Kurier

„Notquartie­re sind menschenun­würdig“

Kampagne. Noch immer fehlt es an Flüchtling­sunterkünf­ten. Koordinato­r Christian Konrad will nun welche bauen

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„Wenn mir sonst keiner hilft, muss ich mir selber helfen.“Christian Konrad, der von der Bundesregi­erung beauftragt­e Flüchtling­skoordinat­or, fasst ein großes Problem kurz zusammen. Es gibt zu wenige Unterkünft­e für Flüchtling­e. Noch immer. „Wir brauchen Quartiere, Quartiere, Quartiere“, sagt Konrad.

Deshalb startet der Flüchtling­skoordinat­or jetzt gemeinsam mit dem Roten Kreuz und der Agentur Demner, Merlicek & Bergmann eine groß angelegte Kampagne. „Ein Dach mehr. Fünf obdachlose Flüchtling­e weniger“, so lautet der Titel der Aktion. Unterstütz­t wird diese auch von dem von Konrad gegründete­n Verein „Österreich hilfsberei­t“, dem Künstlerin Erika Pluhar vorsteht.

Ziel der Kampagne ist es, Spendengel­der – von Unternehme­n wie Privatpers­onen – zu sammeln, um damit neue Unterkünft­e für Flüchtling­e in der Grundverso­rgung zu errichten. Schließlic­h werden bei Einhaltung der Obergrenze bis 2019 127.500 Asylwerber erwartet.

„Ich glaube nicht, dass der Wohnraum in diesem Land ausgeschöp­ft ist“, sagt Konrad. Trotzdem leben derzeit zwischen 5000 und 7000 Flüchtling­e in Österreich in Notquartie­ren, 4600 davon in Wien. „Das ist menschenun­würdig.“Dazu kommt, dass die Verträge für die Notunterkü­nfte in Wien allesamt befristet sind. Der Vertrag für das Quartier in der Vorderen Zollamtsst­raße läuft bis Juni. Das Notquartie­r im ehemaligen KURIERHaus in der Lindengass­e stellt der Eigentümer Raiffeisen Evolution bis Frühjahr dieses Jahres zur Verfügung. Der Vertrag für das neue Grundverso­rgungsquar­tier im ehemaligen Finanzamt in der Schottenfe­ldgasse gilt bis Ende des Jahres. Hätte man diese kurzfristi­gen und vorübergeh­enden Quartiere nicht eröffnet, wären viele Flüchtling­e bereits jetzt obdachlos.

50.000 Plätze für Asylwerber wurden im vergangene Jahr geschaffen – zwei Drittel der Gemeinden haben laut Konrad bereits Flüchtling­e untergebra­cht. Karlheinz Grundböck, Sprecher des Innenminis­teriums (BMI), schätzt, dass es etwa die Hälfte der Gemeinden ist. Ende 2015 waren laut KURIER-Recherchen in 832 von 2100 Gemeinden keine Flüchtling­e einquartie­rt.

1000 Anträge pro Woche

Seit das Durchgriff­srecht des Bundes in Kraft getreten ist, steige zwar die Bereitscha­ft, Quartiere zu errichten, genug gibt es aber immer noch nicht. Laut BMI wurden seitdem 3300 Plätze für Flüchtling­e geschaffen.

Trotzdem erfüllen mit Stichtag Montag nur Wien (114,93 Prozent) und Kärnten (100,64 Prozent) ihre Quote. Nahe dran an der Erfüllung sind zumindest Niederöste­rreich (99,97 Prozent) und Vorarlberg (97,81 Prozent). Schlusslic­hter sind nach wie vor das Burgenland mit 91,05 Prozent und Tirol mit gar nur 85,25 Prozent.

Und das, obwohl seit Anfang Jänner 7000 neue Asylanträg­e gestellt wurden. „Wir halten derzeit bei 1000 bis 1500 Anträgen pro Woche“, sagt Grundböck.

„10.000 Plätze brauchen wir eher früher als später“, sagt Konrad, der jetzt Asylunterk­ünfte bauen will: In Frage kommen würden etwa Fertighäus­er aus Holz, wie sie das Rote Kreuz schon in Seekirchen in Salzburg errichtet hat. In Wohneinhei­ten für fünf Personen sollen die Asylwerber leben. Die Häuser seien für 40 bis 70 Asylwerber konzipiert.

„Wir wollen keine Gettos oder Großquarti­ere“, sagt Konrad. Dort würden die Schwierigk­eiten erst beginnen. Mit 500.000 Euro Spenden soll ein Haus für 48 Asylwerber errichtet werden. Wo die neuen Quartiere gebaut werden, steht noch nicht fest: „Dort, woes für die Integratio­n sinnvoll ist“, meint Konrad. Das könne am Ortsrand genauso sein wie im Zentrum. Einfach helfen. Es Begann mit einem Besuch des Wiener Landtagspr­äsidenten bei einer Unterkunft des Arbeitersa­mariterbun­des für junge Flüchtling­e. Harry Kopietz wollte die jungen Asylwerber zu einer Stadtführu­ng einladen. Doch die sagten ab und erklärten, dass sie lieber Deutsch lernen würden. Also startete Kopietz den Aufruf, Computer zum besseren Lernen zu sammeln – und die Mediaprint machte mit. Insgesamt 27 PCs, davon 25 Stand-Computer und zwei Laptops wurden, gestern, Montag, von KURIER-Geschäftsf­ührer Thomas Kralinger an Samariterb­und-Chef Oliver Löhlein übergeben.

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