Hillary Clinton hat Angst vor dem tiefen Fall
USA. Ehemann Bill Clinton attackiert Bernie Sanders, der Hillary als Rivale gefährlich wird
Sie hat das meiste SpendenGeld, das dichteste Netzwerk, die schlagkräftigste Organisation, die schwergewichtigste politische Vita und eine historische Chance: als Madam President ins Oval Office einzuziehen. Entsprechend siegesgewiss und mütterlich jovial schlenderte die Demokratin Hillary Rodham Clinton lange Zeit durch den US-Vorwahlkampf. Zumal die Umfragen sie bestärkten. Sie gaben ihr das Gefühl, als sei die Aushändigung der Kandidatur für das Weiße Haus an sie nicht viel mehr als eine Folge von Zwangsläufigkeiten.
Diese Hillary Clinton gibt es nicht mehr.
Vor dem heutigen Vorwahlgang in New Hampshire erleben die USA eine Frau mit verkrampftem Lächeln und Zornesfalte auf der Stirn, die schrill im Ton nach jedem Strohhalm greift (also auch zu ihrem Mann Bill), um ihren einzigen Widersacher abzuwehren: Bernie Sanders. Der 74-Jährige liegt im NeuEngland-Staat weit vorn und kommt Clinton auch landesweit bedrohlich nahe. Amerika „Feels The Bern“, sagt man. Auch darum verdingt sich Bill Clinton neuerdings als Heckenschütze. Giftig im Ton drischt der Gatte und ExPräsident auf den Rivalen ein, nennt Sanders öffentlich einen intellektuell „hermetisch verschlossenen“Träumer, ja Lügner. Nichts dokumentiert die Angst in „Hillaryland“besser als die hässlichen Tiraden Mr. Clintons.
Clintons Déjà-vu
Dort weiß man: Eine Niederlage in New Hampshire bräche der früheren First Lady zwar nicht das Genick. Aber es würde die Erzählung von einer nach der ultimativen Macht strebenden Frau wieder zum Leben erwecken, die schon einmal gegen einen Außenseiter etwas zu hochmütig und unvorbereitet angetreten und dann tief gefallen war: 2008 Barack Obama.
Bernie Sanders hat Clintons Stärke – Erfahrung und Bekanntheitsgrad – in Schwäche verwandelt. Denn es hat sich bei vielen Wählern im Mittelinks-Spektrum der Sound festgesetzt, dass unter Clinton nicht viel mehr drin ist als ein Ungefähr-so-weiter-wie-bisher. Sanders dagegen winkt mit „politischer Revolution“. Er will das Mandat für eine große soziale Umverteilungsmaschine und die Bändigung der marodierenden Finanzmärkte. Beides ist seit „Occupy Wall Street“-Tagen kein Minderheiten-Thema mehr. Sanders’ abgeklärter Enthusiasmus greift längst auf konservative Kreise über.
Gegen diesen gereiften Idealisten steht eine gewiefte Mechanikerin der Macht, die ihren Opportunismusverdacht nie losgeworden ist. Wenn Wähler gefragt werden, wofür Clinton steht und ob man ihr trauen kann, lautet die gängigste Antwort: weiß nicht.
Für die Wahl im November wiegt das zentnerschwer. Vor allem, wenn die republikanischen Vor-Wähler Donald Trump und Ted Cruz rechtzeitig ausmustern. Ein politisch gelenkiger und unverbrauchter Marco Rubio könnte Clintons Lebensplan endgültig durchkreuzen.