„Europa à la carte“in der Asylpolitik
Analyse. EU-Kommission legt am Mittwoch Bilanz des Türkei-Paktes vor
Lassen sich die Fliehkräfte einer europäischen Flüchtlingspolitik noch bändigen? – Diese Frage bringt die Köpfe der EUGranden in Brüssel zum Glühen. Die EU-Kommission evaluiert gerade den Pakt mit der Türkei und insgesamt die bisherige Flüchtlings- und Asylpolitik. Am Mittwoch will sie einen Bericht vorlegen.
„Das kann nur eine Chronologie des Scheiterns sein“, fürchtet ein Insider, und er gibt folgende Prognose ab: Die Kommissionsexperten, geschult in exakten Analysen, werden kurz vor dem EU-Gipfel am 18. und 19. Februar, den Regierungen der Mitgliedsländer einen Spiegel vorhalten. In ihrer Bilanz werden sie genau auflisten, was die Kommission bisher vorgeschlagen hat – und was die einzelnen Staaten daraus gemacht haben: Nämlich ein „Europa à la carte“in der Flüchtlings- und Asylpolitik.
Einer der Vorschläge der Kommission, die Flüchtlinge nach einer Quote fair auf alle Länder aufzuteilen, scheiterte am Widerstand etlicher osteuropäischer Länder. Nationale Maßnahmen, wie die Errichtung von Zäunen, womit als erstes Land Ungarn begann, Grenzkontrollen und Limits für Asylwerber waren die Folge. Jetzt ist von der größten Krise der EU seit ihrer Gründung die Rede.
Mit allen Mitteln will Bundeskanzlerin Angela Merkel diesem Befund gegensteuern. Eisern hält sie an einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingskrise fest. Die Koalition der Willigen, zu der auch Österreich lange gehörte, existiert nicht mehr.
Unterstützung für ihren Kurs suchte Merkel Sonntagabend bei Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Parlamentspräsident Martin Schulz. Das Trio besprach den Deal mit Ankara und Hilfe für Athen.
Ob die Türkei nicht noch mehr Geld als die vereinbarten drei Milliarden Euro für die Flüchtlingsunterbringung bekommt, ist offen. Die Kommission überprüft erneut ihre Geldtöpfe.
NATO-Hilfe
Neu ist allerdings die Einbeziehung der Streitkräfte in die Flüchtlingsstrategie der EU. Die Verteidigungsminister haben dies bei ihrem Treffen in Amsterdam bereits gefordert, jetzt wird es Realität. Schiffe und Soldaten der Allianz sollen die historisch zerstrittenen Länder Griechenland und Türkei – beide sind NATO-Mitglieder – bei der besseren Überwachung ihrer Küstengewässer koordinieren. So soll die Schlepper-Kriminalität und die illegale Einwanderung gebremst werden.
Merkel will aber auch mehr Unterstützung für Griechenland. Rund 800 FrontexBeamte für die Hotspots und die Registrierung der ankommenden Flüchtlinge seien zu wenig, heißt es in Athen. 2000 Frontex-Beamte, technische Ausrüstung und zusätzliche Boote will Griechenland.
Eine „Sicherheitstroika“hätte es schon längst geben müssen, um der krisengeschüttelten und chaotischen linken Tsipras-Regierung beizustehen. Monatelang ist der Schwarze Peter zwischen Athen und Frontex hin- und hergeschoben worden. Hier hätte die Sicherheitsbeauftragte Federica Mogherini schon längst ein Machtwort sprechen müssen, um an der griechischen Außengrenze aufzurüsten. Diese Kritik muss sich die EU-Kommission gefallen lassen.