Kinderärzte sollen jetzt einspringen
Überfüllte Ambulanzen. Die Kammer sucht Mediziner, die am Wochenende freiwillig ihre Ordination aufsperren
Es ist eine in Wien bisher wohl einzigartige Aktion: Angesichts der grippebedingten Engpässe und stundenlanger Wartezeiten in der Kinderambulanz des Donauspitals am vergangenen Wochenende
richtet jetzt die Wiener Ärztekammer einen Appell an ihre Mitglieder: „Wir werden im Sinne unserer Patienten einige Wiener Kinderärzte bitten, für die Dauer der Grippewelle ihre Ordinationen auch am Wochenende zu öffnen, um dem Ansturm gerecht zu werden“, sagt Kammer-Vizepräsident Johannes Steinhart.
Auch der Ärztefunkdienst, der Kleinkinder ab einem Jahr mobil versorgen kann, ist amkommenden Wochenende verstärkt im Einsatz
Wie berichtet, musste am Sonntag sogar die Polizei ins Donauspital ausrücken, um die empörten Patienten zu beruhigen. Diese mussten Wartezeiten von bis zu acht Stunden in Kauf nehmen, weil die Ambulanz nicht auf den Ansturm der Grippepatienten vorbereitet war. Statt der üblichen 50 bis 60 Kranken mussten am Sonntag rund 250 versorgt werden.
Dabei hat die Grippewelle erst begonnen. Am Wochenende könnte die Patientenzahl daher noch höher sein. Das Donauspital hat bereits angekündigt, seine Personalkapazitäten zu verstärken.
Zu wenig Honorar
Für Steinhart steckt hinter der aktuellen Misere ein massives strukturelles Problem, das trotz „jahrelanger Versprechungen“immer noch nicht gelöst worden sei: „Die Patienten werden an den Wochenenden geradezu in die Ambulanzen gedrängt, weil den Kinderarzt-Ordinationen mit Kassenvertrag unglaubliche bürokratische Steine in den Weg gelegt werden.“So sei die Sozialversicherung nach wie vor nicht bereit, „teurere Wochenend- Öffnungszeiten zu honorieren“, sagt Steinhart, der angesichts der aktuellen Engpässe von einen „gesundheitspolitischen Skandal“spricht.
Er kritisiert einen weiteren Missstand: Ein Wiener Kinderarzt behandle täglich durchschnittlich 70 bis 80 Kinder. Trotz dieser großen Zahl, die bei Grippewellen schnell weiter in die Höhe schieße, sei es Ärzten nicht erlaubt, Kollegen zur Unterstützung anzufordern.
Kaum Angebote
Kinder-Ordinationen mit Kassenvertrag, die am Wochenende offen haben, sind derzeit in Wien noch absolute Mangelware. Samstags sind es gerade einmal drei, sonntags gibt es mit dem Kindermedizinischen Zentrum Augarten überhaupt nur eine. Für ein wenig Entlastung soll die Kindermedizinische Notdienst-Ordi im AKH sorgen, die vor einigen Jahren eingerichtet wurde. Als Alternative gibt es nur noch die allgemeinmedizinische Ordination des Ärztefunkdienstes in der Pillergasse 20, im 15. Be- zirk. Sie ist wochenends von 8 bis 20 Uhr geöffnet.
Massive Kritik an den Zuständen im Donauspital kommt auch von der FPÖ: „Anstatt sich zu entschuldigen und einzugestehen, dass ein völlig verfehltes Personalmanagement daran schuld war, wird kurzerhand die Grippewelle als Ausrede verwendet“, sagt Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl.
„Seit Wochen wird eine Grippewelle angekündigt – darauf muss man vorab reagieren und nicht erst, wenn es die Stadt voll erwischt hat“, ergänzt FPÖ-Stadtrat David Lasar. Immerhin sei eine Grippewelle im Winter kein unnatürliches Phänomen. Zu hinterfragen sei, warum man nicht schon längst angefangen hat, den Bereich der niedergelassenen Ärzte zu entlasten. „Hier fehlen seit Langem mindestens 300 Ärzte“, rechnet Lasar vor. Auch die Tatsache, dass Ärzte keine Kollegen anstellen dürfen, ließe den niedergelassenen Bereich weiterhin ausbluten.