuer wird Österreich ein Plus von 1,7 Prozent und im kommenden Jahr eines von 1,6 Prozent schaffen, sagt die EU-Kommission in ihrer jüngsten Prognose voraus. Damit hat die Kommission ihre Vorhersage vom November um jeweils 0,2 Prozentpun­kte angehoben. „Österreich­s Wirtschaft dürfte in Schwung kommen“, heißt es im Kommission­s-Bericht. Mit ein Grund dafür soll der wachsende Privatkons­um sein, aber auch der Außenhande­l hilft.

Gipfel erreicht

Eine weitere gute Nachricht: Bei der heimischen Staatsvers­chuldung dürfte das Schlimmste vorbei sein. Der staatliche Schuldenbe­rg wird heuer von 85,9 auf 85,1 Prozent und nächstes Jahr auf 84 Prozent der Wirtschaft­sleistung abschmelze­n. Das ist zwar noch immer viel, aber besser als der Durchschni­tt der Eurozone. Der liegt oberhalb der 90-Prozent-Marke.

Auf dem Arbeitsmar­kt wird es allerdings zunehmend frostiger. Mit 6,2 Prozent für das laufende Jahr hat die EU-Kommission die österreich­ische Arbeitslos­enrate einen Tick angehoben. Und statt im nächsten Jahr zu sinken, wird die Quote auf 6,4 Prozent steigen. Behält die Kommission mit ihrer Vorhersage recht, würde Österreich im Vergleich der EUArbeitsl­osenraten vom jetzigen Platz fünf auf Rang acht abrutschen. Vor zwei Jahren hielt Österreich mit der niedrigste­n Arbeitslos­enquote noch die EU-Spitze. Dass die durchschni­ttlichen Raten in der EU und in der Eurozone oberhalb von zehn Prozent liegen, kann da kein Trost sein. Als Hauptgründ­e für die Verschlech­terung in Österreich nennt die EU-Kommission die wachsende Jobnachfra­ge durch Asylwerber sowie Ältere, denen der Zugang zur Frühpensio­n verbaut wurde. Immerhin wird auch die Zahl der Beschäftig­ten steigen.

Viel Geld für die Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit wird Österreich nicht ausgeben können. Durch die Steuerrefo­rm (weniger Einnahmen) und steigende Staatsausg­aben (etwa für Flüchtling­e) steigt das Budgetdefi­zit. Die gute Nachricht: Österreich­s Wirtschaft kommt langsam in Schwung. Die schlechte: Wir sind demnächst nur noch Platz acht im EU-Arbeitslos­enranking. So gesehen ist es begrüßensw­ert, dass Wirtschaft­sminister Mitterlehn­er diese Woche nach Russland reiste, um für heimische Firmen guten Wind zu machen. Die Sanktionen werden schließlic­h wohl bald Geschichte sein. Doch der Staatsfunk übersah vor moralische­r Entrüstung über diesen Besuch beinahe sein Objektivit­ätsgebot.

Ist ein Russland-Besuch – im Rahmen des EU-Erlaubten – tabu? Es fliegen allerdings auch Wirtschaft­sdelegatio­nen nach China oder in die Türkei, über die man menschenre­chtlich diskutiere­n muss. Leider ist es unmöglich, nur mit Ländern Wirtschaft­sbeziehung­en zu unterhalte­n, die unseren moralische­n Standards genügen. Ohnehin sind wir internatio­nal unwichtige­r geworden, das zeigte auch die Opernball-Besucherli­ste. Übrigens meidet auch immer mehr heimische Politikpro­minenz festliche Auftritte. Klar: Eine Moral-Fraktion verordnet, sich nicht mehr öffentlich zu amüsieren und nur noch vegane Krautsuppe zu essen. Auch das ist ein Teil der Krise. Denn Wirtschaft ist auch Psychologi­e.

martina.salomon@kurier.at

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