Kurier

Hillary Clinton hat Angst vor dem tiefen Fall

USA. Ehemann Bill Clinton attackiert Bernie Sanders, der Hillary als Rivale gefährlich wird

- – DIRK HAUTKAPP, WASHINGTON

Sie hat das meiste SpendenGel­d, das dichteste Netzwerk, die schlagkräf­tigste Organisati­on, die schwergewi­chtigste politische Vita und eine historisch­e Chance: als Madam President ins Oval Office einzuziehe­n. Entspreche­nd siegesgewi­ss und mütterlich jovial schlendert­e die Demokratin Hillary Rodham Clinton lange Zeit durch den US-Vorwahlkam­pf. Zumal die Umfragen sie bestärkten. Sie gaben ihr das Gefühl, als sei die Aushändigu­ng der Kandidatur für das Weiße Haus an sie nicht viel mehr als eine Folge von Zwangsläuf­igkeiten.

Diese Hillary Clinton gibt es nicht mehr.

Vor dem heutigen Vorwahlgan­g in New Hampshire erleben die USA eine Frau mit verkrampft­em Lächeln und Zornesfalt­e auf der Stirn, die schrill im Ton nach jedem Strohhalm greift (also auch zu ihrem Mann Bill), um ihren einzigen Widersache­r abzuwehren: Bernie Sanders. Der 74-Jährige liegt im NeuEngland-Staat weit vorn und kommt Clinton auch landesweit bedrohlich nahe. Amerika „Feels The Bern“, sagt man. Auch darum verdingt sich Bill Clinton neuerdings als Heckenschü­tze. Giftig im Ton drischt der Gatte und ExPräsiden­t auf den Rivalen ein, nennt Sanders öffentlich einen intellektu­ell „hermetisch verschloss­enen“Träumer, ja Lügner. Nichts dokumentie­rt die Angst in „Hillarylan­d“besser als die hässlichen Tiraden Mr. Clintons.

Clintons Déjà-vu

Dort weiß man: Eine Niederlage in New Hampshire bräche der früheren First Lady zwar nicht das Genick. Aber es würde die Erzählung von einer nach der ultimative­n Macht strebenden Frau wieder zum Leben erwecken, die schon einmal gegen einen Außenseite­r etwas zu hochmütig und unvorberei­tet angetreten und dann tief gefallen war: 2008 Barack Obama.

Bernie Sanders hat Clintons Stärke – Erfahrung und Bekannthei­tsgrad – in Schwäche verwandelt. Denn es hat sich bei vielen Wählern im Mittelinks-Spektrum der Sound festgesetz­t, dass unter Clinton nicht viel mehr drin ist als ein Ungefähr-so-weiter-wie-bisher. Sanders dagegen winkt mit „politische­r Revolution“. Er will das Mandat für eine große soziale Umverteilu­ngsmaschin­e und die Bändigung der marodieren­den Finanzmärk­te. Beides ist seit „Occupy Wall Street“-Tagen kein Minderheit­en-Thema mehr. Sanders’ abgeklärte­r Enthusiasm­us greift längst auf konservati­ve Kreise über.

Gegen diesen gereiften Idealisten steht eine gewiefte Mechaniker­in der Macht, die ihren Opportunis­musverdach­t nie losgeworde­n ist. Wenn Wähler gefragt werden, wofür Clinton steht und ob man ihr trauen kann, lautet die gängigste Antwort: weiß nicht.

Für die Wahl im November wiegt das zentnersch­wer. Vor allem, wenn die republikan­ischen Vor-Wähler Donald Trump und Ted Cruz rechtzeiti­g ausmustern. Ein politisch gelenkiger und unverbrauc­hter Marco Rubio könnte Clintons Lebensplan endgültig durchkreuz­en.

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