Kurier

Wellness-Piste mit einigen Kritikern

Olympia-Test. Die Abfahrt für die Winterspie­le 2018 in Südkorea sorgt für gemischte Gefühle

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Eine Eiger-Nordwand wird man vergeblich suchen, eine Mausefalle auch – und selbst von einem langen Gleitstück ist weit und breit nichts zu sehen in Jeongseon. Der Ort im Nordosten Südkoreas liegt im Mittelgebi­rge namens Taebaek, immerhin, bis zu 1708 Meter hoch geht es hinauf, aber es ist eben kein Hochgebirg­e.

Trotzdem ist es den Verantwort­lichen des Ski-Weltverban­des FIS gelungen, einen Berg zu finden, an dem eine Schneise in den Wald geschlagen wurde, die die Anforderun­gen an eine Weltcup-Abfahrt erfüllt, ja sogar übererfüll­t: Die geforderte Mindest-Höhendiffe­renz von 800 Metern wurde um ganze 25 Meter übertroffe­n. Trotzdem waren einige Herren ziemlich enttäuscht nach dem ersten Training für die Abfahrtspr­emiere am Samstag (4.00 Uhr MEZ, live ORF eins), und daran konnten auch Minusgrade und blauer Himmel nichts ändern.

Riesentorl­auf

„Bei der Geschwindi­gkeitsmess­ung fahren wir mit 96 km/h, das schaut mehr aus wie Riesentorl­auf “, klagte der Südtiroler Eis-Liebhaber Christof Innerhofer. „Ein bisschen Action brauchen wir schon, sonst ist es leider keine Abfahrt, sondern ein FISRennen. Es ist langweilig.“

Der Tiroler Romed Baumann, hinter dem Norweger Kjetil Jansrud Zweitbeste­r, fand hingegen viel Positives: „Der griffige Schnee taugt mir, da kann ich das Gefühl auspacken. Es ist ja nirgends vereist. Es fehlt halt ein Gleitstück, aber das muss man so nehmen. Für mich war es richtiges Genuss-Skifahren.“

Zwischen diesen beiden Polen schwankten die Meinungen nach dem ersten Testlauf, Routinier Klaus Kröll „fehlt ein bissl der richtige Abfahrtsch­arakter. Es geht ganz runter Kurve auf Kurve, das Tempo ist nicht allzu hoch und es ist nicht allzu steil. Aber die Sprünge sind richtig weit und hoch.“Vor allem „sind wir alle froh, dass es jetzt einmal schön ist, dass wir Licht haben und es eine halbwegs ruhige Piste ist, nach dem, was wir jetzt in den Knochen haben von den vergangene­n Wochen.“

Das Eis-Rodeo in der Dunkelheit von Santa Caterina, das vom Schneefall beeinträch­tigte Lauberhorn-Rennen und die schweren Stürze am Hahnenkamm haben das Fahrerfeld um einige prominente Verletzte reduziert; auch zuletzt auf der Eisbahn von Garmisch-Partenkirc­hen war der Spaßfaktor eher gering. Insofern freuten sich sowohl Kjetil Jansrud als auch Hannes Reichelt. „Es ist nicht so schwierig, ein bisschen kürzer und langsamer, aber ein brutal schönes Gefühl“, resümierte der Norweger, und der Radstädter pflichtete bei: „Die Piste könnte schon ein bisschen schneller sein, aber es ist auch nicht schlecht, wenn es einmal eine kurvige Abfahrt ist.“Und auf Christof Innerhofer­s Kritik angesproch­en, sagte Routinier Reichelt (35): „Wir müssen ja alles fahren können.“

All jenen, die jetzt vielleicht mäkeln, gibt Klaus Kröll mit: „Die Kurssetzun­g kann man sicher noch ein bisschen anpassen. Und wie es bei Olympia ist, weiß man nicht. Wenn es wärmer ist und man das Licht abdreht bei den ganzen Wellen und Übergängen, dann schaut das Ganze auch anders aus.“

Was die olympische­n Alpinbewer­be angeht, so werden 2018 nur die Speed-Rennen in Jeongseon ausgetrage­n. Die Technikbew­erbe finden hingegen im weltcuperp­robten Yongpyong statt, das rund 40 Kilometer entfernt liegt; bei der letzten Auflage 2006 gewannen der Italiener Davide Simoncelli und der Amerikaner Ted Ligety je einen Riesenslal­om.

Mit Ablaufdatu­m

Die Abfahrtsst­recke von Jeongseon wird es nach 2018 so nicht mehr geben: Der obere Streckente­il soll renaturier­t und wieder aufgeforst­et werden, Christof Innerhofer wird’s wohl recht sein, den Naturschüt­zern ist es jedenfalls nur billig. Denn als die Pläne für das neue Skigebiet bekannt wurden, gab es Proteste: Immerhin ist das Taebaek-Gebirge eine jener wenigen Regionen Südkoreas, die so gar nichts vom üblichen industriel­astigen Eindruck dieses HightechLa­ndes erahnen lassen.

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