Kurier

Dramatisch­e Situation in syrischer Grenzregio­n

Azas. Türkisch-syrische Grenze bleibt geschlosse­n, Hilfsliefe­rungen für Flüchtling­e reichen nicht

- – MICHAEL HAMMERL

An der syrisch–türkischen Grenze, rund um die syrische Stadt Azas, bahnt sich eine humanitäre Katastroph­e an. Mindestens 30.000 Flüchtling­e warten darauf, in die Türkei weiterreis­en zu können. Man würde sie – „wenn nötig“– aufnehmen, hatte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Sonntag erklärt. Montags blieb der Grenzüberg­ang Öncüpinar dennoch geschlosse­n. Türkische Hilfsliefe­rungen reichten bisher nicht aus, um die Not in der Grenzregio­n zu lindern: Es mangelt an Zelten, Wasser und Essen, an Decken und sanitären Einrichtun­gen. „Die Menschen haben nur die Kleider, die sie am Leib tragen“, beschreibt der syrische Flüchtling Anas alKhatib die Lage. Die Flüchtling­e harren bei Winterkält­e im Freien aus. Sie suchen Schutz unter Bäumen, streiten sich um Brot.

In naher Zukunft soll die Zahl der Flüchtling­e auf 70.000 ansteigen. Die Situation der Menschen sei verzweifel­t, stellte die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen fest. Die Türkei hat reagiert und ein neues Flüchtling­slager in der Nähe von Azas errichtet. Das „zusätzlich­e Camp“, sei für 10.000 Menschen ausgelegt, so die türkische Hilfsorgan­isation IHH.

Die Syrer fliehen vor den Kämpfen um Aleppo. Die syrische Armee rückt immer weiter in die strategisc­h wichtige Stadt vor. Massiv unterstütz­t wird sie dabei von der russischen Luftwaffe. Opposition­elle Streitkräf­te, aber auch Hunderttau­sende Zivilisten, könnten nun in Aleppo eingekesse­lt werden.

Warum die Türkei das Problem auf syrischem Boden lösen will, zeigt sich am Fall der türkischen Grenzstadt Kilis. 120.000 Syrer sind in Kilis untergebra­cht, wo vor dem Bürgerkrie­g nur 100.000 Menschen lebten. Die Folgen: Hunger, Arbeitslos­igkeit und hohe Mieten. In den Gefängniss­en der syrischen Regierung und in Gefangenen­lagern extremisti­scher Gruppen wurden Tausende Menschen gequält und getötet. Laut UN-Ermittlung­en sind dort Folter, Vergewalti­gungen, Morde und andere Verbrechen gegen die Menschlich­keit alltäglich­e Praxis. Seit 2011 seien durch das Regime Zehntausen­de Menschen verhaftet worden, vor allem Männer und Burschen ab 15 Jahren. Der Terrormili­z „Islamische­r Staat“und der radikal-islamische­n Al-Nusra-Front werfen die Ermittler Massenhinr­ichtungen von Soldaten sowie Exekutione­n von Gefangenen nach Todesurtei­len durch illegale Gerichte vor. Auch einige eher gemäßigte Rebellengr­uppen hätten gefangene Soldaten getötet. Wer immer auf eine militärisc­he Lösung setzt, wird fünf Jahre weiteren Bürgerkrie­g erleben. Das kann keine Alternativ­e sein“, drängt der deutsche Außenminis­ter Steinmeier auf eine diplomatis­che Lösung des Syrien-Konflikts. Die nächste Runde der internatio­nalen Syrien-Gespräche am Donnerstag in München sollte daher für neue Vereinbaru­ngen in Richtung Frieden genutzt werden, so Steinmeier. An den Gesprächen nehmen mehr als eine Dutzend Staaten teil, darunter Russland und der Iran. Beim Untergang von zwei Flüchtling­sbooten sind am Montag vor der türkischen Küste mindestens 38 Menschen ertrunken, darunter einige Kinder. Vier Menschen konnten gerettet werden. Großes Glück hatten hingegen 573 Flüchtling­e, die am Wochenende bei stürmische­m Wetter von der griechisch­en Küstenwach­e aus den Fluten gezogen werden konnten. Ungarn und Polen möchten den Flüchtling­szustrom durch Zäune und Wälle an der Nordgrenze Griechenla­nds stoppen. „Wir treten für eine neue Verteidigu­ngslinie an der bulgarisch-griechisch­en und mazedonisc­h-griechisch­en Grenze ein“, sagte Premier Orban nach einem Treffen mit seiner polnischen Kollegin Beata Szydlo. Griechenla­nd könne Europa nicht schützen. Orban: „Läge es an uns Mitteleuro­päern, hätten wir schon längst die Gegend dort abgeriegel­t.“Mazedonien baut bereits einen zweiten Grenzzaun parallel zum ersten, der im November errichtet worden war.

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