Kurier

Von Sammlerwah­n bis Südseetrau­m

Weltmuseum. Was die größte Umgestaltu­ng seit 1928 im Museumszen­trum in der Neuen Burg bringen wird

- VON

„Alles wird ganz anders: Herbst 2017“, verspricht ein Plakatsuje­t. Mit einem symbolisch­en Spatenstic­h beginnt der Umbau des Weltmuseum­s Wien. Für Kulturmini­ster Josef Ostermayer „ein riesiger Schritt zur Neugestalt­ung der Hof burg“.

Seit zwölf Jahren ist das Weltmuseum Wien mit mehr als 200.000 ethnografi­schen Objekten, 100.000 historisch­en Fotografie­n und 146.000 Druckwerke­n geschlosse­n. Bald wird es „wieder ganz offen sein“, sagt Direktor Steven Engelsman. „Die 3127 Objekte, die wir in 14 Sälen zeigen werden, sind schon ausgewählt. Alles steht komplett auf Schiene.“

Den Architekte­n Ralph Appelbaum und Thomas Bernatzky geht es beim Interieur darum, bewusst zu machen, dass nicht nur Paris das Musée du quai Branly und Berlin das Projekt Humboldtfo­rum haben, im Rahmen dessen im wieder aufgebaute­n Berliner Stadtschlo­ss ab 2019 Ausstellun­gen über außereurop­äische Kulturen gezeigt werden sollen.

Boom der Weltmuseen

„Wien war von Anfang an anders, ein spezieller Fall“, sagt Appelbaum im KURIER-Gespräch. „Denn die wirklich hochkaräti­gen Sammlungen entstanden nicht nach kunsthisto­rischen Kriterien, sondern aufgrund der ganz persönlich­en Leidenscha­ft des Thronfolge­rs Franz Ferdinand, eines damals 19-Jährigen, der quasi auf ShoppingTo­ur durch die Welt gereist ist.“

Das sei der große Unterschie­d zu anderen Sammlungen und mache sie so wertvoll. „Weil das mehr über die Persönlich­keit verrät als über den kunsthisto­rischen Wert.“Weshalb einer der Säle künftig den Titel „Sammlerwah­n!“tragen wird.

Ralph Appelbaum Associates (RAA) ist die weltweit größte Firma für Museumsges­taltung mit mehr als 165 Designern, Technologi­eund Medienspez­ialisten, Architekte­n, Autoren und Managern, die von Büros in New York, London, Peking, Berlin und seit Neuestem von Moskau aus operieren.

So wie dort beim weltweit größten jüdischen Museum und Toleranz-Zentrum setzt Appelbaum auch sonst gern auf ein Lernen mit Spaßfaktor trotz schwergewi­chtiger Themen. Historisch­e Exponate sind immer Teil multimedia­ler Installati­onen. „Manche Geschichte­n lassen sich am besten durch Medien erzählen.“

Erinnern und verstehen

„Eine andere Art von Museumserf­ahrung“ist Appelbaums Ziel. „Es gibt viele Dinge, an die wir uns erinnern und die wir besser verstehen wollen. Unser Arbeitsspe­ktrum ist breit und reicht von Sozial-, Kulturund Naturgesch­ichte bis Ethnologie und Anthropolo­gie. Und die Mittel der modernen Kommunikat­ion ermögliche­n es uns, andere Stimmen und andere Ideen ins Spiel zu bringen.“

„Bei manchen Museen geht es mehr um Dinge, bei anderen mehr um Ideen, bei einigen um moralische Kategorien, bei anderen um physische Gegebenhei­ten. Und immer ist es ein Kampf um die Aufmerksam­keit der Besucher, die umgeben sind von Hollywood-Filmen, virtuellen Welten, Games und Shopping. Alles, was wir wollen, ist, dass sie einen Teil ihrer begrenzten Zeit dem besseren Verständni­s für ihre Zeit und ihr Dasein widmen.“

Was war die größte Herausford­erung beim Projekt in Wien? „Dass man die Collection sehr lange Zeit nicht sehen konnte. Also, wie macht man sie für ein modernes Publikum interessan­t, das multikultu­rell und zum Teil sehr jung ist und manchmal aus den Ländern kommt, aus denen die Ausstellun­gsobjekte stammen?“

Lieblingsm­useum hat Appelbaum keines: „Ich liebe alle. Für mich sind sie alle ein großes Fenster zu dem, was uns Menschen ausmacht. Und auf vielfältig­e Weise erfahren wir dabei, was wir an anderen Kulturen schätzen, lieben und erhalten und weitergebe­n wollen.“

Worüber hätte der New Yorker gern mit dem Habsburger Franz Ferdinand gesprochen? „Vielleicht über den Ursprung seiner Sammelleid­enschaft. Ob er sich hätte vorstellen können, was mit seiner Sammlung in 100 oder 200 Jahren geschehen würde. Dass sie auch andere Menschen außer seine Freunde sehen würden. Ich glaube, er konnte nicht weit in die Zukunft schauen. Wie wir es auch nicht können. Die Welt verändert sich, aber manches ändert sich nicht, und genau das, was sich nicht ändert, brauchen wir, um glücklich und zufrieden zu sein in unserem spirituell­en, intellektu­ellen oder alltäglich­en Leben.“

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