Dramatische Situation in syrischer Grenzregion
Azas. Türkisch-syrische Grenze bleibt geschlossen, Hilfslieferungen für Flüchtlinge reichen nicht
An der syrisch–türkischen Grenze, rund um die syrische Stadt Azas, bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an. Mindestens 30.000 Flüchtlinge warten darauf, in die Türkei weiterreisen zu können. Man würde sie – „wenn nötig“– aufnehmen, hatte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Sonntag erklärt. Montags blieb der Grenzübergang Öncüpinar dennoch geschlossen. Türkische Hilfslieferungen reichten bisher nicht aus, um die Not in der Grenzregion zu lindern: Es mangelt an Zelten, Wasser und Essen, an Decken und sanitären Einrichtungen. „Die Menschen haben nur die Kleider, die sie am Leib tragen“, beschreibt der syrische Flüchtling Anas alKhatib die Lage. Die Flüchtlinge harren bei Winterkälte im Freien aus. Sie suchen Schutz unter Bäumen, streiten sich um Brot.
In naher Zukunft soll die Zahl der Flüchtlinge auf 70.000 ansteigen. Die Situation der Menschen sei verzweifelt, stellte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fest. Die Türkei hat reagiert und ein neues Flüchtlingslager in der Nähe von Azas errichtet. Das „zusätzliche Camp“, sei für 10.000 Menschen ausgelegt, so die türkische Hilfsorganisation IHH.
Die Syrer fliehen vor den Kämpfen um Aleppo. Die syrische Armee rückt immer weiter in die strategisch wichtige Stadt vor. Massiv unterstützt wird sie dabei von der russischen Luftwaffe. Oppositionelle Streitkräfte, aber auch Hunderttausende Zivilisten, könnten nun in Aleppo eingekesselt werden.
Warum die Türkei das Problem auf syrischem Boden lösen will, zeigt sich am Fall der türkischen Grenzstadt Kilis. 120.000 Syrer sind in Kilis untergebracht, wo vor dem Bürgerkrieg nur 100.000 Menschen lebten. Die Folgen: Hunger, Arbeitslosigkeit und hohe Mieten. In den Gefängnissen der syrischen Regierung und in Gefangenenlagern extremistischer Gruppen wurden Tausende Menschen gequält und getötet. Laut UN-Ermittlungen sind dort Folter, Vergewaltigungen, Morde und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit alltägliche Praxis. Seit 2011 seien durch das Regime Zehntausende Menschen verhaftet worden, vor allem Männer und Burschen ab 15 Jahren. Der Terrormiliz „Islamischer Staat“und der radikal-islamischen Al-Nusra-Front werfen die Ermittler Massenhinrichtungen von Soldaten sowie Exekutionen von Gefangenen nach Todesurteilen durch illegale Gerichte vor. Auch einige eher gemäßigte Rebellengruppen hätten gefangene Soldaten getötet. Wer immer auf eine militärische Lösung setzt, wird fünf Jahre weiteren Bürgerkrieg erleben. Das kann keine Alternative sein“, drängt der deutsche Außenminister Steinmeier auf eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts. Die nächste Runde der internationalen Syrien-Gespräche am Donnerstag in München sollte daher für neue Vereinbarungen in Richtung Frieden genutzt werden, so Steinmeier. An den Gesprächen nehmen mehr als eine Dutzend Staaten teil, darunter Russland und der Iran. Beim Untergang von zwei Flüchtlingsbooten sind am Montag vor der türkischen Küste mindestens 38 Menschen ertrunken, darunter einige Kinder. Vier Menschen konnten gerettet werden. Großes Glück hatten hingegen 573 Flüchtlinge, die am Wochenende bei stürmischem Wetter von der griechischen Küstenwache aus den Fluten gezogen werden konnten. Ungarn und Polen möchten den Flüchtlingszustrom durch Zäune und Wälle an der Nordgrenze Griechenlands stoppen. „Wir treten für eine neue Verteidigungslinie an der bulgarisch-griechischen und mazedonisch-griechischen Grenze ein“, sagte Premier Orban nach einem Treffen mit seiner polnischen Kollegin Beata Szydlo. Griechenland könne Europa nicht schützen. Orban: „Läge es an uns Mitteleuropäern, hätten wir schon längst die Gegend dort abgeriegelt.“Mazedonien baut bereits einen zweiten Grenzzaun parallel zum ersten, der im November errichtet worden war.